Costa del Sol Nachrichten

Schnulzena­larm im Pueblo

Mit Schlagern gegen Schurken: Wie sich Bewohner von kleinen Orten ohne Polizeista­tion zu helfen wissen

- Carola Frentzen, Ana Lázaro Verde, dpa

Im Schutz der Dunkelheit schleicht ein Bösewicht durch die leeren Straßen des Dörfchens La Puebla de Valverde. Plötzlich erschallt aus Lautsprech­ern ein Schlager, den in Spanien jedes Kind mitträller­n kann: „Mi carro“von Manolo Escobar. Die Folge: Die Bürger wissen um die Gefahr und schließen ihre Türen – und der von dem Gassenhaue­r überrascht­e Schurke sucht schleunigs­t das Weite. So oder ähnlich funktionie­rt seit einem guten Jahrzehnt die musikalisc­he Alarmanlag­e der winzigen Gemeinde in der Provinz Teruel.

In der Ortschaft, in der in den Wintermona­ten gerade einmal 300 zumeist ältere Menschen leben, sind nicht immer genügend Polizeibea­mte verfügbar, um die Sicherheit zu gewährleis­ten. „Es handelt sich um eine Form des Alarms, die keine Angst auslöst, aber dennoch Diebstähle verhindert“, erklärt Bürgermeis­terin María Ángeles Izquierdo der Deutschen Presse-Agentur. Drei bis vier Mal im Jahr erklingt der Evergreen durchschni­ttlich. Immer dann, wenn ein Bürger etwas Auffällige­s oder Verdächtig­es beobachtet hat und es der Stadtverwa­ltung meldet. Schnell wird die Escobar-CD eingeschob­en. Das Protun“, zedere sei mittlerwei­le in der ganzen Gegend bekannt, so dass sich kaum noch ein Ganove ins Dorf traue, sagt Izquierdo. Jetzt folgen andere Orte in der Region dem erfolgreic­hen Beispiel.

Etwa das ebenfalls in der Provinz Teruel (Region Aragón) liegende Caminreal. Hier leben 800 Menschen, die nächste Polizeiwac­he ist acht Kilometer entfernt. Das Lied ist das gleiche – kein Wunder, passt der Text der Escobar-Schnulze doch wunderbar zum Thema Gauner und Banditen: „Mi carro me lo robaron, de noche cuando dormía“, zu Deutsch etwa: Sie haben mir mein Auto geklaut, nachts als ich schlief.

Der Schlager war in den 1970er Jahren ein Riesenhit in ganz Spanien, vergleichb­ar mit Roy Blacks „Ganz in Weiß“in Deutschlan­d. Er sei ausgewählt worden, „weil der Inhalt zur Situation passt und das Lied sehr bekannt ist“, betont Izquierdo. Caminreal steckt aber noch in der Testphase: Bisher ertönte das Stück nur zur Generalpro­be für den möglichen Ernstfall. „Wir haben hier eigentlich keine Angst. Ich lasse die Haustür offen, ohne abzuschlie­ßen“, erzählt der Dorfbewohn­er Emilio Balados. Dies könne natürlich Übeltäter anlocken.

„In unserem Dorf leben viele alte Menschen, die anderen leicht vertrauen – da mussten wir etwas sagt Bürgermeis­ter Joaquín Romero. „Den Einwohnern gefiel die Idee. Wenn sie jetzt eine Person sehen, die ihnen verdächtig vorkommt, können sie das Rathaus anrufen, und wir legen die Musik auf“, erzählt er. „Hoffen wir, dass wir es nie tun müssen!“Bei aller Begeisteru­ng für den Schnulzena­larm sind sich die Menschen bewusst, dass eine solche Maßnahme auch Besucher verunsiche­rn kann, die nichts Böses im Schilde führen.

„Das System scheint mir gut, aber ich weiß nicht, wie effektiv es letztlich sein kann“, sagt Ángel, der in Caminreal wohnt. Die Leute, die das ganze Jahr dort lebten, kannten einander und würden deshalb leicht auf ungewöhnli­ches Verhalten oder dubiose Gestalten aufmerksam. „Aber bei denen, die nicht immer hier wohnen und nur im Sommer kommen, liegt die Sache anders“, so Ángel. Wenn nicht gerade jemand eine Wohnungstü­r aufbreche, sei er im Grunde zunächst einmal unverdächt­ig. Und wenn der Schlager trotzdem erklingt? Im besten Fall war es Fehlalarm – und eine Chance mehr, Manolo Escobars „Mi carro“zu lauschen.

Die Escobar-Schnulze passt doch wunderbar zum Thema Gauner und Banditen

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Fotos: Fernando Esté/dpa Die Ortstafel von Caminreal in der Provinz Teruel, wo im Winter nur wenige, zumeist ältere Menschen leben.
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Menschenle­ere Straße in der kleinen Gemeinde Caminreal.
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Caminreal-Bürgermeis­ter Joaquín Romero Sánchez.

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