Störende Gleise
Unterirdische Verlegung der Bahngleise soll in Almería die weitgehende Zweiteilung der Stadt überwinden
Mit dem Einzug des Schnellzuges AVE in Almería, der für das Jahr 2023 vorgesehen ist, könnte ein Teil der Bahngleise aus dem Stadtbild verschwinden. Die Bahntrasse soll nämlich von ihrem Eingangstor im Viertel El Puche bis zur Avenida del Mediterráneo unterirdisch verlegt werden.
Nach der Jahrtausendwende kam in Almería die politische Intitiative auf, die Bahnzufahrt in die Stadt unterirdisch zu verlegen, um die weitgehende Zweiteilung der Stadt durch die Bahngleise zu überwinden. In den Boomjahren, als das Geld keine Rolle zu spielen schien, wurden zum Teil recht innovative Pläne ausgearbeitet, die auf dem mit Verschwinden der Gleise frei werdenden Gelände etwa die Errichtung einer großen Parkanlage mit einer künstlichen Lagune vorsah. Wechselnde Regierungen in Stadt und Land begruben die Pläne aber ein ums andere Mal, um danach wieder neue zu erstellen.
Projekt erst auf Eis gelegt
Das Projekt wurde immer weiter verzögert und mit der aufkommenden Krise in seiner Dimension reduziert, bis auf dem Höhepunkt der Rezession schließlich der Todesstoß erfolgte und die Zentralregierung dem als Soterramiento (dt.: Vergrabung) bekannten Vorhaben eine klare Absage erteilte.
Ersetzt wurde es in der Folge durch ein als Mini-Soterramiento bezeichnetes Projekt. Dieses sieht vor, zumindest einen ebenerdigen, von einer Straße gekreuzten Bahnübergang in dem am Stadtrand gelegenen Viertel El Puche unterirdisch zu verlegen. Die stark reduzierte, weitaus kostengünstigere Alternative zu den ursprünglichen Plänen nahm Ende vergangenen Jahres konkrete Formen an, als die dem Zentralstaat unterstehende Eisenbahnbehörde Adif die Arbeiten zur Umsetzung ausschrieb.
Anfang Mai dieses Jahre wurde denn auch der Zuschlag erteilt. Mit dem Projekt ist für 15,5 Millionen Euro das Bauunternehmen Comsa betraut worden. Der Auftrag sieht eine unterirdische Verlegung der Bahntrasse auf einer 1,5 Kilometer langen Strecke vor. Innerhalb von 13 Monaten sollen die Arbeiten zu Ende gebracht werden.
Rückzieher vom Rückzieher
Der Startschuss für den Mini-Soterramiento war noch kaum verhallt, als das spanische Verkehrsministerium plötzlich eine Kehrtwende vollzog und unerwarteter- weise verkündete, dass man doch wieder etwas größere Brötchen backen könnte. Zwar nicht vom Stadtrand bis zum Bahnhof wie ursprünglich geplant, zumindest aber bis zur Avenida del Mediterráneo könnten die Bahngleise aus dem Stadtbild entfernt unter die Erde verfrachtet werden.
Vollendung als Zukunftsoption
Es wäre dies eine zweite Phase, in der die im Stadtteil El Puche beginnende Vergrabung der Trasse um zwei weitere Kilometer verlängert werden würde, womit eine Unterführung und drei Brücken über die Bahngleise obsolet werden würden. Und zu einem späteren Zeitpunkt schließt die Zentralregierung auch eine unterirdische Verlegung der restlichen Strecke bis zum Bahnhof in einer hypothetischen dritten Phase nicht aus.
Die vor wenigen Wochen angekündigte zweite Phase des Soterramiento muss noch im Detail verplant werden, so dass mit einer Ausschreibung des Projektes nicht vor dem Frühjahr nächsten Jahres zu rechnen sein wird. Die Arbeiten, die im Jahr darauf starten könnten, sollen bis 2023 abgeschlossen sein, wenn nämlich der Schnellzug AVE in Almería Einzug halten soll. Die Kosten, an denen sich neben der Zentralregierung auch die andalusische Regierung und die Stadt Almería beteiligen werden, sind auf 273 Millionen Euro geschätzt worden.
Von dieser Summe sind etwa 50 Millionen Euro für den zukünf- tigen, mit dem AVE kompatiblen Bahnhof vorgesehen worden. Eine im Raum stehende Reaktivierung des alten, seit Jahren verschlossenen Bahnhofs ist nicht als Option wahrgenommen worden. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude, das zurzeit restauriert wird, soll vielmehr, wie von der Stadt geplant, kulturellen Zwecken dienen.
Stattdessen soll der aktuelle Bahnhof, der zugleich als Busbahnhof dient, grundlegend umgestaltet werden. Dieser soll unter anderem eine Tiefgarage erhalten, die einen direkten Zugang zu den Bahnsteigen ermöglichen und den gegenwärtigen externen Parkplatz überflüssig machen wird. Die Pläne zum Umbau sollen nicht zuletzt auch die Möglichkeit berücksichtigen, dass die Züge künftig unterirdisch einfahren könnten.
Ein Traum wird Realität
Almerías Bürgermeister Ramón Fernández (PP) hat die Pläne des Verkehrsministeriums als das wichtigste Infrastrukturprojekt in der Geschichte der Stadt bezeichnet. „Noch nie zuvor ist in Almería ein Bauvorhaben solcher Dimension ins Auge gefasst worden,“versicherte der Bürgermeister.
Die Almerienser würden schon so viele Jahre immerzu vom Soter
ramiento sprechen, ohne dass bisher auch nur ein einziger Meter an Bahngleisen unterirdisch verlegt worden sei. „Nun aber ist es kein Traum mehr und kein leeres Versprechen, sondern eine Realität mit vorgegebenen Fristen für die Realisierung“, bekundet Fernández.
Das Projekt, das einen hohen finanziellen Aufwand erfordert, werde nicht nur das Stadtbild entscheidend verschönern, in dem der unästhetische Anblick der Bahn- gleise in weiten Teilen der Stadt entfernt werde. Es werde zudem auch helfen, aktuelle Verkehrsprobleme zu lösen, da seit vielen Jahrzehnten getrennte Stadtteile verbunden werden können.
Die mit Entfernung der Bahngleise frei werdende Fläche soll zwar größtenteils in eine Flanier-
Das ehrgeizige Vorhaben wird Almerías Stadtbild nachhaltig verändern
meile mit Grünzonen verwandelt werden. Dazwischen sollen aber auch noch einige Verbindungsstraßen zwischen der Carretera de Alhamilla und der Avenida de Montserrat geschaffen werden.
Denkbar ist auch, dass diese beiden Hauptverkehrsadern in Einbahnstraßen verwandelt werden, um den nach Almería kommenden und den aus der Stadt ziehenden Verkehr zu trennen. „Das ehrgeizige Projekt wird auf jeden Fall eine entscheidende Transformation Almerías nach sich ziehen“, konstatiert der Bürgermeister.
Verkehr wird unterbrochen
Der einzige Haken bei der ganzen Sache ist, dass der Bahnverkehr nach Almería vorübergehend ruhen wird, zumindest in den 13 Monaten, die für die Arbeiten am Bahnübergang im Stadtteil El Puche vorgesehen worden sind. Als Ersatz für den Bahnhof in der Provinzhauptstadt soll in dieser Zeit jener in Huercal de Almería fungieren. Was den erbitterten Widerstand der Bürgerbewegung Mesa
del Ferrocarril hervorgerufen hat. Die Interessenvereinigung, die sich für eine Verbesserung der Eisenbahnanbindung Almerías einsetzt, plädiert für eine Beibehaltung des Bahnverkehrs während der Dauer der Arbeiten. Was das spanische Verkehrsministerium jedoch ablehnt, da es die Arbeiten deutlich verteuern und zeitlich in die Länge ziehen würde.
Gegen die vorübergehende Schließung des Bahnhofs in Almería wehrt sich auch die oppositionelle PSOE in Almería. Die Stilllegung des Bahnverkehrs werde den Bürgern, aber auch der lokalen Ökonomie und dem Tourismus enorm schaden, meint der Vorsitzende der Sozialisten in der Provinz, José Luis Sánchez. „Wir haben schon erdulden müssen, dass die Arbeiten an der Schnellzugtrasse in der Provinz seit bald sechs Jahren ausgesetzt sind, nun sollen wir auch noch hinnehmen, dass wir über ein Jahr lang nicht mit dem Zug bis Almería fahren können“, prangert Sánchez an.
Wenn es denn bei diesen 13 Monaten bleiben sollte, denn unklar ist ob der Bahnverkehr während der zweiten Phase des Soter
ramiento, die sich vier weitere Jahre hinziehen soll, wieder aufgenommen werden kann. Von Seiten der Kommunalregierung der PP wird dies bejaht, das spanische Verkehrsministerium will sich dahingehend aber nicht festlegen.