Spaltung der Separatisten: Friedliche Demos und gewalttätige Ausschreitungen zum Jahrestag des 1-0
Friedliche Demos und gewalttätige Ausschreitungen zum Jahrestag des 1-O – Torra droht Sánchez
Barcelona – ck. Der erste Jahrestag des verbotenen und dennoch abgehaltenen Referendums zur Unabhängigkeit in Katalonien wurde am Montag weitgehend friedlich begangen. Am Regionalfeiertag, dem 11. September, hatte eine Million Menschen friedlich für die Freilassung der in U-Haft sitzenden und Rückkehr der ins Ausland geflüchteten Aktivisten demonstriert. Am 1. Oktober zogen 180.000 Demonstranten durch die Hauptstadt Kataloniens und forderten die Republik.
Die Ausnahme waren die sogenannten Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR), Gruppen, die gewalttätigen Widerstand gegen Staat und Polizei leisten und die AP-7, den AVE-Bahnhof in Girona und Hauptverkehrsachsen mit Barrikaden sperrten. Diese radikal separatistischen Gruppen fordern die Republik. Abends stürmten sie die Absperrungen des Landtags in Barcelona und wurden von der katalanischen Polizei, den Mossos d‘Escuadra, mit Gummigeschossen davon abgehalten, das Gebäude zu besetzen.
Schon am Samstag war es zu Straßenschlachten zwischen Polizei und gewaltbereiten Radikalen gekommen. Sie stehen im Gegensatz zu den nach wie vor friedlichen Demonstrationszügen der Bevölkerung.
Der katalanische Ministerpräsident Quim Torra hatte in einem Versuch, seinen Kopf zu retten, die CDR zum „Ausüben von Druck“aufgefordert. Das ändert nichts daran, dass die radikalen Befürworter der Republik Torra für zu wenig entschieden halten und absetzen wollen. Es zeigt aber die tiefe Spaltung der separatistischen Bewegung. Während sich die Republikanische Linke (ERC) und die katalanistische PDeCat zurückhalten und auf Dialog setzen, gießt die anarchistische CUP zusammen mit den CDR Benzin ins Feuer des Konflikts und setzt auf Rebellion gegen den ihrer Meinung nach spanischen Unrechtsstaat.
Die Verhandlungen zwischen spanischer und katalanischer Regierung laufen, auch wenn es schwer fällt, Quim Torras Aufruf zum „Druck ausüben“als demokratisches politisches Mittel zu werten. Die Opposition aus Volkspartei und Ciudadanos ruft nach Konsequenzen, etwa die erneute Zwangsverwaltung der Region.
Die Zentralregierung hält sich nicht gerade zurück mit Bewertungen der Ereignisse vor einem Jahr. Sie bedauert die Gewaltanwendung der Polizei und die Eskalation der Situation durch die Regierung Mariano Rajoys. Auch mehren sich die Stimmen im Kabinett, die eine Entlassung der katalanischen Politiker aus der Untersuchungshaft für sinnvoll halten. Zumal der Prozessbeginn auf Januar verschoben wurde und ein Urteil vor den Kommunal- und Landtagswahlen im Mai nicht gefällt wird. Gelbe Schleifen werben allerorts für die Freilassung.
Quim Torra hat zum „Ausüben von Druck“aufgefordert
Landtag tagt wieder
Dass der abgesetzte katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont und weitere Politiker aus Spanien geflüchtet sind, erschwert die Situation der inhaftierten Kollegen. Der Richter schließt Fluchtgefahr auch bei ihnen nicht aus.
Derweil nahm am Dienstag erstmals nach langer Pause der Landtag in Barcelona wieder die Arbeit auf. Quim Torra nutzte die Gelegenheit und drohte Pedro Sánchez mit der Aufkündigung der Unterstützung im Parlament, wenn dieser nicht binnen eines Monats ein bindendes Referendum über die Unabhängigkeit ansetze. Regierungssprecherin Isabel Celaá konterte, die Regierung ließe sich nicht erpressen und sie könne jetzt schon sagen, mehr Autonomie wäre möglich, aber kein Referendum über die Selbständigkeit.