Verstummendes Summen
Wildbienen als erstklassige Bestäuberinnen: Um ihnen die Arbeit zu erleichtern, sollen sie Blumenkorridore bekommen
Murcia – sg. Die Wildbiene hat es nicht leicht. Ihr wird systematisch der Lebensraum entzogen. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Eine intensive Landwirtschaft und Monokulturen verursachen Pflanzenplagen in den Anbaugebieten, die den Einsatz von Pestiziden erfordern. Durch den Klimawandel halten immer mehr exotische Invasoren Einzug, wie die aggressive Asiatische Hornisse, die zufällig eingeschleppt wurde. Bisher hat die Biene noch kein Mittel gefunden, um sich gegen den fünf Mal so großen Eindringling zu wehren.
„Zum Glück bevorzugt die Hornisse eine feuchte Umgebungen und hat den Süden Spaniens noch nicht erreicht“, sagt Jorge Sánchez Balibrea. Der Biologe engagiert sich seit vielen Jahren bei der Umweltorganisation Anse in der Region Murcia. Sorgen bereiten ihm jedoch die unsichtbaren Invasoren, wie zum Beispiel Milben, die Krankheiten mitbringen und auf die heimischen Bienen übertragen, die sich gegenseitig und andere Bestäuber-Insekten anstecken können.
1.000 Bienenarten
Wie genau es um die Bienen in Spanien steht, kann niemand mit Sicherheit sagen. „Wir verfügen noch über keine konkreten Daten“, sagt Jorge Sánchez. Dabei sind in Spanien über 1.000 verschiedene Bienenarten registriert, 80 Prozent sind Wildbienen, der Rest Honigbienen. „Wenn wir die Ergebnisse der zahlreichen Studien im Norden von Europa auf Spanien extrapolieren, stellen wir auch hier einen Rückgang der Bestände fest.“
Um den Bienen Schutz zu bieten, hat Anse in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium in Madrid ein Projekt für die Bestäuber gestartet. „Die Initiative besteht darin, grüne Korridore einzurichten, in denen sich die Insekten bewegen können und Nahrungsquellen vorfinden“, erklärt Jorge Sánchez. „Man kann sich solche Korridore wie Streifen voller Blumen vorstellen, die fünf, zehn oder 20 Kilometer lang sind, linienförmig verlaufen oder in Form von Inseln eingerichtet werden, je nach Beschaffenheit des Geländes, auf dem sie entstehen sollen.“
Auf diese Weise könnten mehrere separate landwirtschaftlichen Betriebe miteinander verbunden werden, die nicht mehr als fünf Kilometer voneinander entfernt liegen. „Die Bienen finden auf ihrem Weg von Acker zu Acker dann ideale Bedingungen vor mit einem reichhaltigen Futterangebot in Form ihrer Lieblingsblumen und mit der Möglichkeit, Nistplätze zu bauen.“
Die Pflanzen, an denen sich die Bienen bedienen sollen, müssen lange Zeit und vor allem im Sommer
Die Wildbiene ist aktiver als die Honigbiene und fliegt bei jedem Wetter
blühen. „Ausgerechnet in den Monaten Juni bis August, wenn es die meisten Bienen gibt, blühen in der Mittelmeerregion die wenigsten Pflanzen“, gibt Jorge Sánchez zu bedenken. Kandidaten sind zum Beispiel die heimischen Andorn und Meerfenchel.
Die krautigen Pflanzen kommen mit trockenen Böden klar und stehen im Sommer in voller Blüte. Vom Meerfenchel hat nicht nur die Biene etwas. Die Blätter können in Essig eingelegt und als Salatbeilage oder Gewürz genutzt werden.
Zudem sollen die Wildbienen, die anders als die Honigbiene, nicht in Völkern zusammenleben, sondern als Einzelkämpfer unterwegs sind, in den Korridoren Nistplätze vorfinden zum Beispiel in Form von morschem Holz mit Hohlräumen oder offenen Bodenstellen, damit sie Gänge in den Sand graben können, um Brutzellen anzulegen.
Im Vergleich zur Honigbiene, die von ihrem Imker anhängig ist, ist die Wildbiene die bessere Bestäuberin. „Sie sind sehr viel aktiver und fliegen auch bei schlechtem Wetter von Blüte zu Blüte. Dabei steuern sie viele verschiedene Pflanzen an und sorgen dafür, dass der Pollen weit verbreitet wird“, sagt Jorge Sánchez. Sie kommen mit ihren langen Rüsseln an Nektar, der für die Honigbiene nicht erreichbar ist. „Die Honigbiene steuert dagegen immer dieselben Blumen an und saugt den Nektar bis auf den letzten Tropfen aus der Blüte.“
Das Projekt „Korridore für Bienen“richtet sich nicht nur an Landwirte, die ökologischen Anbau betreiben, sondern auch an Imker, die in der Umgebung ihrer Bienenstöcke Korridore anlegen und ihren Tieren somit eine ergiebige Nahrungsquelle bieten. Anse steht ebenfalls mit mehreren Rathäusern in Kontakt, die Parks und Grünanlagen zur Verfügung stellen. Derzeit werden die passenden Pflanzen in Baumschulen gezüchtet. „Wir waren überrascht“, sagt Jorge Sánchez. „Ein so großes Interesse am Schutz der Bienen hätten wird nicht erwartet.“