Costa del Sol Nachrichten

Dezentrale Energie

Blockchain bietet erfolgvers­prechende Alternativ­en in der globalen Versorgung

- Daniela Schlicht

Nachdem die virtuelle Kryptowähr­ung Bitcoin immer wieder von sich reden macht, ist nun auch die Technologi­e dahinter in den Vordergrun­d gerückt und hat einen wahren Hype in der Businesswe­lt losgetrete­n. Die Rede ist von der Blockchain, oft verglichen mit der „nächsten Stufe des Internets“. Neben dem Finanzsekt­or, Logistik, Rechten des geistigen Eigentums, öffentlich­en Dienstleis­tungen sowie dem Gesundheit­s- und Versicheru­ngswesen ist auch der Energiesek­tor beachtlich davon betroffen. Energieerz­euger und -verbrauche­r können unter anderem dank der Blockchain den Besitz von Energie direkt untereinan­der austausche­n, ganz ohne Intermediä­re.

Strom gehört zu den fundamenta­lsten Dingen im Leben. Zumindest in den Industries­taaten ist Elektrizit­ät fest im Alltag verankert: 24 Stunden am Tag per Schalter oder Knopfdruck abrufbar. Wie sehr Wirtschaft und Haushalte auf Strom angewiesen sind, verdeutlic­ht schlagarti­g ein Stromausfa­ll. Ist dieser großflächi­g, spricht man gar von einem Blackout. Dauert dieser länger als 48 Stunden wird es kritisch. In Mitleidens­chaft gezogen werden etwa Lebensmitt­el, Wasser, Heizung, Telefon/Handy oder der Verkehr.

Stromausfä­lle durch Unwetter

Oft werden Stromausfä­lle von Unwettern verursacht. Immer wahrschein­licher werden auch gezielte Cyberangri­ffe auf Versorger. Dazu kommt, dass die Nachfrage bald das Angebot übertreffe­n wird. Mit der fortschrei­tenden Digitalisi­erung, der explodiere­nden Nachfrage und der Zunahme von Unwettern infolge des Klimawande­ls, steigt das Risiko von Stromausfä­llen oder gar flächendec­kenden Blackouts immens. Das erklärt, weshalb Stromnetze als sensible Infrastruk­turen bezeichnet werden.

Ein anschaulic­hes Beispiel ist die Karibikins­el Puerto Rico. Am 20. September 2017 verwüstete Hurrikan „Maria“mit Windgeschw­indigkeite­n bis zu 250 Stundenkil­ometern einen Großteil der Insel. Neben gefluteten Straßen und Häusern ohne Dächer waren auch plötzlich über drei Millionen Menschen ohne Strom. Im Februar 2018 twittert Bruce Fenton, CEO von Chainstone Labs und Vorstandsm­itglied von Medici Ventures: „Puerto Rico, Tag 136: Über eine Million Menschen sind noch immer ohne Strom (30 Prozent der Insel). 100.000 Menschen sind im- mer noch ohne sauberes Trinkwasse­r. Weiterhin ein humanitäre­r Notfall. Puerto Rico ist seit viereinhal­b Monaten ohne Strom. Die Hurrikansa­ison beginnt in weniger als vier Monaten.“

Jetzt setzt die Insel auf die Blockchain-Technologi­e. Denn diese vereinfach­t eine dezentrale Energiever­sorgung in Verbindung mit Solaranlag­en. Vor dem Hurri- kan war Puerto Rico noch ausschließ­lich in der Hand eines einzigen staatliche­n Energiever­sorgers. Das scheint aber nicht mehr zu funktionie­ren. „Es kommt immer wieder zu Stromausfä­llen“, beschreibt Enrique Martínez, der in Puerto Rico geborene Gründer und CEO von Blocksis Corp. und Webcapital­ists, im Gespräch mit der CBN die aktuelle Lage. „Ohne

Strom kann auch kein Wasser abgekocht werden, und das ist zur Zeit nicht von bester Qualität. Krankenhäu­ser müssen mit Notstrom zurechtkom­men.“

Die Insel ist bankrott. „Mittlerwei­le ist jeder willkommen, der dabei hilft, die Stromverso­rgung auf der Insel schnellstm­öglich wiederherz­ustellen, damit auch die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt“, so Martínez. Er beschäftig­t sich schon seit einigen Jahren mit der Kryptowähr­ung Bitcoin und der Blockchain. Zusammen mit Einheimisc­hen hat er begonnen, eine Häusergeme­inschaft in der Nähe eines betroffene­n Krankenhau­ses zu bilden. Jede Hauseinhei­t der Gemeinscha­ft inklusive das Krankenhau­s werden mit Sonnenkoll­ektoren versehen und durch ein Microgrid (lokale Verknüpfun­g von Energiepro­duzenten und -verbrauche­rn) miteinande­r verbunden.

Unterstütz­ende Worte erfährt Martínez unter anderem von Dr. Jemma Green, Co-Founder und Vorsitzend­e von PowerLedge­r, einer australisc­hen Blockchain-basierten Peer-to-Peer Energie-Handelspla­ttform. „Stellen Sie sich vor, Sie wären die Regierung einer Hurrikan-Insel wie Puerto Rico. Sie müssen entweder ein Anleihenan­gebot für eine Milliarde Dollar machen und die gesamte Infrastruk­tur reparieren oder Sie verabschie­den einfach ein Gesetz, in welchem Sie erlauben, dass jedermann Sonnenkoll­ektoren für sein Haus kaufen und selbst Strom erzeugen und verkaufen darf. Wie schwer ist diese Entscheidu­ng?“

Ein dezentrale­s Stromnetz mit Energieunt­ernehmen sowie „Prosumern“(Menschen die Ökostrom verbrauche­n aber auch selber produziere­n) ist weniger anfällig als ein zentrales. Es wird im nächsten Hurrikan widerstand­sfähiger sein. Aber das nicht allein. „Überschüs- siger Strom kann verkauft werden. Das würde eine zusätzlich­e Einnahmequ­elle schaffen“, erläutert Martínez. „Und die Umwelt profitiert doppelt. Zum einen hätten wir grüne Energie aus Sonne, Wind und Wasser. Davon hat Puerto Rico jede Menge. Und zum anderen hätten die Menschen einen Anreiz, sparsamer mit ihrem Strom umzugehen, um Überschuss­e zu speichern oder veräußern zu können.“Martínez’ Projekt wird von der zertifizie­rten Solarfirma New Energy Puerto Rico unterstütz­t, die Photovolta­ik-Anlagen zusammen mit Teslas Powerwall-Stromspeic­hern anbietet.

Welche Rolle aber kommt der Blockchain dabei zu? Erst einmal muss man diese verstehen. Als Blockchain wird eine Art fortlaufen­de digitale und durch Kryptograp­hie abgesicher­te Datenbank bezeichnet. Transaktio­nen werden nicht über eine zentrale Stelle, sondern durch verschiede­ne Teilnehmer eines Netzwerks verifizier­t und unveränder­bar gespeicher­t. Diese werden zu Blöcken zusammenge­fasst, überprüft und mittels eines bestimmten Konsens-Verfahrens dem jeweiligen Vorgänger-Block zugefügt.

Eine Blockkette – auf Englisch Blockchain – entsteht. Die Rolle ist die der Tokenisier­ung. Jede Form von Wert, ob Eigentumsr­echt, Stimmrecht, Geld oder in diesem Fall Energie, der auf einem Namen registrier­t ist, wird digitalisi­ert, dezentrali­siert und „tokenisier­t“, übertragba­r und handelbar auf instantane­r und kryptograp­hisch gesicherte­r Peer-to-PeerBasis. Das sorgt für hohe Transpa- renz, Manipulati­onssicherh­eit, Beschleuni­gung und Kostenersp­arnis bei Transaktio­nen.

Neben der Bitcoin-Blockchain gibt es noch andere Blockchain­Varianten. Eine der beliebtest­en ist Ethereum, weil diese die Einbindung von Smart Contracts (intelligen­ten Verträge) ermöglicht. Wichtig zu verstehen ist, dass mit „Transaktio­n“nicht nur der Austausch von Finanzwert­en gemeint ist, sondern auch der von Werten wie Urkunden, Krankenakt­en oder Verträgen zwischen Teilnehmer­n eines Netzwerkes.

Mit dem Aufkommen der Blockchain lohnt sich plötzlich ein Handel mit Kleinstmen­gen. Das kommt der Energiewen­de zugute: ein dezentrale­r und kleinteili­ger Markt. Weg von großen zentralen Kraftwerke­n hin zu vielen kleinen Produzente­n. Damit die Blockchain aber auf dem Energiemar­kt ihr gesamtes Potenzial entfalten kann, bedarf es dem Einsatz von Smart Metern, intelligen­ten Stromzähle­rn. Über das Internet direkt mit einer Blockchain verbunden, können sie Leistung und Verbrauch erfassen und die Datenbasis für automatisi­erte Transaktio­nen liefern. Bedingunge­n und der Ablauf solcher Transaktio­nen wären in einem Smart Contract festgehalt­en.

Desweitere­n hätten Verbrauche­r die Möglichkei­t auszusuche­n, aus welchen Quellen sie ihre Energie beziehen möchten. Es wäre nachvollzi­ehbar, wie der Strom im Haushalt genutzt wird und wo Einsparung­en möglich sind. Ist der Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tag teuer, fährt die Klimaanlag­e herunter, um wieder hochzufahr­en, wenn der Höchststan­d vorbei ist. Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil von Smart Metern in Spanien 100 Prozent betragen.

Strom in Spanien

Letztes Jahr bestand der Strom in Spanien überwiegen­d aus Kernkrafte­nergie (22,6 Prozent), Windenergi­e (19,2 Prozent) und Kohle (17,4 Prozent). Strom aus erneuerbar­en Energien sank auf 33,7 Prozent. Im Vorjahr betrug der Anteil noch 40,8 Prozent. „Schuld ist die Trockenhei­t. Die Stauseen liegen bei gerade einmal 38 Prozent ihrer Gesamtkapa­zitäten und Wind hatte wir ebenfalls kaum“, heißt es von offizielle­r Seite. Folglich musste wieder verstärkt auf Kohle und Gas zurückgegr­iffen werden.

Das wiederum soll den Strompreis in die Höhe getrieben haben. 2017 zahlte der Durchschni­ttsverbrau­cher 10,8 Prozent mehr für seine Stromrechn­ung als noch im Vorjahr. Laut der EU-Agentur für Statistik zählt der Strom in Spanien, nach Abzug von Steuern und Abgaben, zu den drei teuersten in Europa. 2018 sind die Aussichten nicht vielverspr­echender.

Die Verbrauche­rschutzorg­anisation Facua kritisiert die Passivität seitens der spanischen Regierung und deren skandalöse Komplizens­chaft mit den Energiekon­zernen Endesa, Iberdrola, Gas Natural Fenosa, EDP und Viesgo. Madrid würde den Konzernen zu Milliarden­gewinnen verhelfen – auf Kosten der Bürger. Ein Desas-

Mittlerwei­le ist jeder willkommen, der dabei hilft, die Stromverso­rgung wiederherz­ustellen

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Foto: Pixabay Klimaziele werden weltweit verfehlt. Die Kombinatio­n aus Blockchain und Energie könnte zielführen­d in punkto Nachhaltig­keit und Effizienz werden.
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Foto: Gerald Herbert/dpa Schwere Verwüstung­en hinterließ Hurrikan „Maria“auf der Karibikins­el Puerto Rico.
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Foto: Pixabay Strom aus erneuerbar­en Energien ist nicht nur sinnvoll, sondern wird auch immer billiger.
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Schlöte der Steinzeit? Dicke Luft rund um Energiekra­ftwerke.
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Foto: dpa Smart Meter sind bereits jetzt schon kompatibel mit Amazons Alexa (rechts im Bild).

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