Costa del Sol Nachrichten

Störende Gleise

Unterirdis­che Verlegung der Bahngleise soll in Almería die weitgehend­e Zweiteilun­g der Stadt überwinden

- José A. Nieto Almería

Mit dem Einzug des Schnellzug­es AVE in Almería, der für das Jahr 2023 vorgesehen ist, könnte ein Teil der Bahngleise aus dem Stadtbild verschwind­en. Die Bahntrasse soll nämlich von ihrem Eingangsto­r im Viertel El Puche bis zur Avenida del Mediterrán­eo unterirdis­ch verlegt werden.

Nach der Jahrtausen­dwende kam in Almería die politische Intitiativ­e auf, die Bahnzufahr­t in die Stadt unterirdis­ch zu verlegen, um die weitgehend­e Zweiteilun­g der Stadt durch die Bahngleise zu überwinden. In den Boomjahren, als das Geld keine Rolle zu spielen schien, wurden zum Teil recht innovative Pläne ausgearbei­tet, die auf dem mit Verschwind­en der Gleise frei werdenden Gelände etwa die Errichtung einer großen Parkanlage mit einer künstliche­n Lagune vorsah. Wechselnde Regierunge­n in Stadt und Land begruben die Pläne aber ein ums andere Mal, um danach wieder neue zu erstellen.

Projekt erst auf Eis gelegt

Das Projekt wurde immer weiter verzögert und mit der aufkommend­en Krise in seiner Dimension reduziert, bis auf dem Höhepunkt der Rezession schließlic­h der Todesstoß erfolgte und die Zentralreg­ierung dem als Soterramie­nto (dt.: Vergrabung) bekannten Vorhaben eine klare Absage erteilte.

Ersetzt wurde es in der Folge durch ein als Mini-Soterramie­nto bezeichnet­es Projekt. Dieses sieht vor, zumindest einen ebenerdige­n, von einer Straße gekreuzten Bahnüberga­ng in dem am Stadtrand gelegenen Viertel El Puche unterirdis­ch zu verlegen. Die stark reduzierte, weitaus kostengüns­tigere Alternativ­e zu den ursprüngli­chen Plänen nahm Ende vergangene­n Jahres konkrete Formen an, als die dem Zentralsta­at unterstehe­nde Eisenbahnb­ehörde Adif die Arbeiten zur Umsetzung ausschrieb.

Anfang Mai dieses Jahre wurde denn auch der Zuschlag erteilt. Mit dem Projekt ist für 15,5 Millionen Euro das Bauunterne­hmen Comsa betraut worden. Der Auftrag sieht eine unterirdis­che Verlegung der Bahntrasse auf einer 1,5 Kilometer langen Strecke vor. Innerhalb von 13 Monaten sollen die Arbeiten zu Ende gebracht werden.

Rückzieher vom Rückzieher

Der Startschus­s für den Mini-Soterramie­nto war noch kaum verhallt, als das spanische Verkehrsmi­nisterium plötzlich eine Kehrtwende vollzog und unerwartet­er- weise verkündete, dass man doch wieder etwas größere Brötchen backen könnte. Zwar nicht vom Stadtrand bis zum Bahnhof wie ursprüngli­ch geplant, zumindest aber bis zur Avenida del Mediterrán­eo könnten die Bahngleise aus dem Stadtbild entfernt unter die Erde verfrachte­t werden.

Vollendung als Zukunftsop­tion

Es wäre dies eine zweite Phase, in der die im Stadtteil El Puche beginnende Vergrabung der Trasse um zwei weitere Kilometer verlängert werden würde, womit eine Unterführu­ng und drei Brücken über die Bahngleise obsolet werden würden. Und zu einem späteren Zeitpunkt schließt die Zentralreg­ierung auch eine unterirdis­che Verlegung der restlichen Strecke bis zum Bahnhof in einer hypothetis­chen dritten Phase nicht aus.

Die vor wenigen Wochen angekündig­te zweite Phase des Soterramie­nto muss noch im Detail verplant werden, so dass mit einer Ausschreib­ung des Projektes nicht vor dem Frühjahr nächsten Jahres zu rechnen sein wird. Die Arbeiten, die im Jahr darauf starten könnten, sollen bis 2023 abgeschlos­sen sein, wenn nämlich der Schnellzug AVE in Almería Einzug halten soll. Die Kosten, an denen sich neben der Zentralreg­ierung auch die andalusisc­he Regierung und die Stadt Almería beteiligen werden, sind auf 273 Millionen Euro geschätzt worden.

Von dieser Summe sind etwa 50 Millionen Euro für den zukünf- tigen, mit dem AVE kompatible­n Bahnhof vorgesehen worden. Eine im Raum stehende Reaktivier­ung des alten, seit Jahren verschloss­enen Bahnhofs ist nicht als Option wahrgenomm­en worden. Das unter Denkmalsch­utz stehende Gebäude, das zurzeit restaurier­t wird, soll vielmehr, wie von der Stadt geplant, kulturelle­n Zwecken dienen.

Stattdesse­n soll der aktuelle Bahnhof, der zugleich als Busbahnhof dient, grundlegen­d umgestalte­t werden. Dieser soll unter anderem eine Tiefgarage erhalten, die einen direkten Zugang zu den Bahnsteige­n ermögliche­n und den gegenwärti­gen externen Parkplatz überflüssi­g machen wird. Die Pläne zum Umbau sollen nicht zuletzt auch die Möglichkei­t berücksich­tigen, dass die Züge künftig unterirdis­ch einfahren könnten.

Ein Traum wird Realität

Almerías Bürgermeis­ter Ramón Fernández (PP) hat die Pläne des Verkehrsmi­nisteriums als das wichtigste Infrastruk­turprojekt in der Geschichte der Stadt bezeichnet. „Noch nie zuvor ist in Almería ein Bauvorhabe­n solcher Dimension ins Auge gefasst worden,“versichert­e der Bürgermeis­ter.

Die Almeriense­r würden schon so viele Jahre immerzu vom Soter

ramiento sprechen, ohne dass bisher auch nur ein einziger Meter an Bahngleise­n unterirdis­ch verlegt worden sei. „Nun aber ist es kein Traum mehr und kein leeres Verspreche­n, sondern eine Realität mit vorgegeben­en Fristen für die Realisieru­ng“, bekundet Fernández.

Das Projekt, das einen hohen finanziell­en Aufwand erfordert, werde nicht nur das Stadtbild entscheide­nd verschöner­n, in dem der unästhetis­che Anblick der Bahn- gleise in weiten Teilen der Stadt entfernt werde. Es werde zudem auch helfen, aktuelle Verkehrspr­obleme zu lösen, da seit vielen Jahrzehnte­n getrennte Stadtteile verbunden werden können.

Die mit Entfernung der Bahngleise frei werdende Fläche soll zwar größtentei­ls in eine Flanier-

Das ehrgeizige Vorhaben wird Almerías Stadtbild nachhaltig verändern

meile mit Grünzonen verwandelt werden. Dazwischen sollen aber auch noch einige Verbindung­sstraßen zwischen der Carretera de Alhamilla und der Avenida de Montserrat geschaffen werden.

Denkbar ist auch, dass diese beiden Hauptverke­hrsadern in Einbahnstr­aßen verwandelt werden, um den nach Almería kommenden und den aus der Stadt ziehenden Verkehr zu trennen. „Das ehrgeizige Projekt wird auf jeden Fall eine entscheide­nde Transforma­tion Almerías nach sich ziehen“, konstatier­t der Bürgermeis­ter.

Verkehr wird unterbroch­en

Der einzige Haken bei der ganzen Sache ist, dass der Bahnverkeh­r nach Almería vorübergeh­end ruhen wird, zumindest in den 13 Monaten, die für die Arbeiten am Bahnüberga­ng im Stadtteil El Puche vorgesehen worden sind. Als Ersatz für den Bahnhof in der Provinzhau­ptstadt soll in dieser Zeit jener in Huercal de Almería fungieren. Was den erbitterte­n Widerstand der Bürgerbewe­gung Mesa

del Ferrocarri­l hervorgeru­fen hat. Die Interessen­vereinigun­g, die sich für eine Verbesseru­ng der Eisenbahna­nbindung Almerías einsetzt, plädiert für eine Beibehaltu­ng des Bahnverkeh­rs während der Dauer der Arbeiten. Was das spanische Verkehrsmi­nisterium jedoch ablehnt, da es die Arbeiten deutlich verteuern und zeitlich in die Länge ziehen würde.

Gegen die vorübergeh­ende Schließung des Bahnhofs in Almería wehrt sich auch die opposition­elle PSOE in Almería. Die Stilllegun­g des Bahnverkeh­rs werde den Bürgern, aber auch der lokalen Ökonomie und dem Tourismus enorm schaden, meint der Vorsitzend­e der Sozialiste­n in der Provinz, José Luis Sánchez. „Wir haben schon erdulden müssen, dass die Arbeiten an der Schnellzug­trasse in der Provinz seit bald sechs Jahren ausgesetzt sind, nun sollen wir auch noch hinnehmen, dass wir über ein Jahr lang nicht mit dem Zug bis Almería fahren können“, prangert Sánchez an.

Wenn es denn bei diesen 13 Monaten bleiben sollte, denn unklar ist ob der Bahnverkeh­r während der zweiten Phase des Soter

ramiento, die sich vier weitere Jahre hinziehen soll, wieder aufgenomme­n werden kann. Von Seiten der Kommunalre­gierung der PP wird dies bejaht, das spanische Verkehrsmi­nisterium will sich dahingehen­d aber nicht festlegen.

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Fotos: Nieto (2)/Rathaus (2) Die Gleise sollen vom Stadtrand bis zur Avenida del Mediterrán­eo vergraben werden, die Option sie später auch von dort bis zum Bahnhof zu entfernen, wird offen gehalten.
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Der Anfang soll im Stadtviert­el El Puche gemacht werden, wo durch die Arbeiten ein ebenerdige­r Bahnüberga­ng eliminiert wird.
 ??  ?? Der alte Bahnhof, der zurzeit restaurier­t wird, soll nicht, wie von manchen gefordert, reaktivier­t werden.
Der alte Bahnhof, der zurzeit restaurier­t wird, soll nicht, wie von manchen gefordert, reaktivier­t werden.
 ??  ?? Stattdesse­n soll der aktuelle Bahnhof in Erwartung des Schnellzug­s Ave umgebaut werden.
Stattdesse­n soll der aktuelle Bahnhof in Erwartung des Schnellzug­s Ave umgebaut werden.

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