Dezentrale Energie
Blockchain bietet erfolgversprechende Alternativen in der globalen Versorgung
Nachdem die virtuelle Kryptowährung Bitcoin immer wieder von sich reden macht, ist nun auch die Technologie dahinter in den Vordergrund gerückt und hat einen wahren Hype in der Businesswelt losgetreten. Die Rede ist von der Blockchain, oft verglichen mit der „nächsten Stufe des Internets“. Neben dem Finanzsektor, Logistik, Rechten des geistigen Eigentums, öffentlichen Dienstleistungen sowie dem Gesundheits- und Versicherungswesen ist auch der Energiesektor beachtlich davon betroffen. Energieerzeuger und -verbraucher können unter anderem dank der Blockchain den Besitz von Energie direkt untereinander austauschen, ganz ohne Intermediäre.
Strom gehört zu den fundamentalsten Dingen im Leben. Zumindest in den Industriestaaten ist Elektrizität fest im Alltag verankert: 24 Stunden am Tag per Schalter oder Knopfdruck abrufbar. Wie sehr Wirtschaft und Haushalte auf Strom angewiesen sind, verdeutlicht schlagartig ein Stromausfall. Ist dieser großflächig, spricht man gar von einem Blackout. Dauert dieser länger als 48 Stunden wird es kritisch. In Mitleidenschaft gezogen werden etwa Lebensmittel, Wasser, Heizung, Telefon/Handy oder der Verkehr.
Stromausfälle durch Unwetter
Oft werden Stromausfälle von Unwettern verursacht. Immer wahrscheinlicher werden auch gezielte Cyberangriffe auf Versorger. Dazu kommt, dass die Nachfrage bald das Angebot übertreffen wird. Mit der fortschreitenden Digitalisierung, der explodierenden Nachfrage und der Zunahme von Unwettern infolge des Klimawandels, steigt das Risiko von Stromausfällen oder gar flächendeckenden Blackouts immens. Das erklärt, weshalb Stromnetze als sensible Infrastrukturen bezeichnet werden.
Ein anschauliches Beispiel ist die Karibikinsel Puerto Rico. Am 20. September 2017 verwüstete Hurrikan „Maria“mit Windgeschwindigkeiten bis zu 250 Stundenkilometern einen Großteil der Insel. Neben gefluteten Straßen und Häusern ohne Dächer waren auch plötzlich über drei Millionen Menschen ohne Strom. Im Februar 2018 twittert Bruce Fenton, CEO von Chainstone Labs und Vorstandsmitglied von Medici Ventures: „Puerto Rico, Tag 136: Über eine Million Menschen sind noch immer ohne Strom (30 Prozent der Insel). 100.000 Menschen sind im- mer noch ohne sauberes Trinkwasser. Weiterhin ein humanitärer Notfall. Puerto Rico ist seit viereinhalb Monaten ohne Strom. Die Hurrikansaison beginnt in weniger als vier Monaten.“
Jetzt setzt die Insel auf die Blockchain-Technologie. Denn diese vereinfacht eine dezentrale Energieversorgung in Verbindung mit Solaranlagen. Vor dem Hurri- kan war Puerto Rico noch ausschließlich in der Hand eines einzigen staatlichen Energieversorgers. Das scheint aber nicht mehr zu funktionieren. „Es kommt immer wieder zu Stromausfällen“, beschreibt Enrique Martínez, der in Puerto Rico geborene Gründer und CEO von Blocksis Corp. und Webcapitalists, im Gespräch mit der CBN die aktuelle Lage. „Ohne
Strom kann auch kein Wasser abgekocht werden, und das ist zur Zeit nicht von bester Qualität. Krankenhäuser müssen mit Notstrom zurechtkommen.“
Die Insel ist bankrott. „Mittlerweile ist jeder willkommen, der dabei hilft, die Stromversorgung auf der Insel schnellstmöglich wiederherzustellen, damit auch die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt“, so Martínez. Er beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit der Kryptowährung Bitcoin und der Blockchain. Zusammen mit Einheimischen hat er begonnen, eine Häusergemeinschaft in der Nähe eines betroffenen Krankenhauses zu bilden. Jede Hauseinheit der Gemeinschaft inklusive das Krankenhaus werden mit Sonnenkollektoren versehen und durch ein Microgrid (lokale Verknüpfung von Energieproduzenten und -verbrauchern) miteinander verbunden.
Unterstützende Worte erfährt Martínez unter anderem von Dr. Jemma Green, Co-Founder und Vorsitzende von PowerLedger, einer australischen Blockchain-basierten Peer-to-Peer Energie-Handelsplattform. „Stellen Sie sich vor, Sie wären die Regierung einer Hurrikan-Insel wie Puerto Rico. Sie müssen entweder ein Anleihenangebot für eine Milliarde Dollar machen und die gesamte Infrastruktur reparieren oder Sie verabschieden einfach ein Gesetz, in welchem Sie erlauben, dass jedermann Sonnenkollektoren für sein Haus kaufen und selbst Strom erzeugen und verkaufen darf. Wie schwer ist diese Entscheidung?“
Ein dezentrales Stromnetz mit Energieunternehmen sowie „Prosumern“(Menschen die Ökostrom verbrauchen aber auch selber produzieren) ist weniger anfällig als ein zentrales. Es wird im nächsten Hurrikan widerstandsfähiger sein. Aber das nicht allein. „Überschüs- siger Strom kann verkauft werden. Das würde eine zusätzliche Einnahmequelle schaffen“, erläutert Martínez. „Und die Umwelt profitiert doppelt. Zum einen hätten wir grüne Energie aus Sonne, Wind und Wasser. Davon hat Puerto Rico jede Menge. Und zum anderen hätten die Menschen einen Anreiz, sparsamer mit ihrem Strom umzugehen, um Überschusse zu speichern oder veräußern zu können.“Martínez’ Projekt wird von der zertifizierten Solarfirma New Energy Puerto Rico unterstützt, die Photovoltaik-Anlagen zusammen mit Teslas Powerwall-Stromspeichern anbietet.
Welche Rolle aber kommt der Blockchain dabei zu? Erst einmal muss man diese verstehen. Als Blockchain wird eine Art fortlaufende digitale und durch Kryptographie abgesicherte Datenbank bezeichnet. Transaktionen werden nicht über eine zentrale Stelle, sondern durch verschiedene Teilnehmer eines Netzwerks verifiziert und unveränderbar gespeichert. Diese werden zu Blöcken zusammengefasst, überprüft und mittels eines bestimmten Konsens-Verfahrens dem jeweiligen Vorgänger-Block zugefügt.
Eine Blockkette – auf Englisch Blockchain – entsteht. Die Rolle ist die der Tokenisierung. Jede Form von Wert, ob Eigentumsrecht, Stimmrecht, Geld oder in diesem Fall Energie, der auf einem Namen registriert ist, wird digitalisiert, dezentralisiert und „tokenisiert“, übertragbar und handelbar auf instantaner und kryptographisch gesicherter Peer-to-PeerBasis. Das sorgt für hohe Transpa- renz, Manipulationssicherheit, Beschleunigung und Kostenersparnis bei Transaktionen.
Neben der Bitcoin-Blockchain gibt es noch andere BlockchainVarianten. Eine der beliebtesten ist Ethereum, weil diese die Einbindung von Smart Contracts (intelligenten Verträge) ermöglicht. Wichtig zu verstehen ist, dass mit „Transaktion“nicht nur der Austausch von Finanzwerten gemeint ist, sondern auch der von Werten wie Urkunden, Krankenakten oder Verträgen zwischen Teilnehmern eines Netzwerkes.
Mit dem Aufkommen der Blockchain lohnt sich plötzlich ein Handel mit Kleinstmengen. Das kommt der Energiewende zugute: ein dezentraler und kleinteiliger Markt. Weg von großen zentralen Kraftwerken hin zu vielen kleinen Produzenten. Damit die Blockchain aber auf dem Energiemarkt ihr gesamtes Potenzial entfalten kann, bedarf es dem Einsatz von Smart Metern, intelligenten Stromzählern. Über das Internet direkt mit einer Blockchain verbunden, können sie Leistung und Verbrauch erfassen und die Datenbasis für automatisierte Transaktionen liefern. Bedingungen und der Ablauf solcher Transaktionen wären in einem Smart Contract festgehalten.
Desweiteren hätten Verbraucher die Möglichkeit auszusuchen, aus welchen Quellen sie ihre Energie beziehen möchten. Es wäre nachvollziehbar, wie der Strom im Haushalt genutzt wird und wo Einsparungen möglich sind. Ist der Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tag teuer, fährt die Klimaanlage herunter, um wieder hochzufahren, wenn der Höchststand vorbei ist. Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil von Smart Metern in Spanien 100 Prozent betragen.
Strom in Spanien
Letztes Jahr bestand der Strom in Spanien überwiegend aus Kernkraftenergie (22,6 Prozent), Windenergie (19,2 Prozent) und Kohle (17,4 Prozent). Strom aus erneuerbaren Energien sank auf 33,7 Prozent. Im Vorjahr betrug der Anteil noch 40,8 Prozent. „Schuld ist die Trockenheit. Die Stauseen liegen bei gerade einmal 38 Prozent ihrer Gesamtkapazitäten und Wind hatte wir ebenfalls kaum“, heißt es von offizieller Seite. Folglich musste wieder verstärkt auf Kohle und Gas zurückgegriffen werden.
Das wiederum soll den Strompreis in die Höhe getrieben haben. 2017 zahlte der Durchschnittsverbraucher 10,8 Prozent mehr für seine Stromrechnung als noch im Vorjahr. Laut der EU-Agentur für Statistik zählt der Strom in Spanien, nach Abzug von Steuern und Abgaben, zu den drei teuersten in Europa. 2018 sind die Aussichten nicht vielversprechender.
Die Verbraucherschutzorganisation Facua kritisiert die Passivität seitens der spanischen Regierung und deren skandalöse Komplizenschaft mit den Energiekonzernen Endesa, Iberdrola, Gas Natural Fenosa, EDP und Viesgo. Madrid würde den Konzernen zu Milliardengewinnen verhelfen – auf Kosten der Bürger. Ein Desas-
Mittlerweile ist jeder willkommen, der dabei hilft, die Stromversorgung wiederherzustellen