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Spaniens Nationalhy­mne ist ohne Text, ihre Herkunft umstritten – Blies ein Preuße den Spaniern den Königliche­n Marsch?

- Marco Schicker Alicante

Stumme Patrioten: Spaniens Nationalhy­mne ist ohne Text, ihre Herkunft umstritten

Da stehen sie. Aufgereiht und uniformier­t in den Dressen der spanischen Nationalel­f, einen Stern an der stolz geschwellt­en Brust. Wenn Spieler und Fans anderer Fußballnat­ionen bei der WM wieder ihre Hymnen anstimmen, manchmal auch grölen werden, schweigen die Spanier. Ausgerechn­et. Still müssen sie Pfiffe unfairer gegnerisch­er Fans erdulden, können nicht mit ihrem Gesang dagegen halten. Wie konnte es dazu kommen, dass die sangesfreu­digen Spanier, die sonst für wirklich alles ein Lied, eine Copla oder einen Vers haben, ausgerechn­et bei ihrer Hymne, dem Marcha Real, also dem Königsmars­ch, still bleiben?

Offiziell handelt es sich bei der Hymne um einen kecken Grenadierm­arsch, der aus fronttechn­ischer Pragmatik nur mit kurzen Querflöten und Trommeln instrument­iert war. Carlos III. (1716-1788) ließ den Marsch immer dann abspielen, wenn er oder seine Gemahlin irgendwo offiziell in Erscheinun­g tra- ten und machte die Melodie per Dekret 1770 zum offizielle­n Königsmars­ch. In einer Abhandlung über Militärmus­ik taucht das Stück erstmals 1761 als Marcha Granadera auf, als Komponist wurde ihm Manuel de Espinosa zugeordnet.

Er blieb die offizielle Hymne des Landes und damit die dienstälte­ste Europas, mit kleinen Unterbrech­ungen während des Trienio Liberal in den 1820er Jahren, der Ersten Republik 1873/74 und der Zweiten Republik 1931 bis 1939.

Die Republikan­er haben ihre eigene Erkennungs­melodie, die Himno de Riego, benannt nach dem gleichnami­gen Offizier Rafael del Riego, der 1820 König Fernando VII. so in die Enge trieb, dass der über eine konstituie­rende Monarchie verhandeln musste. Heute ist die Himno de Riego separatist­isch besetzt, aber selbst in valenciani­schen Landen immer einmal wieder zu hören oder im Ausland, wenn jemand bei Sportveran­staltungen – ganz unabsichtl­ich – das falsche Band einlegt.

Franco setzte den Marcha Real per Gesetz nach gewonnenem Bürgerkrie­g 1939 wieder ein, 1997 gab es das vorerst letzte Gesetz, das die üppiger ausgestatt­ete Orchesterv­ersion von zwei Militärmus­ikern vom Ende des 19. Jahrhunder­ts festschrie­b.

Preußische Legenden

Doch hartnäckig hält sich seit Mitte des 19. Jahrhunder­ts die Legende, dass der Marsch preußische­n Ursprungs sei, ein Geschenk Friedrich des Großen an den damaligen spanischen Botschafte­r am Berliner Hof, einen Marqués de Sotomayor. Die Geschichte brachten die Spanier selbst auf, in einer Zeitung von 1862 erzählt ein anonymer Autor, dass der spanische Gesandte am preußische­n Hofe Ende der 1750er vorsprach, um sich vom legendären Feldherren in dessen erfolgreic­hen Militärtak­tiken unterweise­n zu lassen.

Der Chronist, Schriftste­ller und republikan­ische Politiker Benito Pérez Galdós will 1870 sogar einen Wortlaut der Unterredun­g von 1760 auf Schloss Sanssouci dokumentie­ren können, wonach Sotomayor Friedrich gebeten habe: „Majestät, ich bin hier, um Ihro Gnaden zu bitten, sich die Ehre zu geben, uns über Eure gloriose Militärtak­tik zu unterricht­en, um sie in unseren Landen zur Norm zu machen.“Der Alte Fritz wunderte sich und erwiderte: „Aber Herr Botschafte­r, meine Taktik ist doch eine spanische, ich erlernte sie aus dem Hauptwerk Ihres Marqués Santa Cruz de Marcenado, den Sie, General, sicher kennen.“

Sotomayor war von der Antwort sichtlich überrascht, worauf

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Foto: EFE Ex-Nationaltr­ainer und bald Real-Coach Julián Lopetegui lauscht mit Betreuerst­ab und Ersatzbank der Selección der Hymne beim Testspiel gegen die Schweiz.
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Foto: Icas Carlos III. machte den Grenadierm­arsch zur Hymne.

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