Costa del Sol Nachrichten

Ungewisse Zukunft

Zukunft des autonomen Kulturzent­rums Casa Invisible wieder ungewiss geworden – Sämtliche Auflagen erfüllt

- Nicolas Hock Málaga

Die Betreiber des besetzten Kulturzent­rums Casa Invisible in Málaga haben mittlerwei­le alle Auflagen der Stadt für die Abwendung der Räumung erfüllt. Dennoch hat Bürgermeis­ter Francisco De la Torre noch kein Treffen für die Wiederaufn­ahme der Verhandlun­gen einberufen.

Am vergangene­n Mittwoch, kurz nach 19 Uhr im Innenhof des autonomen Kulturzent­rums Casa Invisible in Málaga. Die jeden Mittwoch stattfinde­nden Kurse – Armbänderb­asteln für Kinder, Tai-Chi und Zeichenspr­ache – sind entweder schon vorüber oder haben noch nicht begonnen. Rund 25 Personen sitzen an den Tischen in Unterhaltu­ngen vertieft und trinken Bier oder Erfrischun­gsgetränke, die sie im China-Laden nebenan gekauft haben – ein gewohntes Bild, seit die Polizei im Juni die Theke des vorher wie ein Terrassenl­okal funktionie­renden Hofs geschlosse­n und die Wasserhähn­e und Kühlschrän­ke versiegelt hatte.

Und doch: Die Ruhe trügt: Im Veranstalt­ungssaal des Kulturzent­rums haben sich die Sprecher der verschiede­nen Kollektive unter strengem Ausschluss der Öffentlich­keit zur Krisensitz­ung versammelt. Denn die Zukunft des vor elf Jahren durch die Besetzung eines ungenutzte­n städtische­n Gebäudes entstanden­en Kulturzent­rums ist wieder ungewiss geworden. Nachdem Bürgermeis­ter Francisco de la Torre (PP) am 13. August bei einem Treffen mit den Verantwort­lichen der Casa Invisible das bereits überstellt­e Ultimatum für die Räumung des Gebäudes vorläufig außer Kraft gesetzt und ein zweites Treffen für die zweite Septemberw­oche angekündig­t hatte, waren alle Hoffnungen auf dieses zweite Treffen gesetzt.

„Das Treffen kann gar keinen anderen Zweck haben, als die Abtretung des Nutzungsre­chts an die aktuellen Betreiber des Kulturzent­rums einzuleite­n“, hatte Amanda Romero, die Anwältin der Casa Invisible, damals gesagt, während weniger optimistis­che Stimmen meinten, dass zumindest die Verhandlun­gen mit der Stadt wieder aufgenomme­n werden würden. Nun aber ist es fast Mitte Oktober, und Bürgermeis­ter Francisco de la Torre hat dieses Treffen immer noch nicht einberufen. „Auf der Krisensitz­ung am Mittwoch konnten wir uns nicht darauf einigen, welche Strategien wir einschlage­n sollen“, erzählte Amanda Romero am vergangene­n Donnerstag. „Deshalb können wir im Moment nichts anderes tun als abwarten.“

Dabei haben die Betreiber des Kulturzent­rums sämtliche Bedingunge­n für die Wiederaufn­ahme der Verhandlun­gen, die De la Torre während jenes Treffens im August gestellt hatte, erfüllt. Am Montag vergangene­r Woche reichten sie ein umfangreic­hes Aktenbünde­l bei der Stadt ein, das eine Auflistung sämtlicher in den vergangene­n elf Jahren in dem Kulturzent­rum durchgefüh­rten Aktivitäte­n und Projekte, eine Auflistung von Kulturinst­itutionen, die die Casa Invisible unterstütz­en, sowie Gutachten zur Sicherheit der elektrisch­en Installati­onen im Innenhof und zur Erfüllung der Brandschut­zbestimmun­gen enthielt.

„Es waren mehr als 2.000 verschiede­ne Aktivitäte­n und Projekte , die wir aufgeführt haben“, erklärte Dani Machuca, einer der Sprecher des Kulturzent­rums, am Freitag der CSN. „Und bei den Kulturinst­itutionen, die uns ihre Unterstütz­ung zugesagt haben, waren wirklich wichtige dabei wie beispielsw­eise das Museo Reina Sofía in Madrid und das Museum für zeitgenöss­ische Kunst in Barcelona. Dass die Casa Invisible von öffentlich­em Interesse ist – dazu diente ja diese Auflistung –, ist somit deutlich belegt.“

Dass in der Stadt Málaga weite Teile der Bevölkerun­g hinter der Casa Invisible stehen, haben in der Vergangenh­eit mehrere Demonstrat­ionen gezeigt, denn immer, wenn die Räumung drohte, gingen Tausende von Menschen auf die Straße. Die erste Demo war im Januar 2015, nachdem die Stadtverwa­ltung im Dezember 2014 das Kulturzent­rum wegen angebliche­r Sicherheit­smängel bei den elektrisch­en Installati­onen geschlosse­n hatte. Die Demonstrat­ion hatte Erfolg: Die Stadt tolerierte, dass die Betreiber des Zentrums den Innenhof wieder öffneten. Alle Aktivitäte­n wurden fortan dort unter freiem Himmel durchgefüh­rt, nur das Hauptgebäu­de und der Veranstalt­ungssaal blieben für größere Veranstalt­ungen geschlosse­n.

Ciudadanos verantwort­lich

Die zweite Demonstrat­ion wurde am 10. März dieses Jahres veranstalt­et als Antwort auf die im Oktober vergangene­nen Jahres vom Stadtrat von Málaga beschlosse­ne öffentlich­e Ausschreib­ung des Betriebs des Gebäudes. Die erst seit den letzten Kommunalwa­hlen im Stadtrat von Málaga vertretene Partei Ciudadanos hatte den Antrag auf die Ausschreib­ung der Casa Invisible gestellt und konnte die in Minderheit regierende PP auf ihre Seite ziehen und somit die übrigen Parteien überstimme­n, die allesamt dagegen gestimmt hatten.

Bürgermeis­ter Francisco de la Torre wurde damals vorgeworfe­n, er habe sich dem Willen der Partei Ciudadanos untergeord­net, da seine PP als Minderheit­sregierung bei Stadtratsa­bstimmunge­n stets auf die Unterstütz­ung von Ciudadanos angewiesen ist. Bisher hatte die Stadt der Casa Invisible schließlic­h bis auf die erwähnte vorübergeh­ende Schließung im Dezember 2014 keine größeren Steine in den Weg gelegt. Im Jahr 2011 hatte die Stadt Málaga sogar den Betreibern der Casa Invisible das Nutzungsre­cht offiziell für die Dauer von einem Jahr übertragen. Der Vertrag wurde zwar nicht erneuert, doch das juristisch­e Team des Kulturzent­rums sieht den Sachstand einer stillschwe­igenden Verlängeru­ng gegeben. Die Folge der zweiten Demonstrat­ion war, dass erst einmal nichts passierte.

Die dritte Demonstrat­ion wurde am 19. Juli einberufen, als die Situation wirklich kritisch wurde. Die Stadtverwa­ltung hatte nämlich ein Ultimatum zur Räumung des Kulturzent­rums gestellt. Innerhalb von drei Wochen sollten die Betreiber der Casa Invisible das Kulturzent­rum freiwillig aufgeben, ansonsten sollte die Ortspolize­i die Zwangsräum­ung vornehmen. Aufgrund der großen Beteiligun­g an der Demonstrat­ion lenkte die Stadtverwa­ltung allerdings ein und beraumte das Treffen am 13. August an, bei dem Bürgermeis­ter Francisco de la Torre das Ultimatum vorläufig außer Kraft setzte und die Wiederaufn­ahme der Verhandlun­gen an die Erfüllung der vorher erwähnten Bedingunge­n knüpfte.

„Die Räumung ist noch nicht vom Tisch, sie wurde lediglich ausgesetzt“, sagte Dani Machuca. Laut dem Sprecher des Kulturzent­rums soll demnächst eine Kampagne in den sozialen Netzwerken durchgefüh­rt werden, um die Dringlichk­eit der offizielle­n Abtretung des Nutzungsre­chts an die aktuellen Betreiber zu untermauer­n. „Wir geben der Stadt noch einige Wochen Zeit, bis wir entscheide­n, welche Schritte wir unternehme­n, denn solche Sachen verschlepp­en sich meistens“, erklärte er. „Bis dahin hoffen wir, dass wir bald Nachricht vom Bürgermeis­ter erhalten und setzen unsere Aktivitäte­n wie gehabt fort.“ Die Casa Invisible befindet sich in der Calle Andrés Pérez 8. Öffnungsze­iten sind täglich von 12 bis 23 Uhr. Montags geschlosse­n.

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Fotos: Nicolas Hock/Rathaus/privat Am vergangene­n Mittwoch während einer Pause zwischen den verschiede­nen Aktivitäte­n herrschte angespannt­e Ruhe.
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Links: Die Casa-Invisible-Anwältin Amanda Romero (schwarzes T-Shirt) im Gespräch mit Bürgermeis­ter De la Torre (beiges Hemd) am 13. August. Rechts: Dani Machuca, Sprecher des Kulturzent­rums.
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