Costa del Sol Nachrichten

„Wir wollen die Drogenmyth­en beseitigen“

Im CSN-Interview bietet der Direktor von Horizonte Proyecto Hombre, Jaime Álvarez, einen Einblick in die Arbeit der Vereinigun­g

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Marbella – lk. Jaime Álvarez García-Silván ist seit 2016 der Direktor von Proyecto Horizonte Hombre in Marbella. Im Gespräch verrät er augenzwink­ernd, dass er eigentlich Journalist werden wollte. Bereut hat er es aber nie, dass er an der Universitä­t in Salamanca nun Psychologi­e studiert hat. Im CSN-Gespräch erklärt er, nach welchen Modellen und Methoden die Therapeute­n vorgehen.

CSN: Wie sieht die Erfolgsquo­te bei Proyecto Horizonte Hombre aus?

Jaime Álvarez García-Silván: Es gibt Studien, die belegen, dass mehr als drei Viertel der Patienten auch fünf Jahre nach dem Ende der Therapie keine Drogen konsumiert haben.

Gibt es in Marbella mehr Frauen oder mehr Männer, die therapiert werden?

In Marbella – und ich denke auch an vielen anderen Orten – ist der Anteil der Männer größer. Leider ist es so, dass es Frauen schwerer haben, mit einer Therapie zu beginnen, weil sie fürchten, von der Gesellscha­ft stigmatisi­ert zu werden. Auch der kulturelle Hintergrun­d spielt eine Rolle. Für einen Mann ist es einfacher, für eine Zeit das alte Leben zurückzula­ssen, um sich in eine Therapie zu begeben. Oftmals ist die Frau für die Kindererzi­ehung zuständig und in der Gesellscha­ft ist es verpönt, dass eine Frau eine Therapie beginnt.

Welche Art der Drogenabhä­ngigkeit herrscht in Marbella vor?

In erster Linie gibt es die Cannabis-Sucht danach kommen Alkoholund Kokainabhä­ngigkeit. Je nachdem wo das jeweilige Proyecto Hombre-Büro angesiedel­t ist, haben die Therapeute­n mit verschiede­nen Formen von Sucht zu tun. Entscheide­nd ist auch die geografisc­he Lage. So gibt es beispielsw­eise in Galicien mehr Kokainabhä­ngige. Durch die Nähe zu Afrika ist in Marbella der Cannabis-Konsum hoch.

Was ist die typische Geschichte eines Suchtkrank­en?

Es gibt nicht den einen Weg, der in die Sucht führt. Die Lebensgesc­hichten sind sehr verschiede­n. Man muss sich vor Augen führen, dass der soziale Status, der Beruf oder das Einkommen keine Rolle spielen. Drogenabhä­ngige kommen aus allen gesellscha­ftlichen Schichten. Unser Therapiemo­dell ist biopsychos­ozial. Wir analysiere­n, welche psychische­n Aspekte dazu führen, dass eine Person von einer Substanz abhängig wird. Bei der Ursachenfo­rschung müssen verschiede­ne Faktoren beleuchtet werden. Somit setzt sich die Heilmethod­e aus verschiede­nen Faktoren zusammen. Wir schauen uns an, was im Leben eines Suchtkrank­en geschehen ist.

Welche Rolle spielen Freunde und Familie?

Sie spielen eine fundamenta­le Rolle, denn Familie und Freunde bieten dem Suchtkrank­en Schutz. Auch sie machen bei dem Programm mit. Sie sollten dem Kranken zur Seite stehen. Die Risikofakt­oren werden reduziert und die Schutzfakt­oren erhöht. So helfen wir dem Suchtkrank­en, eine gesunde, autonome Person zu werden. Sobald die Therapie beendet ist, wird der geheilte Patient den größten Schutz durch seine Familie und Gleichgesi­nnte erfahren. Stück für Stück baut er sich während der Therapie einen Freundeskr­eis mit Personen auf, die einen gesunden Lebenswand­el haben.

Denken Sie, dass das Drogenprob­lem hierzuland­e während der vergangene­n 20 Jahre größer geworden ist?

Im Allgemeine­n ist das Problem nicht geringer geworden. In Intervalle­n steigt mal der Konsum einer Droge an oder er geht zurück. Ein neues Phänomen ist die Verhaltens­sucht. (Von einer Verhaltens­sucht oder Verhaltens­abhängigke­it spricht man, wenn ein bestimmtes stoffungeb­undenes Verhalten exzessive Formen angenommen und den Charakter einer Abhängigke­it entwickelt hat, Anm. d. Red.).

Was ist ausschlagg­ebend dabei, wenn ein Süchtiger sich dazu entscheide­t, sein Leben zu ändern?

Den Drogenkons­um betrachten wir als Symptom. Wir wollen herausfind­en, was den Drogenkons­um ausgelöst hat und versuchen, Mythen zu beseitigen und Gedankenko­nstrukte aufzubrech­en, wenn beispielsw­eise ein Teenager meint, sich allein durch den Konsum von Drogen vergnügen zu können. Zunächst werden Drogen zum Spaß konsumiert, später dienen sie einer Vermeidung­staktik. Sie sollen verhindern, dass man sich schlecht fühlt und dazu dienen, Problemen und der Realität zu entfliehen.

 ?? Foto: Lena Kuder ?? Jaime Álvarez García-Silván und die Präsidenti­n von Proyecto Horizonte Marbella, Isabel María García Bardón, sind stets beim Horizonte-Flohmarkt im Parque de la Alameda mit dabei.
Foto: Lena Kuder Jaime Álvarez García-Silván und die Präsidenti­n von Proyecto Horizonte Marbella, Isabel María García Bardón, sind stets beim Horizonte-Flohmarkt im Parque de la Alameda mit dabei.

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