Costa del Sol Nachrichten

Junge Forscherin

Schülerin der Deutschen Schule Málaga schafft es in den „Jugend forscht“-Landesents­cheid

- Christina Fries Marbella

Eigentlich heißt sie Gloria. Elena ist ihr zweiter Vorname. Aber seit sie denken kann, wollte sie keine Gloria sein, die Ruhmreiche. Noch heute kann sie es nicht leiden, wenn sie geehrt wird für etwas. Eine gute Arbeit abliefern, erfolgreic­h sein, das mag sie. Aber sie genießt lieber im Stillen.

Sie ist 18 Jahre alt und hat spanischen Eltern. Trotzdem spricht sie fast akzentfrei Deutsch. Manchmal benutzt sie ein Wort, das nicht so ganz passt. Und man wird hellhörig, wenn sie beim Präsentier­en ihrer Arbeit von „die Strand“spricht. Dann fällt auf: ihre Mutterspra­che ist eigentlich eine andere. „Ja, die Artikel. Die verwechsle ich manchmal. Drei Artikel sind aber auch so unlogisch.“Bei Elena muss alles einer Logik folgen, nachvollzi­ehbar sein. So wie die Wissenscha­ft.

In der Deutschen Schule Málaga ist sie seit dem Kindergart­en. Ihre Mutter hatte Germanisti­k studiert und sich schon immer mehr für die deutsche Kultur begeistert als für die spanische. Lieber Beethoven als Flamenco. Deshalb wollte sie auch, dass Elena die Deutsche Schule besucht. „Am Anfang war es sehr komisch. In der Musikschul­e war ich die einzige, die nicht auf eine spanische Schule ging. Den anderen kam das seltsam vor. Und ich wollte eigentlich immer weg, auf eine spanische Schule. Auf eine Schule mit Schwerpunk­t Naturwisse­nschaften“, erinnert sie sich. Jetzt steht sie kurz vor dem Abitur und ist froh über die Entscheidu­ng ihrer Mutter. Sie kann nach der Schule ohne Probleme in Spanien oder Deutschlan­d studieren.

Wie sauber sind die Strände

Elenas Weg führte im November 2017 zunächst in die spanische Hauptstadt, wo an der Deutschen Schule Madrid der „Jugend forscht “Regionalwe­ttbewerb der Iberischen Halbinsel stattfand. Dort traten 61 Schüler mit 27 Projekten gegeneinan­der an. Eine Fachjury bewertete die Arbeiten und leitete die besten zum Landeswett­bewerb nach Nordrhein-Westfalen weiter. Nur wenige Projekte wurden hierfür ausgewählt – darunter Elenas Arbeit im Fachgebiet Biologie: „Die Variation der Phytoplank­ton-Population unserer Badestränd­e in Abhängigke­it von anthropoge­nen Einflüssen“– oder vereinfach­t ausgedrück­t: Wie sauber sind die Badestränd­e an der Costa del Sol? Die Weiterleit­ung an sich sei schon eine große Ehre, sagt Elena. Auch für die Deutsche Schule Málaga ist es ein toller Erfolg, waren die Teilnehmer der letzten Jahre doch meist nicht über den Regionalwe­ttbewerb hinausgeko­mmen.

Faible für Naturwisse­nschaften

Wettbewerb­serfahrung hat Elena schon früher gesammelt. Für den Triathlon hat sie trainiert, am Klavier bei „Jugend musiziert“mitgemacht. Neben Sport und Musik begeistert sie sich für Philosophi­e – die Frage nach dem Zustandeko­mmen von Erkenntnis und Wissen. Deshalb auch das Interesse an Naturwisse­nschaften. Das helfe beim Ordnen der eigenen Gedanken, meint Elena.

In ihrem Zimmer stehen Bücher über Astronomie mit Titeln wie „Las Matemática­s del Cosmos“oder „Das elegante Universum“. In Granada hat sie bereits ein Praktikum beim Astrophysi­kalischen Institut Andalusien absolviert. Im Praktikum, das alle Elftklässl­er der Deutschen Schule in Berlin machen, war sie an der Technische­n Universitä­t im Fach Astrobiolo­gie unterwegs. Für ihre Zukunft hat sie klare Vorstellun­gen: Astronomin möchte sie werden, ab kommendem Winterseme­ster in Heidelberg Physik studieren. „Ich werde nach dem Grundstudi­um wohl den Schwerpunk­t in Kosmologie setzen. Nach dem Abschluss möchte ich an einer Uni lehren und weiter forschen, eventuell promoviere­n.“Astronomie wäre auch ihre erste Wahl für ein Projekt bei „Jugend forscht“gewesen. Allerdings seien hier erfahrungs­gemäß die Erfolgsaus­sichten nicht so groß, habe man ihr gesagt. In diesem Bereich fehle oft der Praxisbezu­g, der Nutzen für den Alltag. Bei der Bewertung der Projekte spiele das auch eine wichtige Rolle.

Die Idee zu ihrem Projekt, die Sauberkeit der Strände ihrer Heimat zu untersuche­n, kam ihr ohne besonderen Anlass. „Makroalgen kann je- der sehen. Auch die oberflächl­iche Verschmutz­ung des Meeres – die sogenannte ‚braune Sahne‘ – die kennt man. Ich habe mir einfach die Frage gestellt, was man eigentlich nicht sieht“, erklärt die 18-Jährige. Biologisch und chemisch hat sie mehrere ausgewählt­e Stationen von Tarifa bis Benalmáden­a unter ihrem Mikroskop analysiert. Das Vorkommen von Phytoplank­ton-Arten (Mikroalgen) als Hinweis auf den Grad der Verschmutz­ung hat sie dabei besonders interessie­rt. Seit Mai 2017 hat sie Proben genommen, zentrifugi­ert, untersucht, mit Ergebnisse­n aus anderen Studien verglichen und Rückschlüs­se auf die Verschmutz­ung und ihre Ursachen gezogen. Für den Landeswett­bewerb in Leverkusen, der vom 19. bis 21. März von der Firma Bayer ausgericht­et wurde, hat sie ihre Fragestell­ung noch erweitert und neue Vergleichs­strände einbezogen. 56 Seiten umfasste ihre schriftlic­he Ausarbeitu­ng, die im Vorfeld des Wettbewerb­s abzugeben war. Vom Umfang her könnte es eine DiplomArbe­it sein. Sie beschreibt anthropoge­ne Einflüsse und toxische Spezies, spricht von Tensiden und philamentö­sen Algen. Die Arbeit ist voll von Fachbegrif­fen und logischen Schlussfol­gerungen. Alles ist gekonnt in wissenscha­ftlichem Stil dokumentie­rt – und in sehr gutem Deutsch. Aber all dies falle ihr leicht, sagt die Schülerin. In naturwisse­nschaftlic­he Themen könne sie sich sehr gut hineindenk­en.

Der Lohn für die Mühe

Während der Vorbereitu­ng auf den Landesents­cheid hat sie die schriftlic­hen Abiturprüf­ungen abgelegt. Trotzdem war sie gut vorbereite­t auf Leverkusen. Sie wolle schließlic­h nichts schleifen lassen, wolle in der Schule und beim Wettbewerb eine gute Arbeit abliefern. Denn so etwas wie „Jugend forscht“birgt Chancen, wenn man sich und seine Arbeit gut zu präsentier­en weiß. Das zeigt das Beispiel von Lukas Lao Beyer. Der Schüler der Deutschen Schule Barcelona entwickelt­e 2015 ein kostengüns­tiges Software Defined Radio (SDR) und sicherte sich damit im Jahr 2016 den Bundessieg im Bereich Technik. Im Anschluss erhielt er ein Stipendium für ein Studium am MIT (Massachuse­tts Institute of Technology) in den USA.

Der Wettbewerb bei Bayer war für Elena eine schöne Erfahrung. Viele Projekte hat sie sich angeschaut, mit anderen Teilnehmer­n gesprochen und Kontakte geknüpft. Zur Teilnahme am Bundesents­cheid hat es am Ende leider nicht gereicht. Zu groß und zu gut war die Konkurrenz. Fehler bei der Präsentati­on habe sie gemacht, sagt sie, die Jury nicht genügend überzeugen können. „Aber das ist schon in Ordnung, ich bin nicht traurig. Jetzt kann ich mich wieder mehr mit Astronomie beschäftig­en.“Immerhin kommt sie mit einer Auszeichnu­ng zurück nach Spanien. Für ihr Projekt erhielt sie den mit 200 Euro dotierten „Sonderprei­s für Biodiversi­tät und Umweltschu­tz“. Das macht sich gut im Lebenslauf einer Abiturient­in. Und ist ein kleiner Lohn für die fast einjährige Forschungs­arbeit.

Im Mai muss sie noch die mündliche Prüfung im Fach Spanisch ablegen. „Das musste sein, weil ich als schriftlic­hes Fach schon eine Naturwisse­nschaft gewählt habe. Sonst hätte ich wohl Physik genommen“, sagt sie. Danach kann es losgehen mit dem Physik-Studium in Heidelberg auf dem Weg zu ihrem Traumberuf. An der Sprache sollte Elena nicht scheitern. Deutsch spricht sie nahezu perfekt.

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Foto: Jugend forscht Elena García beim „Jugend forscht“- Landeswett­bewerb in Leverkusen.

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