Costa del Sol Nachrichten

Montserrat Caballé wird 85

Die als „Jahrhunder­tsängerin“bejubelte Sopranisti­n feiert ihren Geburtstag auf Dienstreis­e

- Emilio Rappold, dpa Barcelona

Sie gilt als die letzte große Diva der Opernwelt: Montserrat Caballé. Die Sopranisti­n ist eine imposante Erscheinun­g und hat viel Charisma – am 12. April wurde sie 85 Jahre alt. Von Gesundheit­s- und anderen Problemen genährte Gerüchte, sie werde ihre Karriere endgültig beenden, dementiert die Spanierin aus Katalonien immer wieder. „Ich habe vor, auf der Bühne zu sterben“, sagte sie vor wenigen Jahren in einem ihrer seltenen Interviews der Zeitung „El País“.

Nach einem Sturz vor einigen Jahren kann die zweifache Mutter und Großmutter kaum noch gehen und ist meistens auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie tritt nur noch sitzend auf. Ihre Stimme ist auch nicht mehr die alte. Ihre Geburtstag­skerzen wird Caballé nächste Woche dennoch auf einer Dienstreis­e auspusten: An ihrem Ehrentag wurde sie zunächst mit einem Galadinner in Kiew geehrt, zwei Tage später, am nächsten Samstag, wird sie zusammen mit Tochter Montserrat Martí in der ukrainisch­en Hauptstadt auftreten.

Caballé wird internatio­nal bewundert für ihre Vokaltechn­ik und ihre Interpreta­tionen des BelcantoRe­pertoires (Opern von Bellini, Donizetti und Rossini), auf das sie sich schon Anfang der 1960er Jahre spezialisi­erte.

Humor und Leibesfüll­e

Zur Kritik, in der Oper herrsche immer mehr ein Schlankhei­tswahn, und dem Aussehen der Darsteller werde viel mehr Bedeutung beigemesse­n als der Stimme, sagte Caballé jüngst: „Ich hatte das Glück, in einer Zeit zu singen, als man nicht zur Oper ging, um sich deine Figur anzuschaue­n.“Caballé bekennt sich in ihrer humorvolle­n Art stets stolz zu ihrer Leibesfüll­e.

Mit gesundheit­lichen Problemen kämpft „La Montse“, wie sie von Fans und Medien genannt wird, vor allem seit Oktober 2012, als sie während einer Konzertrei­se in Russland einen Schlaganfa­ll erlitt, ohnmächtig wurde und sich einen Oberarmkno­chen brach. Schon davor hatte sie große Opernauftr­itte weitgehend einge- schränkt und sich auf Konzertabe­nde konzentrie­rt.

Im Laufe ihrer jahrzehnte­langen Karriere kommt sie auf Tausende Auftritte und etwa 90 verschiede­ne Rollen – sie dürfte damit eine der aktivsten Sängerinne­n der Operngesch­ichte sein. Wenn sie zurückblic­kt, wird die für ihr lautes Lachen bekannte Künstlerin auch ein bisschen wehmütig. Im vorigen Jahr klagte sie: „Die Magie der Oper geht immer mehr verloren.“Inzwischen werde fast alles „dem schnellen Erfolg und dem Applaus“geopfert.

Dass „La Caballé“auch mal nostalgisc­h wird, ist verständli­ch. Ihr Leben gleicht fast einem Märchen: Die Eltern des 1933 in Barcelona geborenen Mädchens verloren im Spanischen Bürgerkrie­g ihr Hab und Gut. „Wir haben Hunger gelitten“, erzählte Caballé. Irgendwann musste sie die Schule verlassen, um als Näherin zum Familienun­terhalt beizutrage­n. Da ihr Talent schon damals zu erkennen war, fand sie Zeit, mit Hilfe von Mäzenen das Konservato­rium zu besuchen und erste Auftritte zu absolviere­n.

Mitte der 1950er Jahre zog die Familie wegen der Geldproble­me als Gastarbeit­er in die Schweiz. In Basel feierte die Sängerin 1956 ihr offizielle­s Debüt. Von 1959 bis 1962 war sie in Bremen engagiert. Nach Aufnahme mehrerer Platten wuchs ihre Fangemeind­e rapide. Den internatio­nalen Durchbruch schaffte Caballé 1965 in der Titelrolle von Donizettis „Lucrezia Borgia“in der Carnegie Hall in New York – als Ersatzbese­tzung. Sie wurde so begeistert gefeiert, dass die Metropolit­an Opera sie verpflicht­ete.

Einen weiteren Meilenstei­n setzte sie 1992: Mit dem für die Olympische­n Spiele geschriebe­nen Song „Barcelona“wurde sie einem breiten Publikum bekannt. Sie hatte das Stück mit Rockstar Freddie Mercury aufgenomme­n. Caballé erinnert sich: „Da standen an der Wiener Staatsoper ganz junge Menschen am Bühneneing­ang. Die wollten ein Autogramm. Sie haben nur gesagt: Sie sind doch die Frau, die mit Freddie Mercury aufgetrete­n ist.“

Nachwuchs gefördert

Caballé scheute nie den Kontakt zu anderen Genres der Musik und des Entertainm­ents, sie trat schon als junge Frau an der Seite von Frank Sinatra auf. Sie saß auch bei „Wetten, dass?“auf dem Sofa. Neben der Karriere unterstütz­te sie soziale Vorhaben, förderte den Nachwuchs – sie gilt als Entdeckeri­n ihres katalanisc­hen Landsmanne­s José Carreras.

Im Leben der Caballé gab es aber auch negative Schlagzeil­en: Im Dezember 2015 wurde sie wegen Steuerhint­erziehung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von gut 250.000 Euro verurteilt.

Bei allen Triumphen und Schwierigk­eiten ist die Frau, die seit mehr als 50 Jahren mit dem Tenor im Ruhestand Bernabé Martí verheirate­t ist, stets bodenständ­ig, herzlich und bescheiden geblieben. Nach dem Tod ihrer engen Freundin María Callas im Jahr 1977 hatten viele in ihr die Nachfolger­in von „La Divina“gesehen. Erst vor wenigen Jahren widersprac­h sie erneut trotzig: „Ich bin keine Diva. Mich als eine Diva zu betrachten, ist absurd!“

 ?? Foto: Andreas Gebert, dpa ?? Tochter Montserrat Martí und Mutter Caballé singen gemeinsam 2006 bei der ZDF-Spendengal­a.
Foto: Andreas Gebert, dpa Tochter Montserrat Martí und Mutter Caballé singen gemeinsam 2006 bei der ZDF-Spendengal­a.

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