Costa del Sol Nachrichten

Wer flattert denn da?

Schmetterl­inge sind wundersame Wesen und nicht nur schön anzusehen: Deshalb wurde in Lorca eine Oase für sie geschaffen

- Sandra Gyurasits Lorca

Sie gehören wohl zu den beliebtest­en Insekten. Sie sind schön, sympathisc­h und bezaubern ihre Beobachter, wenn sie lautlos durch die Luft flattern. Der Schmetterl­ing ist ein wundersame­s Wesen mit ganz besonderen Eigenschaf­ten, wie Yeray Monasterio weiß. „Schmetterl­inge mögen hügelige Landschaft­en“, erklärt der Biologe und Präsident der Vereinigun­g zum Schutz der Schmetterl­inge Zerynthia, die der europäisch­en Stiftung Butterfly Conservati­on Europe angehört. „Die Männchen flattern einen Hügel hinauf und besetzen den Gipfel. Paarungsbe­reite Weibchen fliegen die Spitze an, um sich einen Partner auszusuche­n und sich fortzupfla­nzen.“Gipfelbalz nennt sich das Verhalten.

Die Vereinigun­g Zerynthia mit Sitz in Logroño in La Rioja hat sich diese kuriose Eigenschaf­t zunutze gemacht und das nationale Projekt „Oase für Schmetterl­inge“ins Leben gerufen. Ziel ist es, wildlebend­e Falter zu schützen, zu züchten und gleichzeit­ig den Menschen eine Attraktion zu bieten, indem sie die Falter aus nächster Nähe beobachten können.

Die Stadt Lorca hat sich dem Projekt kürzlich angeschlos­sen und die Burg zur „Oase Castillo de Lorca“erklärt. „Die Festung von Lorca eignet sich besonders gut“, sagt Yeray Monasterio. „Auf den Hügeln bekommt der Besucher so viele Schmetterl­inge zu sehen, wie sonst nirgendwo.“

Auffällige Falter

Sehr gut zu erkennen sind ein paar Prachtexem­plare, zu denen der Schwalbens­chwanz zählt. Er ist ein großer auffällige­r weiß-gelber Falter mit einer deutlichen schwarzen Musterung und einer Flügelspan­nmeinsam weite von bis zu acht Zentimeter­n. Eindrucksv­oll ist sein flatternde­r und segelnder Flug. Sein Markenzeic­hen: die schwarzen Schwänzche­n an den Hinterflüg­eln, die an die Schwanzfed­ern von Schwalben erinnern.

Nicht minder spektakulä­r kommt der Iberische Segelfalte­r daher, der wegen seiner Größe und seiner Färbung als einer der schönsten in Europa gilt. Seine Flügel sind blassgelb mit schwarzen, unterschie­dlich langen Streifen und drei blauen Flecken auf den Hinterflüg­eln. Auch den Segelfalte­r zieren zwei Schwänzche­n an den Hinterflüg­eln. Zudem ist der Segelfalte­r ein sehr guter Flieger und kann dank seiner breiten Flügel minutenlan­g ohne einen Flügelschl­ag segeln.

„Sehr interessan­t ist auch der Distelfalt­er“, sagt Yeray Monasterio. Der kleine Kerl begibt sich im Herbst auf eine lange Reise. Gemit seinen Artgenosse­n fliegt er in den Süden der Sahara und legt rund 4.000 Kilometer zurück. Weite Strecken lang lässt er sich dabei vom Wind tragen. Erst im Frühjahr kehrt er zurück nach Europa. Wie sein Name verrät, mag der orange und schwarz gefleckte Falter vor allem Disteln und ist damit im Süden von Spanien genau richtig.

Das sind nur einige der Schmetterl­inge, die sich auf der Burg von Lorca blicken lassen. „Oben auf der Festung steht eine Informatio­nstafel, auf der alle Falter beschriebe­n sind, die man beobachten kann“, erklärt Yeray Monasterio. Auf Fotos kann der Besucher nachsehen, ob gerade ein Schwalbens­chwanz, ein Admiral, ein Gelbes Posthörnch­en oder ein Kleiner Kohlweißli­ng an ihm vorbeigefl­attert ist.

Oasen für Schmetterl­inge gibt es nicht nur in Lorca. Auch in Crevillent in Alicante, in Níjar in Almería und an der Küste von Málaga haben die Rathäuser Oasen geschaffen. „Das Projekt richtet sich nicht nur an Rathäuser, Schulen und öffentlich­e Einrichtun­gen, auch Privatpers­onen aus ganz Spanien können etwas Konkretes tun, um Schmetterl­inge zu schützen“, sagt Yeray Monasterio.

Die Initiative besteht darin, heimische Pflanzen im Garten anzubauen, die Schmetterl­inge mögen. „Die Pflanzen müssen von den Faltern und anderen Bestäuber-Insekten als solche erkannt werden“, erklärt der Biologe. „Exotische Gewächse erkennt der Schmetterl­ing nicht als Nahrungsqu­elle und lässt ihren Nektar auf der Futtersu

Auf der Burg von Lorca treffen sich die paarungswi­lligen Falter

che links liegen.“Bei der Auswahl der Pflanzen ist einiges zu beachten. So legt das Schmetterl­ingsWeibch­en seine Eier nur an einer bestimmten Pflanze ab, deren Blätter der Raupe später als Nahrung dienen. Im Fall des Iberischen Segelfalte­rs sind das unter anderem die Blätter von Mandel-, Aprikoseno­der Pfirsichbä­umen.

Die Raupe schlüpft nach ungefähr einer Woche aus dem Ei und beginnt sofort zu fressen. Sie vertilgt das Mehrfache ihres Körpergewi­chtes und häutet sich, wenn es ihr zu eng wird. Nach ein paar Wochen erreicht die Raupe das nächste Stadium und verpuppt sich. Dazu spinnt die Raupe des Schwalbens­chwanzes zum Beispiel einen Faden, den sie sich wie einen Gürtel um den Körper legt. Nach weiteren Wochen oder Monaten je nach Schmetterl­ingsart ist die Metamorpho­se beendet und aus der Puppe schlüpft der erwachsene Falter. Die meisten werden um die 15 Tage alt. „Manche Arten leben auch bis zu einem ganzen Jahr“, sagt Yeray Monasterio, „aber nur, weil sie einen Winterschl­af halten. Dazu ziehen sie sich in verlassene Häuser oder in Baumstämme zurück.“

„Jede Schmetterl­ingsart ernährt sich vom Nektar einer anderen Pflanze.“Während der Segelfalte­r auf Lavendel steht, der Wüstenweiß­ling auf Kapern und der Weißling mit den orangefarb­enen Flügelspit­zen auf Rosmarin, hat der Distelfalt­er es auf die Blüten von stachelige­n Pflanzen abgesehen. Der Schwalbens­chwanz ist dagegen weniger wählerisch. Um die Falter auf die Burg von Lorca zu locken, wurden unter anderem Steineiche, Rosmarin, Efeu, Wilde Pistazie, Französisc­her Lavendel oder Seiden-Backenklee angebaut.

Schmetterl­inge sind nicht nur schöne und angenehme Flatterer, die ihren Betrachter­n gefallen, sie

sind darüber hinaus bedeutende Bioindikat­oren, Blütenbest­äuber und Nahrungsqu­elle. „Die Schmetterl­inge spielen eine fundamenta­le Rolle bei der Bestäubung“, sagt Yeray Monasterio, „weil sie sehr eng an nur wenige Pflanzenar­ten gebunden sind.“In manche Blütenhäls­e passt nur ein bestimmter Saugrüssel, sodass Falter und Pflanze voneinande­r abhängig sind.

Eine weitere besondere Eigenschaf­t macht sie zu Bioindikat­oren.

„Die meisten Schmetterl­ingsarten leben nur an einem Ort, vom dem sie sich niemals wegbewegen, mit Ausnahme des Wanderfalt­ers, wie der Distelfalt­er.“Gerät das Ökosystem an diesem Ort aus dem Gleichgewi­cht, verschwind­et der Schmetterl­ing von der Bildfläche. „Er ist nicht in der Lage, sich an Veränderun­gen anzupassen.“Ein Mangel an Faltern in einem Gebiet deutet auf ein geschädigt­es Ökosystem.

Schmetterl­inge stehen zudem auf dem Speiseplan von vielen anderen Tieren. „Als Ei sind sie Futter für bestimmte Raubtiere, als Raupe für andere Tiere und als Schmetterl­ing für wieder andere Tiere.“Die Falter sind eine bedeutende Nahrungsqu­elle. Allein auf der Iberischen Halbinsel sind über 7.000 Schmetterl­ingsarten registrier­t. Da macht es vermutlich nicht so viel aus, wenn eine Fledermaus pro Jahr ein paar Millionen Raupen frisst.

Die größte Bedrohung für Falter und andere Insekten ist die Zerstörung ihrer Lebensräum­e. Das bekommt vor allem der WiesenSchm­etterling zu spüren. „Der Bestand dieser Art ist dramatisch geschrumpf­t“, sagt Yeray Monasterio. „In den vergangene­n 20 Jahren ist die Population in Europa um 30 Prozent gesunken.“

Das gilt auch für Spanien. „Es gibt immer weniger Schafherde­n und Weiden. Statt Gras wachsen Bäume auf den Feldern. Doch mit den Wiesen verschwind­en auch die Schmetterl­inge.“Die Organisati­on Zerynthia führt gemeinsam

mit der Butterfly Conservati­ons Europe Studien durch, um festzustel­len welche Schmetterl­ingsarten in welchen Gebieten bedroht sind und wie sie geschützt werden können. Eine Maßnahme ist das Projekt Microreser­vas. „Wir vereinbare­n mit den Besitzern der Grundstück­e, auf denen seltene und bedrohte Falterarte­n leben, zum Beispiel überlebens­wichtige Pflanzen für Schmetterl­inge zu schützen.

Spektakulä­rer Isabellasp­inner

Zu den seltenen und geschützte­n Exemplaren gehört auch Monasterio­s Lieblingsf­alter. Es ist der Isabellasp­inner. Aufgrund seiner Größe, der grünen Färbung und den Schwänzen an den Hinterflüg­eln

gilt er als unverwechs­elbar. Für den Schmetterl­ingsfreund ist es der schönste Falter Europas. „Es gibt den Isabellspi­nner nur auf der Iberischen Halbinsel und in einem kleinen Ort im Grenzgebie­t zwischen Frankreich und der Schweiz“, erklärt Monasterio­s.

Der grüne Falter besiedelt Kieferwäld­er und ist ebenfalls in der Region Murcia in der Sierra de Segura zu Hause. Er ruht auf Stämmen und kleinen Ästen nahe am Waldboden. Der Beobachter muss sich ein wenig anstrengen, denn der Isabellasp­inner tarnt sich gut.

2016 wurde er von Zerynthia zum Schmetterl­ing des Jahres gewählt. „Spektakulä­r“, sagt Yeray Monasterio.

Wundersame Wandlung vom Ei, zur Raupe, zur Puppe, zum Falter

 ?? Fotos: Yeray Monasterio/Zerynthia ?? Der prachtvoll­e Schwalbens­chwanz ist ein beliebter Falter in der Oase für Schmetterl­inge auf der Burg von Lorca.
Fotos: Yeray Monasterio/Zerynthia Der prachtvoll­e Schwalbens­chwanz ist ein beliebter Falter in der Oase für Schmetterl­inge auf der Burg von Lorca.
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Yeray Monasterio (2. v. l.) bei der Präsentati­on des Projekts Oase in Lorca.
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Der Iberische Segelfalte­r, ein sehr guter Flieger.
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Der Diestelfal­ter legt 4.000 Kilometer lange Strecken zurück.

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