Junge Forscherin
Schülerin der Deutschen Schule Málaga schafft es in den „Jugend forscht“-Landesentscheid
Eigentlich heißt sie Gloria. Elena ist ihr zweiter Vorname. Aber seit sie denken kann, wollte sie keine Gloria sein, die Ruhmreiche. Noch heute kann sie es nicht leiden, wenn sie geehrt wird für etwas. Eine gute Arbeit abliefern, erfolgreich sein, das mag sie. Aber sie genießt lieber im Stillen.
Sie ist 18 Jahre alt und hat spanischen Eltern. Trotzdem spricht sie fast akzentfrei Deutsch. Manchmal benutzt sie ein Wort, das nicht so ganz passt. Und man wird hellhörig, wenn sie beim Präsentieren ihrer Arbeit von „die Strand“spricht. Dann fällt auf: ihre Muttersprache ist eigentlich eine andere. „Ja, die Artikel. Die verwechsle ich manchmal. Drei Artikel sind aber auch so unlogisch.“Bei Elena muss alles einer Logik folgen, nachvollziehbar sein. So wie die Wissenschaft.
In der Deutschen Schule Málaga ist sie seit dem Kindergarten. Ihre Mutter hatte Germanistik studiert und sich schon immer mehr für die deutsche Kultur begeistert als für die spanische. Lieber Beethoven als Flamenco. Deshalb wollte sie auch, dass Elena die Deutsche Schule besucht. „Am Anfang war es sehr komisch. In der Musikschule war ich die einzige, die nicht auf eine spanische Schule ging. Den anderen kam das seltsam vor. Und ich wollte eigentlich immer weg, auf eine spanische Schule. Auf eine Schule mit Schwerpunkt Naturwissenschaften“, erinnert sie sich. Jetzt steht sie kurz vor dem Abitur und ist froh über die Entscheidung ihrer Mutter. Sie kann nach der Schule ohne Probleme in Spanien oder Deutschland studieren.
Wie sauber sind die Strände
Elenas Weg führte im November 2017 zunächst in die spanische Hauptstadt, wo an der Deutschen Schule Madrid der „Jugend forscht “Regionalwettbewerb der Iberischen Halbinsel stattfand. Dort traten 61 Schüler mit 27 Projekten gegeneinander an. Eine Fachjury bewertete die Arbeiten und leitete die besten zum Landeswettbewerb nach Nordrhein-Westfalen weiter. Nur wenige Projekte wurden hierfür ausgewählt – darunter Elenas Arbeit im Fachgebiet Biologie: „Die Variation der Phytoplankton-Population unserer Badestrände in Abhängigkeit von anthropogenen Einflüssen“– oder vereinfacht ausgedrückt: Wie sauber sind die Badestrände an der Costa del Sol? Die Weiterleitung an sich sei schon eine große Ehre, sagt Elena. Auch für die Deutsche Schule Málaga ist es ein toller Erfolg, waren die Teilnehmer der letzten Jahre doch meist nicht über den Regionalwettbewerb hinausgekommen.
Faible für Naturwissenschaften
Wettbewerbserfahrung hat Elena schon früher gesammelt. Für den Triathlon hat sie trainiert, am Klavier bei „Jugend musiziert“mitgemacht. Neben Sport und Musik begeistert sie sich für Philosophie – die Frage nach dem Zustandekommen von Erkenntnis und Wissen. Deshalb auch das Interesse an Naturwissenschaften. Das helfe beim Ordnen der eigenen Gedanken, meint Elena.
In ihrem Zimmer stehen Bücher über Astronomie mit Titeln wie „Las Matemáticas del Cosmos“oder „Das elegante Universum“. In Granada hat sie bereits ein Praktikum beim Astrophysikalischen Institut Andalusien absolviert. Im Praktikum, das alle Elftklässler der Deutschen Schule in Berlin machen, war sie an der Technischen Universität im Fach Astrobiologie unterwegs. Für ihre Zukunft hat sie klare Vorstellungen: Astronomin möchte sie werden, ab kommendem Wintersemester in Heidelberg Physik studieren. „Ich werde nach dem Grundstudium wohl den Schwerpunkt in Kosmologie setzen. Nach dem Abschluss möchte ich an einer Uni lehren und weiter forschen, eventuell promovieren.“Astronomie wäre auch ihre erste Wahl für ein Projekt bei „Jugend forscht“gewesen. Allerdings seien hier erfahrungsgemäß die Erfolgsaussichten nicht so groß, habe man ihr gesagt. In diesem Bereich fehle oft der Praxisbezug, der Nutzen für den Alltag. Bei der Bewertung der Projekte spiele das auch eine wichtige Rolle.
Die Idee zu ihrem Projekt, die Sauberkeit der Strände ihrer Heimat zu untersuchen, kam ihr ohne besonderen Anlass. „Makroalgen kann je- der sehen. Auch die oberflächliche Verschmutzung des Meeres – die sogenannte ‚braune Sahne‘ – die kennt man. Ich habe mir einfach die Frage gestellt, was man eigentlich nicht sieht“, erklärt die 18-Jährige. Biologisch und chemisch hat sie mehrere ausgewählte Stationen von Tarifa bis Benalmádena unter ihrem Mikroskop analysiert. Das Vorkommen von Phytoplankton-Arten (Mikroalgen) als Hinweis auf den Grad der Verschmutzung hat sie dabei besonders interessiert. Seit Mai 2017 hat sie Proben genommen, zentrifugiert, untersucht, mit Ergebnissen aus anderen Studien verglichen und Rückschlüsse auf die Verschmutzung und ihre Ursachen gezogen. Für den Landeswettbewerb in Leverkusen, der vom 19. bis 21. März von der Firma Bayer ausgerichtet wurde, hat sie ihre Fragestellung noch erweitert und neue Vergleichsstrände einbezogen. 56 Seiten umfasste ihre schriftliche Ausarbeitung, die im Vorfeld des Wettbewerbs abzugeben war. Vom Umfang her könnte es eine DiplomArbeit sein. Sie beschreibt anthropogene Einflüsse und toxische Spezies, spricht von Tensiden und philamentösen Algen. Die Arbeit ist voll von Fachbegriffen und logischen Schlussfolgerungen. Alles ist gekonnt in wissenschaftlichem Stil dokumentiert – und in sehr gutem Deutsch. Aber all dies falle ihr leicht, sagt die Schülerin. In naturwissenschaftliche Themen könne sie sich sehr gut hineindenken.
Der Lohn für die Mühe
Während der Vorbereitung auf den Landesentscheid hat sie die schriftlichen Abiturprüfungen abgelegt. Trotzdem war sie gut vorbereitet auf Leverkusen. Sie wolle schließlich nichts schleifen lassen, wolle in der Schule und beim Wettbewerb eine gute Arbeit abliefern. Denn so etwas wie „Jugend forscht“birgt Chancen, wenn man sich und seine Arbeit gut zu präsentieren weiß. Das zeigt das Beispiel von Lukas Lao Beyer. Der Schüler der Deutschen Schule Barcelona entwickelte 2015 ein kostengünstiges Software Defined Radio (SDR) und sicherte sich damit im Jahr 2016 den Bundessieg im Bereich Technik. Im Anschluss erhielt er ein Stipendium für ein Studium am MIT (Massachusetts Institute of Technology) in den USA.
Der Wettbewerb bei Bayer war für Elena eine schöne Erfahrung. Viele Projekte hat sie sich angeschaut, mit anderen Teilnehmern gesprochen und Kontakte geknüpft. Zur Teilnahme am Bundesentscheid hat es am Ende leider nicht gereicht. Zu groß und zu gut war die Konkurrenz. Fehler bei der Präsentation habe sie gemacht, sagt sie, die Jury nicht genügend überzeugen können. „Aber das ist schon in Ordnung, ich bin nicht traurig. Jetzt kann ich mich wieder mehr mit Astronomie beschäftigen.“Immerhin kommt sie mit einer Auszeichnung zurück nach Spanien. Für ihr Projekt erhielt sie den mit 200 Euro dotierten „Sonderpreis für Biodiversität und Umweltschutz“. Das macht sich gut im Lebenslauf einer Abiturientin. Und ist ein kleiner Lohn für die fast einjährige Forschungsarbeit.
Im Mai muss sie noch die mündliche Prüfung im Fach Spanisch ablegen. „Das musste sein, weil ich als schriftliches Fach schon eine Naturwissenschaft gewählt habe. Sonst hätte ich wohl Physik genommen“, sagt sie. Danach kann es losgehen mit dem Physik-Studium in Heidelberg auf dem Weg zu ihrem Traumberuf. An der Sprache sollte Elena nicht scheitern. Deutsch spricht sie nahezu perfekt.