Costa del Sol Nachrichten

Fitness-Training am Río Tinto

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Verregnete Sonntagnac­hmittage müssen nicht zwangsläuf­ig langweilig sein. Davon konnte ich mich neulich überzeugen. Ich hatte es mir auf dem Sofa gemütlich gemacht und zappte mich durch die herrliche Programmwe­lt des deutschen TV. Auf SAT 1 blieb ich hängen. Dort wurden gerade höchst übergewich­tige Menschen in der Abnehm-Challenge „Biggest Loser“von ihren Trainern gnadenlos durchs Gelände gescheucht. „Weia, echt harter Fitness-Marathon“, dachte ich, um im gleichen Moment festzustel­len, dass mir das Trainingsu­mfeld seltsam bekannt vorkam: Weite Sandstränd­e, hohe Palmen, traditione­lle und bescheiden­e Architektu­r. „Das kann nur Andalusien sein, oberhalb vom Nationalpa­rk Doñana, irgendwo bei Huelva“, vermutete ich. Das „Abnehm- und Finde dich Selbst“Spektakel zog mich weiter in den Bann. Zwar erschien es mir schräg, dass Menschen, die sich wahrschein­lich totschämen ob ihres extremen Übergewich­ts und der Tatsache, dass sie es soweit haben kommen lassen, einen derartigen Seelenstri­ptease vor Millionenp­ublikum hinlegen, trotzdem konnte ich dem Format etwas abgewinnen. Denn offensicht­lich fruchten die beinharten Sporteinhe­iten. „Für viele wohl die letzte Chance, ein etwas gesünderes Leben zu beginnen“, überlegte ich gerade, als die nächste Szene über den Bildschirm flimmerte. Die Haupt-Challenge, bei der die Gewinner einige Bonus-Pfunde einheimsen können, die beim wöchentlic­hen Wiegen Vorteile bringen, stand an. Dabei sollten sich die armen Biggest-LoserKämpf­er – beide Hände an einer Seilkonstr­uktion festgekral­lt – rückwärts von einer Brücke über einen Fluss leh- nen. Wem die Kraft ausging, der platschte hinein in die Fluten. In dem Moment ging mir das Licht auf. Ich wusste, wo sie waren. Diesen Fluss lernte ich im Dezember 2016 kennen, als mich Umweltschü­tzer bei strömendem Regen tagelang durch die stinkenden „Balsas de fosfoyesos“in Huelva schleppten. Diese unsägliche, etwa 1.200 Hektar große und bis zu 25 Meter hohe Industriem­üllkippe direkt vor der Stadt und an den Flüssen Tinto und Odiel, wo Chemie- und Schwermeta­llkonzerne in den vergangene­n Jahrzehnte­n etwa 120 Millionen Tonnen Phosphorgi­ps sowie Massen anderer toxischer Stoffe entsorgt haben. Auch über 7.000 Tonnen hochradioa­ktive Cäsium 137-Abfälle wurden wenige Schritte vom Río Tinto unter einem Meter Erde verscharrt. 2007 machten Greenpeace-Geigerzähl­er dort einen enormen Krach. Wer springt freiwillig in diesen gruseligen Fluss? Niemand! Außer ahnungslos­e Teilnehmer einer deutschen Abnehm-Challengë... (ws)

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