Auf Kriegsfuß mit Naturheilkunde
Medizinische Fachkräfte titulieren Homöopathie als „tödlich“und fordern Maßnahmen
Madrid – sk. „Sagen wir es mal ganz klar: Pseudowissenschaften sind tödlich.“Knallhart beginnt der offene Brief von 400 Fachkräften und Verbänden aus dem medizinischen Bereich an Gesundheitsministerin Luisa Carcedo, in dem sie in der Zeitung „El País“Maßnahmen gegen alternative Heilmethoden vor dem Hintergrund des Todes der Krebspatientin Rosa Morillo fordern. Den Schulmedizinern liegt daran, den Vertrieb homöopathischer Medikamente sowohl EU-weit als auch in spanischen Apotheken zu regulieren.
Der Auslöser: Die Wirtschaftswissenschaftlerin Morillo erkrankte mit 41 Jahren an Brustkrebs, entschied sich gegen eine schulmedizinische Behandlung. Statt auf Chemotherapie vertraute sie auf Naturheilkunde. Der Tumor wuchs, der Krebs streute und seine Metastasen griffen Haut und Knochen an. Bis zuletzt schlug Morillo die Warnungen der Schulmediziner in den Wind.
Ihre Familie rief daraufhin die spanische Ärztekammer an. Beide Homöopathen, die Morillo behandelten, gehören der Ärztekammer an. Sie sind Mediziner. Nichtsdestotrotz verschrieben sie ihr Medikamente auf natürlicher Basis sowie Anwendungen wie Hydrotherapie – Bäder in warmen Salzwasser –, deren Wirkung gegen Krebs wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist.
Nun bricht die Tageszeitung „El País“eine bisher sehr einseitig geführte Diskussion darüber vom Zaun, ob diese Naturheilkundler als Ärzte und die Homöopathie als Medizin bezeichnet werden können. Einseitig, weil kein Wort über negative Nebenwirkungen von Chemotherapien verloren wird oder über Krebspatienten, die an Folgen dieser konventionellen Therapie sterben.
Mit Einzug der Sozialisten in die Moncloa hat sich die Gangart gegen Naturheilkunde verschärft. Sowohl die zurückgetretene Carmen Montón als auch Nachfolgerin Carcedo betrachten Homöopathie als Pseudowissenschaft und damit als Gesundheitsrisiko. Homöopathie verschwindet auch zunehmend aus Universitäten und Ausbildungszentren.
Die Unterzeichner des offenen Briefs – darunter der Verband zum Schutz gegen Pseudotherapien Apetp, die Gruppe spanischer Krebspatienten und das Netzwerk gegen den Missbrauch der Pharma-Wissenschaft – bezeichnen sie als „Plage“. Die Kritiker stützen sich auf Studien, gemäß denen die Sterberate bei Krebserkrankungen zunimmt, wenn homöopathische Therapien zur Anwendung kommen – selbst wenn diese parallel zu konventionellen Therapien laufen.
Homöopathische Mittel kann man nach wie vor über Apotheken beziehen. Von der Verpackung her sind sie von auf wissenschaftlicher Basis entwickelten Pharmazeutika kaum zu unterscheiden. Das wollen die Kritiker ändern. Auch die Werbung für naturheilkundliche Mittel wollen sie einschränken. Sie fordern auch den Ausschluss von Medizinern aus der Ärztekammer, die den sogenannten ontologischen Kodex verletzen. Und rennen scheinbar offene Türen ein.
Die Regierung hat mehrere Pläne gegen „Pseudowissenschaften“angekündigt. Auch in Brüssel will Madrid eine harte Linie vertreten. Homöopathische Mittel – so die Meinung des Gesundheitsministeriums – könnten nicht als Medikamente angesehen werden, da ihre Heil- oder Präventivwirkungen wissenschaftlich nicht erwiesen sind.
Die Kritiker bezeichnen Pseudowissenschaften als „Plage“