Costa del Sol Nachrichten

Der Tag nach San Valentín

Die Liebe im 21. Jahrhunder­t funkt SOS – Wie eine Methode aus Alicante Paaren aus der Krise helfen kann

- Kontakt De Francisco/Canet www.terapiadep­areja.es

Stefan Wieczorek Alicante

Wer sagt mehr über die Liebe – der 14. oder 15. Februar? Der Valentinst­ag, mit der Masse an roten Herzen, oder der Tag, an dem die Liebesdeko weg ist – und auch nicht mehr ablenkt. Von Meldungen etwa, die an der Costa Blanca eine ganz andere Seite der Liebe zeigen. Solche wie in Planes der Tod der 29-jährigen Sheila, wobei der Täter wohl ihr Partner war.

Zuvor erschütter­te ein Rentner Torrevieja, der seine Frau mit der Axt töten wollte und die Mär von der heilen Liebeswelt der Senioren zerstörte. Die krankhaft-kriminelle Liebesunfä­higkeit von Männern deckt in Elche die Prostituti­onsstudie auf – und auch der Fall des Jungpoliti­kers, der mit Kleinkinde­rn sexuelle Bedürfniss­e stillte.

Doch auch ohne Exzesse scheint die Liebe zu kranken. Deutlich sagt das die Zahl der Scheidunge­n. Die stieg 2017 in Spanien leicht, war aber in zehn Jahren um 30 Prozent gefallen. Warum? Weil immer weniger Paare überhaupt einen Bund fürs Leben eingehen wollten.

Ein falsches Bild

Das Vertrauen in die Liebe ist hin. Etwa wegen der bösen Nachrichte­n? Nein, meinen die Therapeute­n María Dolores Canet und José Ángel de Francisco aus Alicante. Schuld sei eher das Bild, das der 14. Februar von der Liebe zeichne. Am Valentinst­ag „wird nicht die Liebe gefeiert“, meint Canet, son- dern ein „idealisier­tes, oberflächl­iches Konzept, das auf Formeln basiert und auf Konsum abzielt.“

Canet: „Die authentisc­he Liebe feiert man nicht an einem, sondern lebt sie an allen Tagen. Indem man die Hürden des Lebens zu zweit nimmt mit dem Willen, in eine gemeinsame Richtung zu gehen.“Das sagt sie nicht, weil sie und ihr Mann gerade das 40. Ehejahr begehen – von Formalisme­n halten sie wenig –, sondern weil die Eltern dreier Töchter Liebe und Beziehung zum Beruf haben: Sie helfen Paaren in der Krise mit ihrer Methode „De Francisco-Canet“.

Dafür leiten sie eine Praxis in Alicante und arbeiten mit der Klinik Quirónsalu­d in Murcia zusammen. „Die Methode gründet auf dem Abc der ehelichen Werte und auf Emotionale­r Intelligen­z. Werden die Werte eingehalte­n, kann das Paar einen großen Teil des Lebens glücklich sein“, meint De Francisco. Neben einigen internatio­nalen Ansätzen beruhe die Methode auf der langen Erfahrung mit über 6.000 Patienten.

Ein Kern des „Método“ist das Vorgehen, das Canet und De Francisco „Induzierte Dynamik des Verzeihens“, nennen, womit Paare das Vergeben trainieren. Das sei nicht zu unterschät­zen, sagt De

Francisco, denn der erste Grund fürs Zerbrechen von Beziehunge­n sei „das Hegen von Groll wegen Verletzung­en der Vergangenh­eit, also das Nicht-Vergeben-Können alter Fehler und des Scheiterns des Anderen“.

Nicht bei Gewalt

Erst dann folgten Dinge wie „den Anderen nicht akzeptiere­n, wie er ist“, fehlende Treue oder schlechte Kommunikat­ion, sagen die Therapeute­n. Canet und De Francisco bekamen für den Ansatz eine Goldmedail­le: im Juli 2018 von der Königliche­n Akademie Ramón y Cajal für Gesundheit­swissensch­aften.

Wie die Methode in der Praxis funktionie­rt? „Wir führen Paare zur Einsicht, dass das Gefühl nicht der einzige und nicht der wichtigste Motor der Liebe ist, sondern der Wille“, erklärt De Francisco. „Das lässt sie erkennen, dass man die Liebe jeden Tag, in kleinen und großen Gesten lebt. Und dass man Glück finden kann, wenn man das Beste in sich sucht – vorausgese­tzt, dass es beide Seiten tun.“Die strikte Gleichstel­lung in der Verantwort­ung betonen die Therapeute­n mehrmals. Etwa, als wir nach den „zehn Empfehlung­en der Methode De Francisco-Canet“fragen.

Da besagt Punkt zwei, „dass dein Partner immer an erster Stelle stehe“. Ob das nicht der Tyrannei die Tür öffne, und im schlimmste­n Fall der Gewalt? Nicht bei einer „correspons­abilidad“, also „beidseitig­en Verantwort­ung“, so Canet. Wenn die fehle, „sagen wir Paaren, dass es zwischen ihnen aus ist“. Richtig umgesetzt sei die Voranstell­ung des Partners, wenn sie diesen davor schützt, herabgeset­zt zu werden, „etwa, wenn die Kinder wichtiger werden als er“.

Im Falle Häuslicher Gewalt seien „Störungen, Abhängigke­it, Pathologie­n zu untersuche­n“, und die Methode ungeeignet. Angewandt werden könne sie, wenn beide Partner bereit seien, für die Beziehung an sich zu arbeiten. Dann stünden die Chancen auch gut:. 80 Prozent der Paare, die die zwölf Sitzungen der Methode absolviert­en, hätten die Absicht, sich zu trennen, verworfen, sagen die Therapeute­n.

Von Klage zu Wunsch

Eine leichte Kost sind die Sitzungen nicht. Mit gezielten Übungen stellen die Paare sich schwierige­n Themen – ob Tabus oder nicht eingestand­enen Schwächen. Der Therapeut interviewt die Partner erst einzeln und bespricht mit ihnen die Hausaufgab­en. Dann spricht das Paar unter Aufsicht miteinande­r und formuliert feste Vorhaben.

Zu Hause führen die Paare Tagebuch darüber, welche der Werte Empathie, Geduld, Respekt, Demut, Loyalität oder Hilfe sie heute erfüllt haben und welche nicht. Sie üben auch einen neuen Tonfall ein, etwa wenn sie „quejas“, Klagen, in „deseos“, Wünsche umwandeln.

Also von „Nie hörst du mir zu“zu „Ich hätte gern, dass du mir zuhörst.“„Es gibt sehr angenehme Aufgaben, wie die ‚Landkarte der Liebe‘, womit sich das Paar neu kennenlern­t“, sagt De Francisco. Beim „Emotionale­n Konto“überlegten die Partner, was sie in Zukunft zusammen machen könnten.

Ob es ein Alter gebe, in der die Methode nicht mehr funktionie­re, fragen wir. „Senioren haben sich meist an die Umstände gewöhnt“, sagt De Francisco. „Ihr Verhalten ändern können sie vielleicht nicht, aber sie können die Augen öffnen, für einen neuen Blick aufs Leben.“

Half ihr „Método“auch Canet und De Francisco im Eheleben? „Wir sind nicht anders als alle anderen, hatten Streit und Krisen, Aber durch unsere Ideen existierte etwas, das uns half, indem es sagte, dass wir füreinande­r das Wichtigste sind, und nicht die Kinder, die Arbeit, oder was auch immer.“

Und auch wenn das Paar nicht auf stumpfe Formeln steht – zwei Tage feiert es dann doch im Jahr. Nicht San Valentín, und auch nicht den Tag danach, sondern „den Tag, an dem wir uns begegneten, und den, an dem wir heirateten.“

„Auch für Senioren ist es nicht zu spät für einen neuen Blick aufs Leben.“

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Fotos: Ángel García Nicht jedes Paar schafft es, äußerlich dem Valentins-Schmuck wie hier in Alicante zu entspreche­n. Liegt das am Paar – oder am Schmuck?
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Foto: privat Canet und De Francisco erklären ihre „goldene“Methode.
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Hier scheint alles perfekt, oder? Laut Canet und De Francisco zeigt „authentisc­he Liebe“sich jedoch vor allem im Alltag.
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Achtung: Falscher Formalismu­s kann unfrei machen.

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