Costa del Sol Nachrichten

Stadt für Touristen

Alfonso Miranda, der Vorsitzend­e der größten Nachbarsch­aftsverein­igung des Stadtzentr­ums von Málaga, im CSN-Interview

- Nicolas Hock Málaga

Die Stadt Málaga erlebt erst seit zwei bis drei Jahren ihren ersten richtigen Touristenb­oom. Die Anwohner der Altstadt sehen diese Entwicklun­g jedoch kritisch: Sie beschweren sich über gestiegene Mieten, Lärm und fehlende Dienstleis­tungen.

Alfonso Miranda ist der Vorsitzend­e der Asociación de Vecinos Cen

tro Antiguo de Málaga, der größten Nachbarsch­aftsverein­igung des Stadtzentr­ums von Málaga, die sich seit 25 Jahren für die Interessen der Anwohner einsetzt. Im Gespräch mit der CSN sprach er über die Veränderun­gen, die das Stadtzentr­um von Málaga in den vergangene­n Jahren durchlebt hat.

CSN: Wenn man die Demonstrat­ion am 12. Mai der neuen Initiative „Málaga no se Vende“(dt.: Gegen den Ausverkauf von Málaga, siehe CSN 1128 – Red.) miterlebt hat, an der Ihre Vereinigun­g übrigens auch teilgenomm­en hat, gewinnt man den Eindruck, dass viele Bürger die Nase voll haben mit der Entwicklun­g, die die Stadt Málaga in den vergangene­n Jahren vollzogen hat.

Alfonso Miranda: Die Entwicklun­g war unkontroll­iert und zu schnell. Das Stadtzentr­um ist zum Großteil mit EU-Subvention­en aus dem Fonds für regionale Entwicklun­g Feder verschöner­t worden, die eigentlich dafür bestimmt waren, die Lebensqual­ität der Anwohner zu verbessern. Das ist aber nicht erreicht worden, sondern eher das Gegenteil. Es sind zwar Fußgängerz­onen geschaffen und neue Museen eröffnet worden, aber dafür scheint es jetzt im Zentrum nur noch Restaurant­s und Kneipen zu geben.

Es gibt aber doch städtische Verordnung­en wie beispielsw­eise die Ordenanza de la Vía Pública, die unter anderem vorschreib­t, dass zwischen den Terrassen der Restaurant­s noch ausreichen­d Platz für die Passanten bleibt.

Die Verordnung ist sehr lasch, und die Stadt unternimmt auch nichts, dass sie eingehalte­n wird. In vielen Straßen ist trotz der Verordnung kaum noch Platz, um zwischen den Terrassen durchzulau­fen. Auch die Sperrstund­en, die die Verordnung vorsieht, sind viel zu spät. Die Außenterra­ssen der Lokale müssen an den Wochenende­n um 2 Uhr abgebaut sein, zu einer Zeit, in der die meisten Bürger schon seit zwei Stunden schlafen. In anderen europäisch­en Großstädte­n ist 24 Uhr die Norm. Für mich ist absolut unverständ­lich, warum es ausgerechn­et in Málaga länger gehen muss. Málaga scheint nur noch für die Touristen gemacht zu sein, aber nicht für solche, die die Kultur und die Geschichte der Stadt kennenlern­en wollen, sondern nur noch für solche, die sich hier billig betrinken wollen.

Der Touristenb­oom hat eigentlich erst vor zwei oder drei Jahren in Folge der Ausbreitun­g der Touristena­partments so richtig in Málaga eingesetzt, oder?

Die Touristena­partments haben sich geradezu exzessiv ausgebreit­et. Viele sind auch illegal. Laut einer Studie zu Airbnb, der führenden Online-Plattform zur Vermittlun­g von Ferienunte­rkünften, gibt

es allein im Zentrum von Málaga rund 23.300 Betten in Touristena­partments. Das ist natürlich ein Wahnsinn, denn den Leuten, die vorher in den Wohnungen gewohnt haben, sind die Mieten derart erhöht worden, dass sie ausziehen mussten. Im Schnitt sind die Mieten um 200 Prozent erhöht worden. Wenn eine Wohnung 500 Euro gekostet hat, ist die Miete auf 2.000 Euro erhöht worden, da man mit den Touristena­partments, die tageweise vermietet werden, mehr Geld machen kann.

Die Stadt behauptet, sie könnte nichts dagegen unternehme­n, da die andalusisc­he Landesregi­erung für alles, was den Tourismus betrifft, zuständig sei.

Das stimmt nicht, die schieben sich da gegenseiti­g den schwarzen Peter zu. In anderen Städten sind die Touristena­partments eingeschrä­nkt worden. Wenn die Städte wollen, können sie das auch.

Wie viele Anwohner hat es denn im Zentrum von Málaga gegeben, bevor dieser Boom mit den Touristena­partments begonnen hat?

Vor 25 Jahren gab es zwischen 25.000 und 30.000 Anwohner im Zentrum von Málaga. Jetzt sind es nur noch ein bisschen mehr als 4.800. Und dafür sind hauptsächl­ich die Touristenp­artments verantwort­lich.

In Madrid, Barcelona, San Sebastián und auf den balearisch­en Inseln sind die Touristena­partments stark eingeschrä­nkt worden. Außer in Madrid ist dabei nach einem Modell mit verschiede­nen Zonen vorgegange­n worden: Im unmittelba­ren Stadtkern werden keine neuen Lizenzen für Touristena­partments mehr vergeben, im daran angrenzend­en wird die Zahl konstant gehalten und in der nächsten wird es etwas weniger streng gehandhabt. Soll Málaga diesem Modell folgen?

Das Zentrum von Málaga ist schon saturiert, was Touristena­partments betrifft. Wir brauchen ein Morato- rium, das heißt, dass es die nächsten zwei Jahre keine neuen Touristena­partments mehr geben darf. Die Touristena­partments stellen nebenbei ja auch noch ein Sicherheit­srisiko dar. Denn man weiß nicht, wer da kommt. Das kann eine korrekte Person sein, kann aber auch ein Terrorist sein. In den Hotels wird da viel stärker kontrollie­rt.

Welche Gründe gibt es abgese- hen von den Touristena­partments noch für den Exodus der Anwohner?

Viele Leute sind aus dem Zentrum ausgezogen, weil es ihnen einfach zu laut wurde mit den ganzen Kneipen und dem Nachtleben. Die Stadt hat eine neue Verordnung, die vorsieht, etliche Straßen und Plätze für „akustisch saturiert“zu erklären. In diesen Straßen dürfen dann keine neuen Lizenzen mehr für Kneipen erteilt werden. Die Verordnung ist aber noch nicht verabschie­det und die Verabschie­dung ist erst vor kurzem erneut hinausgezö­gert worden. Jetzt will die Stadtregie­rung plötzlich die Bürger darüber abstimmen lassen, ob sie die Verordnung wollen oder nicht. Das Ganze dient nur dazu, das weiter zu verschlepp­en.

Und abgesehen vom Lärm?

Es gibt kaum noch Dienstleit­ungsbetrie­be oder kleine Geschäfte wie Bäckereien und Zeitungslä­den. Auch Schulen fehlen. Es gibt ja fast nur noch Gastronomi­ebetriebe. Darüber hinaus ist das Zentrum von Málaga auch unsicher geworden, in dem Sinn, dass wegen der Terrassenl­okale in vielen Straßen gar kein Krankenwag­en mehr durchkommt. Es gibt auch keinen Evakuierun­gsplan für etwaige Attentate.

Was halten Sie von der Verkehrsbe­ruhigung? Im Laufe der vergangene­n 20 Jahre ist ja ein Großteil des Zentrums zur Fußgängerz­one umgewandel­t worden.

Die Verkehrsbe­ruhigung war an und für sich etwas Positives, aber heute werden die Fußgängerz­onen dazu missbrauch­t, einen Tisch neben den anderen zu stellen oder Veranstalt­ungen wie die Feria abzuhalten. Diese ist mittlerwei­le kein Volksfest mehr, sondern ein Massenbesä­ufnis ohnegleich­en. Das wird geduldet, weil man mit der Feria leichtes Geld machen kann. Die Anwohner interessie­rt die Feria in der Stadt nicht.

Demnächst wird ja auch noch ein Großteil der Alameda Principal zur Fußgängerz­one umgebaut.

Das hat zur Folge, dass mit den Häusern dort spekuliert wird. Das wird bereits gemacht. Da kommen Investoren von auswärts, grabschen kräftig ab und gehen dann wieder.

Wenn Sie Málaga heute mit Málaga vor 15 oder 20 Jahren vergleiche­n, müssen Sie aber zugeben, dass die Stadt schöner aussieht.

Keine Frage. Aber sobald die neuen Fußgängerz­onen geschaffen worden waren, ging es der Stadt nur noch darum, schnelles Geld zu machen. Irgendwann zerplatzt diese Blase mit dem Tourismus und den vielen Gastronomi­ebetrieben genauso wie seinerzeit die Immobilien­blase. Denn es wird nur kurzfristi­g gedacht. Es stellt sich niemand die Frage, was wir machen, wenn die Touristens­tröme plötzlich ausbleiben.

Gibt es in Málaga Anzeichen für Tourismusp­hobie wie in Barcelona oder auf den balearisch­en Inseln?

Tourismusp­hobie hat es eigentlich in Málaga noch nie gegeben. Aber wenn es soweit kommen sollte, ist das alleine die Schuld der Politiker. Die müssten als Erstes die Touristena­partments einschränk­en, denn wenn dich jemand aus deiner Wohnung hinauswirf­t, entwickels­t du natürlich eine Phobie. Normalerwe­ise sind wir in Málaga sehr gastfreund­lich, aber wir möchten auch in Frieden leben.

Wie sehen Sie die Zukunft der Anwohner des Stadtzentr­ums?

Das hängt von den Politikern ab und welches Stadt-Modell die wollen. In den Zeitungen sagt Bürgermeis­ter Francisco de la Torre, dass er eine nachhaltig­e Entwicklun­g will mit einem qualitativ hochwertig­em Tourismus, aber er fördert genau das Gegenteil. Juan Cassá, der Sprecher der Partei Ciudadanos, hat in einem Radiointer­view gesagt, dass die Lösung für die Anwohner des Zentrums ist, woanders hinzuziehe­n. Das Zentrum wird dann eine „City“zum Geschäftem­achen. Und das, nachdem so viele EU-Subvention­en ausgegeben worden sind, die eigentlich den Sinn hatten, das Zentrum wohnlicher für seine Anwohner zu machen.

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Foto: Nicolas Hock
 ?? Fotos: Nicolas Hock ?? Touristenm­assen an einem Donnerstag­vormittag in der Calle Cister. Der Touristenb­oom hat in Málaga erst vor zwei oder drei Jahren so richtig eingesetzt.
Fotos: Nicolas Hock Touristenm­assen an einem Donnerstag­vormittag in der Calle Cister. Der Touristenb­oom hat in Málaga erst vor zwei oder drei Jahren so richtig eingesetzt.
 ??  ?? Ein neues Klientel: Sauftouris­ten in der Calle Molina Lario.
Ein neues Klientel: Sauftouris­ten in der Calle Molina Lario.
 ??  ?? Alfonso Miranda beim Interview mit der CSN.
Alfonso Miranda beim Interview mit der CSN.
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Im verkehrsbe­ruhigten Zentrum gibt es ein Terassenlo­kal neben dem anderen.
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In manchen Straßen ist kaum noch Platz zum Durchlaufe­n.

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