Wer flattert denn da?
Schmetterlinge sind wundersame Wesen und nicht nur schön anzusehen: Deshalb wurde in Lorca eine Oase für sie geschaffen
Sie gehören wohl zu den beliebtesten Insekten. Sie sind schön, sympathisch und bezaubern ihre Beobachter, wenn sie lautlos durch die Luft flattern. Der Schmetterling ist ein wundersames Wesen mit ganz besonderen Eigenschaften, wie Yeray Monasterio weiß. „Schmetterlinge mögen hügelige Landschaften“, erklärt der Biologe und Präsident der Vereinigung zum Schutz der Schmetterlinge Zerynthia, die der europäischen Stiftung Butterfly Conservation Europe angehört. „Die Männchen flattern einen Hügel hinauf und besetzen den Gipfel. Paarungsbereite Weibchen fliegen die Spitze an, um sich einen Partner auszusuchen und sich fortzupflanzen.“Gipfelbalz nennt sich das Verhalten.
Die Vereinigung Zerynthia mit Sitz in Logroño in La Rioja hat sich diese kuriose Eigenschaft zunutze gemacht und das nationale Projekt „Oase für Schmetterlinge“ins Leben gerufen. Ziel ist es, wildlebende Falter zu schützen, zu züchten und gleichzeitig den Menschen eine Attraktion zu bieten, indem sie die Falter aus nächster Nähe beobachten können.
Die Stadt Lorca hat sich dem Projekt kürzlich angeschlossen und die Burg zur „Oase Castillo de Lorca“erklärt. „Die Festung von Lorca eignet sich besonders gut“, sagt Yeray Monasterio. „Auf den Hügeln bekommt der Besucher so viele Schmetterlinge zu sehen, wie sonst nirgendwo.“
Auffällige Falter
Sehr gut zu erkennen sind ein paar Prachtexemplare, zu denen der Schwalbenschwanz zählt. Er ist ein großer auffälliger weiß-gelber Falter mit einer deutlichen schwarzen Musterung und einer Flügelspannmeinsam weite von bis zu acht Zentimetern. Eindrucksvoll ist sein flatternder und segelnder Flug. Sein Markenzeichen: die schwarzen Schwänzchen an den Hinterflügeln, die an die Schwanzfedern von Schwalben erinnern.
Nicht minder spektakulär kommt der Iberische Segelfalter daher, der wegen seiner Größe und seiner Färbung als einer der schönsten in Europa gilt. Seine Flügel sind blassgelb mit schwarzen, unterschiedlich langen Streifen und drei blauen Flecken auf den Hinterflügeln. Auch den Segelfalter zieren zwei Schwänzchen an den Hinterflügeln. Zudem ist der Segelfalter ein sehr guter Flieger und kann dank seiner breiten Flügel minutenlang ohne einen Flügelschlag segeln.
„Sehr interessant ist auch der Distelfalter“, sagt Yeray Monasterio. Der kleine Kerl begibt sich im Herbst auf eine lange Reise. Gemit seinen Artgenossen fliegt er in den Süden der Sahara und legt rund 4.000 Kilometer zurück. Weite Strecken lang lässt er sich dabei vom Wind tragen. Erst im Frühjahr kehrt er zurück nach Europa. Wie sein Name verrät, mag der orange und schwarz gefleckte Falter vor allem Disteln und ist damit im Süden von Spanien genau richtig.
Das sind nur einige der Schmetterlinge, die sich auf der Burg von Lorca blicken lassen. „Oben auf der Festung steht eine Informationstafel, auf der alle Falter beschrieben sind, die man beobachten kann“, erklärt Yeray Monasterio. Auf Fotos kann der Besucher nachsehen, ob gerade ein Schwalbenschwanz, ein Admiral, ein Gelbes Posthörnchen oder ein Kleiner Kohlweißling an ihm vorbeigeflattert ist.
Oasen für Schmetterlinge gibt es nicht nur in Lorca. Auch in Crevillent in Alicante, in Níjar in Almería und an der Küste von Málaga haben die Rathäuser Oasen geschaffen. „Das Projekt richtet sich nicht nur an Rathäuser, Schulen und öffentliche Einrichtungen, auch Privatpersonen aus ganz Spanien können etwas Konkretes tun, um Schmetterlinge zu schützen“, sagt Yeray Monasterio.
Die Initiative besteht darin, heimische Pflanzen im Garten anzubauen, die Schmetterlinge mögen. „Die Pflanzen müssen von den Faltern und anderen Bestäuber-Insekten als solche erkannt werden“, erklärt der Biologe. „Exotische Gewächse erkennt der Schmetterling nicht als Nahrungsquelle und lässt ihren Nektar auf der Futtersu
Auf der Burg von Lorca treffen sich die paarungswilligen Falter
che links liegen.“Bei der Auswahl der Pflanzen ist einiges zu beachten. So legt das SchmetterlingsWeibchen seine Eier nur an einer bestimmten Pflanze ab, deren Blätter der Raupe später als Nahrung dienen. Im Fall des Iberischen Segelfalters sind das unter anderem die Blätter von Mandel-, Aprikosenoder Pfirsichbäumen.
Die Raupe schlüpft nach ungefähr einer Woche aus dem Ei und beginnt sofort zu fressen. Sie vertilgt das Mehrfache ihres Körpergewichtes und häutet sich, wenn es ihr zu eng wird. Nach ein paar Wochen erreicht die Raupe das nächste Stadium und verpuppt sich. Dazu spinnt die Raupe des Schwalbenschwanzes zum Beispiel einen Faden, den sie sich wie einen Gürtel um den Körper legt. Nach weiteren Wochen oder Monaten je nach Schmetterlingsart ist die Metamorphose beendet und aus der Puppe schlüpft der erwachsene Falter. Die meisten werden um die 15 Tage alt. „Manche Arten leben auch bis zu einem ganzen Jahr“, sagt Yeray Monasterio, „aber nur, weil sie einen Winterschlaf halten. Dazu ziehen sie sich in verlassene Häuser oder in Baumstämme zurück.“
„Jede Schmetterlingsart ernährt sich vom Nektar einer anderen Pflanze.“Während der Segelfalter auf Lavendel steht, der Wüstenweißling auf Kapern und der Weißling mit den orangefarbenen Flügelspitzen auf Rosmarin, hat der Distelfalter es auf die Blüten von stacheligen Pflanzen abgesehen. Der Schwalbenschwanz ist dagegen weniger wählerisch. Um die Falter auf die Burg von Lorca zu locken, wurden unter anderem Steineiche, Rosmarin, Efeu, Wilde Pistazie, Französischer Lavendel oder Seiden-Backenklee angebaut.
Schmetterlinge sind nicht nur schöne und angenehme Flatterer, die ihren Betrachtern gefallen, sie
sind darüber hinaus bedeutende Bioindikatoren, Blütenbestäuber und Nahrungsquelle. „Die Schmetterlinge spielen eine fundamentale Rolle bei der Bestäubung“, sagt Yeray Monasterio, „weil sie sehr eng an nur wenige Pflanzenarten gebunden sind.“In manche Blütenhälse passt nur ein bestimmter Saugrüssel, sodass Falter und Pflanze voneinander abhängig sind.
Eine weitere besondere Eigenschaft macht sie zu Bioindikatoren.
„Die meisten Schmetterlingsarten leben nur an einem Ort, vom dem sie sich niemals wegbewegen, mit Ausnahme des Wanderfalters, wie der Distelfalter.“Gerät das Ökosystem an diesem Ort aus dem Gleichgewicht, verschwindet der Schmetterling von der Bildfläche. „Er ist nicht in der Lage, sich an Veränderungen anzupassen.“Ein Mangel an Faltern in einem Gebiet deutet auf ein geschädigtes Ökosystem.
Schmetterlinge stehen zudem auf dem Speiseplan von vielen anderen Tieren. „Als Ei sind sie Futter für bestimmte Raubtiere, als Raupe für andere Tiere und als Schmetterling für wieder andere Tiere.“Die Falter sind eine bedeutende Nahrungsquelle. Allein auf der Iberischen Halbinsel sind über 7.000 Schmetterlingsarten registriert. Da macht es vermutlich nicht so viel aus, wenn eine Fledermaus pro Jahr ein paar Millionen Raupen frisst.
Die größte Bedrohung für Falter und andere Insekten ist die Zerstörung ihrer Lebensräume. Das bekommt vor allem der WiesenSchmetterling zu spüren. „Der Bestand dieser Art ist dramatisch geschrumpft“, sagt Yeray Monasterio. „In den vergangenen 20 Jahren ist die Population in Europa um 30 Prozent gesunken.“
Das gilt auch für Spanien. „Es gibt immer weniger Schafherden und Weiden. Statt Gras wachsen Bäume auf den Feldern. Doch mit den Wiesen verschwinden auch die Schmetterlinge.“Die Organisation Zerynthia führt gemeinsam
mit der Butterfly Conservations Europe Studien durch, um festzustellen welche Schmetterlingsarten in welchen Gebieten bedroht sind und wie sie geschützt werden können. Eine Maßnahme ist das Projekt Microreservas. „Wir vereinbaren mit den Besitzern der Grundstücke, auf denen seltene und bedrohte Falterarten leben, zum Beispiel überlebenswichtige Pflanzen für Schmetterlinge zu schützen.
Spektakulärer Isabellaspinner
Zu den seltenen und geschützten Exemplaren gehört auch Monasterios Lieblingsfalter. Es ist der Isabellaspinner. Aufgrund seiner Größe, der grünen Färbung und den Schwänzen an den Hinterflügeln
gilt er als unverwechselbar. Für den Schmetterlingsfreund ist es der schönste Falter Europas. „Es gibt den Isabellspinner nur auf der Iberischen Halbinsel und in einem kleinen Ort im Grenzgebiet zwischen Frankreich und der Schweiz“, erklärt Monasterios.
Der grüne Falter besiedelt Kieferwälder und ist ebenfalls in der Region Murcia in der Sierra de Segura zu Hause. Er ruht auf Stämmen und kleinen Ästen nahe am Waldboden. Der Beobachter muss sich ein wenig anstrengen, denn der Isabellaspinner tarnt sich gut.
2016 wurde er von Zerynthia zum Schmetterling des Jahres gewählt. „Spektakulär“, sagt Yeray Monasterio.
Wundersame Wandlung vom Ei, zur Raupe, zur Puppe, zum Falter