Public Viewing mit Einheimischen?
Kann man es als Deutscher wagen, die Fußball-WM in spanischen Bars zu schauen? Aber locker. Vor den TVs ist fast immer Platz. Entgegen überkommener Erzählungen interessiert sich kaum ein Spanier wirklich für Fußball. Er interessiert sich fürs Diskutieren und fürs Feiern. Umgelegt auf Fußballübertragungen: Die iberischen „Experten“schauen nur von ihren Handys auf oder hinter ihren Weingläsern hervor, wenn es ein deftiges Faul zu bewerten oder ein spanisches Tor zu feiern gibt.
Ballesterische Feinheiten sind ihre Sache nicht. Wenn Engländer in meiner Stammbar in Torrevieja die unmögliche Mannschaftsaufstellung des Trainers, der natürlich längst gefeuert gehörte, mit Kraftausdrücken belegen, Deutsche über Löws Taktikvarianten wie über ihren Modelleisenbahnen tüfteln, Österreicher mit allen Teams mitfiebern, die gegen die Piefke spielen und Franzosen wenigs- tens ein „Mon-Dieu!“über noch einen fruchtlosen Vorstoß Benzemas seufzen, hat die spanische Barbesatzung nichts besseres zu tun, als die Marca von gestern zu lesen, frisch erwürgte Tauben an den Nachbarn zu verkaufen oder mit einem Kumpel die Probleme der Welt zu regeln.
Muss ja auch einer machen. Der Schallpegel schwillt schlagartig an, wenn Sergio Ramos in Aktion ist oder ein deutscher Torwart einen Fehler macht. Den er bekanntlich nur macht, wenn Ramos zuvor in Aktion war. Auf die Wiederholung der garantiert verpassten Szene wartet ein spanischer Gloryhunter gar nicht erst, er beschimpft gleich den Schiedsrichter und dessen weibliche Verwandschaft. Dann sieht man weiter. Oder eben nicht.
Für Jubelausbrüche musste ich mich noch nie rechtfertigen, der Spanier wundert sich nur, was mit dem Deutschen nicht stimmt und weiß ja, dass die Bayern oder Dortmunder sehr bald wieder von Real gedemütigt werden. Pokale sind wichtiger als Sterne. Das gilt im Fußball wie in der Gastronomie. Also man kann als Deutscher getrost die Fußball-WM in spanischen Bars anschauen. Man sollte dem Wirt nur nicht diesen Text übersetzen.