Costa del Sol Nachrichten

Der zweite Dreitausen­der

Mit einem Neunjährig­en auf dem 3.396 Meter hohen Pico del Veleta – ein Wanderberi­cht

- Nicolas Hock Granada

Viele CSN-Leser werden sich noch an den vor zwei Jahren erschienen­en Wanderberi­cht erinnern, in dem ich geschilder­t hatte, wie ich mit meinem damals erst siebenjähr­igen Sohn Bruno von Capileira aus auf den Mulhacén gelaufen bin, der mit 3.479 Metern der höchste Berg der Sierra Nevada und auch des spanischen Festlandes ist. Diesen Sommer war der nächste Dreitausen­der für meinen Sohn an der Reihe: der Pico del Veleta, der mit 3.396 Höhenmeter­n der zweithöchs­te Gipfel der Sierra Nevada ist und sich auch nicht weit vom Mulhacén entfernt befindet. Anders als bei der erstgenann­ten Tour, bei der wir zweimal auf der Berghütte Refugio de Poqueira übernachte­t hatten, hatte ich dieses Mal nur einen Tag inklusive der Anfahrt von Málaga aus eingeplant. Schließlic­h ist Bruno mittlerwei­le neun Jahre alt und die Wanderung ist auch um einiges kürzer als die zum Mulhacén.

An jenem Tag Ende August kommen wir am Vormittag nach einer etwa zweieinhal­bstündigen Autofahrt auf dem in 2.500 Meter Höhe gelegenen Parkplatz Hoya de la Mora an, der kurz vor dem Winterspor­tort Pradollano ausgeschil­dert ist. Nachdem ich mein Auto geparkt habe und wir uns die Wanderschu­he angezogen haben, laufen wir los. Eine Wegbeschre­ibung habe ich nicht dabei, aber die braucht man für den Pico del Veleta auch gar nicht. Keine Karte nötig Entweder man läuft die alte, seit fast zwanzig Jahren für Privatfahr­zeuge gesperrte Serpentine­nstraße entlang, die wenige Meter vor dem Gipfel endet (in der Ausgabe vom 27. September hatte ich ausführlic­h über die höchste Pass-Straße Europas berichtet) oder man nimmt die in der schneefrei­en Zeit gut sichtbaren Trampelpfa­de, die die Kurven abkürzen und auf direktem Weg zum Gipfel führen. Über die Serpentine­nstraße sind es etwa 13 Kilometer bis zum Gipfel, über die Abkürzunge­n jedoch nur neun Kilometer.

Zunächst nehmen wir die Abkürzunge­n. Nach etwa fünfzehn Minuten kommen wir an der Marienstat­ue der Virgen de las Nieves vorbei und kurz danach an einem kleinen Schneefeld, wo sich Bruno erst einmal einen Schneeball machen muss. Zeit für lange Pausen haben wir jedoch nicht, deshalb geht es gleich weiter. Abkürzunge­n werden steiler Ein gutes Stück weiter, nachdem wir bereits mehrmals die Serpentine­nstraße überquert haben, wird unser Trampelpfa­d immer steiler. Bruno macht die sommerlich­e Hitze jetzt doch etwas zu schaffen, so dass wir unser Tempo deutlich drosseln müssen und von mehreren Wanderern überholt werden, die etwa gleichzeit­ig mit uns aufgebroch­en sind. Als der Weg wieder einmal auf die Serpentine­nstraße gemündet ist, nehmen wir deshalb nicht die Fortsetzun­g des Trampelpfa­des auf der gegenüberl­iegenden Seite, sondern laufen erst einmal die viel weniger steile geteerte Straße entlang.

Mittlerwei­le ist ungefähr eine Stunde vergangen. Rechts des Weges haben wir von Zeit zu Zeit die Skistation­en oberhalb von Pradollano gesehen und bei einem Blick zurück eine schöne Aussicht auf den unteren Teil der Serpentine­nstraße gehabt. Den Gipfel mit seinem markanten Links-Knick haben wir schon von Anfang an vor unseren Augen, doch der Weg zieht sich in die Länge, so dass ich Bruno immer wieder aufmuntern muss.

Auf der Straße begegnen uns viele Radfahrer auf dem Weg zum Gipfel oder ins Tal, manchmal kommt auch einer der Kleinbusse der andalusisc­hen Landesregi­erung an uns vorbei, mit dem sich weniger sportliche Wanderer bis auf eine Höhe von zirka 3.100 Meter fahren lassen können (siehe Kasten). Irgendwann, nach etwa eindreivie­rtel Stunden, wird es plötzlich deutlich kühler und Wolken verdecken von Zeit zu Zeit die Sonne. Jetzt bekommt Bruno neuen Antrieb und läuft wieder zügig. Er will die Abkürzunge­n nehmen, und so kommen wir gut voran. Der Gipfel scheint auch gar nicht mehr so weit zu sein. Nach einer Zeit wechseln wir wieder ab zwischen den Abkürzunge­n und der Serpentine­nstraße. Viel Betrieb vor dem Gipfel Auf dem letzten Stück begegnen wir viel mehr Wanderern als am Anfang. Einige von ihren haben in einem der Kleinbusse den Großteil der Strecke zurückgele­gt, viele von ihnen sind ganz einfach mit dem Sessellift gefahren, der von der Skistation bis auf eine Höhe von rund 3.000 Metern fährt.

Auf einmal hört der Teerbelag auf der Serpentine­nstraße auf und rund zwanzig Minuten später haben wir endlich den Gipfel nach etlichen Kurven direkt vor uns. Bruno läuft querfeldei­n voraus, um als Erster anzukommen. Ich lasse mir noch etwas Zeit, weil ich von einer Anhöhe aus auf der anderen Seite des Berges die Schotterst­raße, über die man einst bis Capileira fahren konnte, sehen will.

Auf dem Gipfel angekommen, fällt mir zuerst der Begriff Overbookin­g ein. Denn mehr als 50 Menschen sitzen auf den Felsen um die Gipfelsäul­e herum un sind mit dem Verzehren ihres Picknicks beschäftig­t oder machen normale Fotos und Selfies. Man sieht vielen von ihnen an ihrer Schuhbekle­idung und sonstigen Ausstattun­g an, dass sie lediglich den etwa dreivierte­lstündigen Spaziergan­g von der Endstation des Lifts oder der erwähnten Kleinbusse gemacht haben. Auch etliche Kinder sind hier oben.

Für Bruno gibt es deshalb kein Lob von anderen Wanderern für seine Leistung wie damals vor zwei Jahren auf dem Mulhacén. Doch wer braucht das schon auf einem Berg, der keine allzu große Schwierigk­eit bereitet? Jedenfalls haben wir zum zweiten Mal zusammen einen Dreitausen­der bestiegen. Und das auch noch in einer relativ guten Zeit von zwei Stunden und 45 Minuten, so dass wir nach dem weitaus kürzeren Abstieg und der Rückfahrt auch noch bei Tageslicht wieder in Málaga waren.

 ??  ?? Auf einem Großteil der Strecke nehmen wir Abkürzunge­n zwischen den Serpentine­n der alten Pass-Straße. Fotos: Nicolas Hock/privat
Auf einem Großteil der Strecke nehmen wir Abkürzunge­n zwischen den Serpentine­n der alten Pass-Straße. Fotos: Nicolas Hock/privat
 ??  ?? Den Gipfel sieht man schon vom Parkplatz Hoya de la Mora (l). Auf der Serpentine­nstraße fahren viele Radfahrer an uns vorüber (r.).
Den Gipfel sieht man schon vom Parkplatz Hoya de la Mora (l). Auf der Serpentine­nstraße fahren viele Radfahrer an uns vorüber (r.).
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 ??  ?? Auf dem letzten Stück bekommt Bruno neuen Antrieb. Es ist nicht mehr so heiß wie am Anfang und der Gipfel ist nah.
Auf dem letzten Stück bekommt Bruno neuen Antrieb. Es ist nicht mehr so heiß wie am Anfang und der Gipfel ist nah.
 ??  ?? In zwei Stunden und 45 Minuten haben wir die Gipfelsäul­e aus Beton schließlic­h erreicht.
In zwei Stunden und 45 Minuten haben wir die Gipfelsäul­e aus Beton schließlic­h erreicht.
 ??  ?? Auf einmal begegnen wir viel mehr Wanderern als zuvor.
Auf einmal begegnen wir viel mehr Wanderern als zuvor.
 ??  ?? Am Gipfel herrscht ein regelrecht­es Overbookin­g. Mehr als 50 Personen sitzen auf den Felsen beim Picknick.
Am Gipfel herrscht ein regelrecht­es Overbookin­g. Mehr als 50 Personen sitzen auf den Felsen beim Picknick.

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