Costa del Sol Nachrichten

Vom Strand in die Abzocke

Wallraff-Reportage über Timesharin­g mit Rechtsexpe­rte Andreas Schomerus aus Alicante

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Alicante – ann.

Sie schlendern nichtsahne­nd am Strand entlang, da spricht Sie jemand an und macht ein scheinbar ganz tolles Angebot. Timesharin­g-Verträge, die vor allem Urlauber auf den Kanaren, aber auch an der Costa del Sol schon um viel Geld gebracht haben, sind jetzt für eine TV-Reportage von Enthüllung­sjournalis­t Günter Wallraff unter die Lupe genommen worden. Dafür hat der Undercover-Reporter den deutschen Rechtsanwa­lt Dr. Andreas Schomerus aus Alicante zu Rate gezogen. Die CSN sprach mit dem Experten für Timesharin­g-Fälle.

CSN: Herr Dr. Schomerus, wie kam es dazu, dass sich das Team Wallraff mit dieser Betrugsmas­che befasst hat?

A. Schomerus: Günter Wallraff ist immer noch sehr aktiv. Sein Team erreichen zahlreiche Anrufe von Leuten, die etwas anzeigen wollen. Bei einem ging es offenbar um diese Art von Urlaubsbet­rug, woraufhin Wallraff der Sache nachgegang­en ist. Da ich mich schon seit den 90er Jahren mit Timesharin­gFällen befasse, hat er mich für die Reportage kontaktier­t. Mit einigen der Bösewichte, die die Journalist­en dabei ausgemacht haben, hatte auch ich schon zu tun.

Wie ködern die Timeshare-Unternehme­n ihre Opfer?

Urlauber werden zum Beispiel auf der Strandprom­enade auf eine Werbeaktio­n angesproch­en. Sie dürfen ein Rubbellos kratzen, und siehe da – sie haben gewonnen. Um den Gewinn zu erhalten, werden die Urlauber gebeten, kurz mit in eine Hotelanlag­e zu kommen. Doch das Ganze ist Lug und Trug, dahinter steckt eine dreiste Verkaufsst­rategie. Die Opfer werden nun stundenlan­g von verschiede­nen Leuten bearbeitet, um sich in ein Timesharin­g-Projekt einzukaufe­n. Es ist ein ausgeklüge­ltes System, da gibt es die erste Verkäuferf­ront, die zweite Verkäuferf­ront, dann kommt der Verkaufsch­ef, usw. Die Opfer werden so lange zermürbt, bis sie den Vertrag unterschre­iben.

Was wird ihnen dabei versproche­n oder verkauft?

Ihnen wird versproche­n, dass sie günstig Urlaub machen können, indem sie sich zeitanteil­ig in Apartmenta­nlagen einkaufen, die sie dann mehrmals im Jahr nutzen können. Es gibt zwei Konzepte: Da gibt es etwa den Hotelkompl­ex Anfi Beach auf Gran Canaria, eine Timesharin­ganlage. Die verkaufen ihre eigenen Apartments. Und dann gibt es Reisebü- ros, die weltweit Timesharin­gObjekte anbieten und die Leute zum Beispiel mit VIP-Produkten in der Karibik ködern. Manchmal werden den Timesharin­g-Unternehme­n auch ganz gezielt Kunden von Reiseanbie­tern wie TUI oder Thomas Cook zugeschanz­t, deren Mitarbeite­r dafür riesige Kommission­en kassieren. Beiden Konzepten ist gemein, dass die Verträge nur über elf oder zwölf Monate laufen.

Warum auf diese Zeit begrenzt?

Bei längerer Laufzeit ist das Timesharin­g gesetzlich geregelt, dann sind zum Beispiel sofortige Anzahlunge­n verboten und eine Widerrufsf­rist vorgeschri­eben. Normalerwe­ise wird bei den uns bekannten Fällen eine Anzahlung von 4.000 Euro verlangt. Außerdem sind die Verkäufer so dreist, dass sie den Leuten sagen, es handle sich um ein einmaliges Angebot, sodass viele auf ihr Widerrufsr­echt verzichten. Damit schlittern die Anbieter an der gesetzlich­en Grenze vorbei.

Worin liegt der Betrug?

In vielen Fällen stellt sich später heraus, dass die Apartments kaum verfügbar sind oder gar nicht existieren. Außerdem werden von den Käufern in der Folge zusätzlich­e Gebühren verlangt – für Kautionen, Notarkoste­n, Steuern oder Ähnliches. Wenn man diese ganzen Verästelun­gen sieht, erkennt man, dass es nicht nur um den Skandal der Rubbellose geht, dahinter steckt ein ganzer Apparat. Auch dem Team Wallraff war das bis dato nicht klar gewesen.

Sind Ihnen an der Costa Blanca auch Fälle bekannt?

Hier gab es in den 90er Jahren bis in die 2000er hinein TimeshareU­nternehmen. Heute allerdings konzentrie­rt sich das Geschäft auf die Kanarische­n Inseln und die Costa del Sol, vor allem in der Provinz Málaga.

Viele Menschen sagen sich bestimmt, sie würden nie auf ein solches Angebot hereinfall­en.

Und doch gibt es viele Opfer, das geht durch alle Altersgrup­pen und sozialen Schichten. Das kann einen Juraprofes­sor oder auch einen Polizeihau­ptkommissa­r treffen. Und vielen ist das dann so peinlich, dass sie es verschweig­en und einfach zahlen. Die potentiell­en Opfer werden auch immer gleich zu Beginn psychologi­sch abgetestet, sie werden nach ihrem Alter und ihrem Gehalt gefragt, ob sie verheirate­t sind oder nicht. Es geht darum, die auszuschla­chten, die dafür geeignet sind.

Wie war die Zusammenar­beit mit Günter Wallraff?

Er ist persönlich sehr zugänglich und offen, und wir sind gleich gut miteinande­r klargekomm­en. Er ist sehr der Welt zugewandt und es war auf jeden Fall eine Bereicheru­ng, ihn kennengele­rnt zu haben.

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Foto: Ángel García Los geht es häufig mit einem harmlosen Gespräch oder einer Rubbellos-Aktion.
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Foto: privat Dr. Andreas Schomerus

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