Rettendes Organ
Dritte Auflage des Ratgebers „Sorgenfrei leben unter Spaniens Sonne“befasst sich auch mit dem Thema Organspende
Organspende ist in Deutschland zum großen politischen Thema geworden aus gutem Grund, denn das Land liegt im europäischen Vergleich mit Organtransplantationen weit zurück. Spanien hingegen ist Vorreiter bei der Organspende. Dort werden pro Million Einwohner 35 Organtransplantationen vorgenommen in Deutschland sind es gerade einmal 15 auf eine Million Einwohner. Doch was passiert, wenn in Spanien lebende Residenten selbst ein Spenderorgan benötigen? In seiner dritten Auflage des Ratgebers „Sorgenfrei leben unter Spaniens Sonne“befasst sich Dr. Rainer Fuchs auch mit diesem heiklen Thema.
Gegenwärtig gibt es großen Druck auf das spanische Transplantationssystem: Patienten aus vielen Ländern Mittel- und Nordeuropas bis hin nach Osteuropa möchten vom spanischen System profitieren. Die Ursachen für das Versagen der deutschen Gesundheitspolitik sind vielfältig. Zum einen gilt noch immer die ausdrückliche Zustimmung eines Spenders mit dem Spenderausweis als Voraussetzung der Organentnahme. Die Widerspruchslösung, die in Deutschland noch kontrovers diskutiert wird, ist in Spanien seit langem Realität. Dabei wird in der deutschen Diskussion oft übersehen, dass auch in Spanien bei der Widerspruchslösung keine Organentnahme gegen den Willen der Angehörigen erfolgt, die den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen ausdrücken. Wichtiger als die Widerspruchslösung ist aber die Organisation des Systems mit Koordinatoren für Transplantationen in jedem wichtigen Krankenhaus und mit Transplantationsteams, die kurzfristig jedes Krankenhaus erreichen.
Die Organisation liegt in Spanien bei der Organización Nacional de Trasplantes (ONT). Sie gehört aus verständlichen Gründen weil sie der Spitzenreiter ist nicht der Europäischen Eurotransplant an, in der sich Deutschland mit den Benelux-Ländern, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn zusammengefunden hat. Spanien hat jedenfalls die weitaus kürzeren Wartezeiten für Organe. Während in Deutschland Dialysepatienten erst einmal sechs Jahre an der Dialyse verbringen müssen, bevor sie mit einer Transplantation rechnen können, klappt das in Spanien binnen Jahresfrist, oft sogar, bevor die Dialyse einsetzt. Organhandel ist aber verboten. TransplantationsTourismus ist in Europa aus guten Gründen unerwünscht und wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem Europarat kategorisch abgelehnt. Andererseits kann jeder EU-Bürger seinen Wohnsitz innerhalb der Europäischen Union frei wählen und darf dabei nicht gegenüber den Angehörigen des Gastlandes benachteiligt werden.
Was sind nun die Voraussetzungen, wenn Sie als Deutscher oder EU-Ausländer in Spanien leben und eine Transplantation benötigen? Die Bedingungen finden sich in den Regeln der ONT. Allgemeine Voraussetzungen sind:
Zunächst müssen Sie auf der Warteliste der ONT eingetragen sein. Das veranlassen Ihr privater oder staatlicher Arzt oder Ihre private oder staatliche Klinik in Spanien. Dabei wird auch gleich Ihre Priorität festgelegt; die höchste Stufe ist die „Dringlichkeit 0“.
Daneben gibt es territoriale Kriterien, die sicherstellen sollen, dass Organe möglichst in der Nähe des Entnahmeortes verpflanzt werden.
Das Transplantationsteam entscheidet innerhalb seiner Warteliste, welcher Patient für die Aufnahme des Organs am besten geeignet ist, nach klinischen Kriterien, Blutgruppenverträglichkeit und so weiter.
Nun zur Frage, ob auch deutsche oder ausländische Patienten versorgt werden können: Hier ist zu bedenken, dass es auch in Spanien noch Wartelisten gibt, ferner, dass es naheliegend ist, nationale Leistungen zuerst den eigenen Staatsangehörigen zu erbringen. Es kann jedenfalls nicht angehen, dass ohne Not ausländische Bürger zum Zweck der Transplantation nach Spanien reisen, nur weil das eigene Herkunftsland keine hinreichende und schnelle Versorgung bietet.
Andererseits leben wir in einem geeinten Europa mit Freizügigkeit und gleichen Rechten aller europäischer Bürger. So werden zur Zeit Kriterien im spanischen Gesundheitsministerium erarbeitet, die einen Ausgleich der Interessen finden sollen. Dabei ist die Rede davon, dass nur Einwanderer begünstigt werden sollen, die mindesten zwei Jahre in Spanien ihren Lebensmittelpunkt hatten. Das wäre allerdings mit Sicherheit ein Verstoß gegen europäisches Recht, das Ungleichbehandlung von EUBürgern und Spaniern verbietet.
Voraussetzung Wohnsitz
Gegenwärtig ist der Zugang zum Register der ONT jedoch noch großzügiger und nur beschränkt auf Menschen, die „ihren Wohnsitz rechtmäßig in unserem Land haben“, wie es auf der InternetSeite der ONT heißt. Das bedeutet im Klartext, dass zumindest das Empadronamiento, also der Eintrag ins Melderegister des spanischen Wohnorts, erwartet wird. Vermutlich sind darüber hinaus die Registrierung bei der Ausländerbehörde, das Registro und eine NIE erforderlich. Hier gibt es keine Klarheit. In Deutschland gesetzlich Versicherte, die ihren Lebensmittelpunkt weiter in Deutschland haben (Kurz- oder Langzeittouristen), sind nicht in das spanische Gesundheitssystem integriert, erhalten aber Leistungen unter Vor
lage ihrer Europäischen Gesundheitskarte EHIC. Nach den gegenwärtigen Statuten der ONT müsste dies genügen, denn es kommt nur auf den rechtmäßigen Wohnsitz in Spanien an. Vorstellbar ist aber, dass insoweit das spanische Gesundheitsministerium künftig strenger Regeln einführen könnte.
Gesetzlich krankenversicherte Deutsche, die auch ihren Lebensmittelpunkt in Spanien haben, den sie durch den Besitz der Tarjeta Sanitaria oder SIP-Karte nachweisen können, sind da aber auf der sicheren Seite. Sie müssen mit Spaniern gleichbehandelt werden. Dazu muss eine Ummeldung bei der deutschen gesetzlichen Krankenkasse mit dem E121- oder S1-Formular erfolgen, mit allen daraus sich sonst ergebenden Konsequenzen steuerlicher (unbeschränkte spanische Steuerpflicht) und sozialversicherungsrechtlicher Art (unter anderem keine Privatarzt-Abrechnungen mehr).
Gesetzlich Versicherte
Die Kosten der Transplantation einer Niere liegen zum Beispiel bei etwa 38.000 Euro. Sie werden für spanische gesetzlich Versicherte vom spanischen Gesundheitssystem getragen. Das gilt auch für Deutsche, die ihren Lebensmittelpunkt in Spanien haben und die Tarjeta Sanitaria oder SIP-Karte besitzen.
Kurz- und Langzeittouristen erhalten stationäre Leistungen in Spanien mit ihrer europäischen Gesundheitskarte (EHIC) nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer des Aufenthalts medizinisch notwendig sind (Artikel 19 der Verordnung 883/2004). Diese Entscheidung trifft das spanische Gesundheitssystem, also die jeweilige Klinik des Instituto Nacional de la Salud (Insalud), ohne die deutsche Kasse fragen zu müssen. Bei einer Transplantation wird die Klinik selten und nur im Notfall bereit sein, die Behandlung ohne Zustimmung der deutschen Krankenkasse zu übernehmen, weil sie sichergehen will, dass die Kosten von der deutschen Kasse auch erstattet werden.
Der regelmäßige Weg wird daher über die Zustimmung Ihrer deutschen gesetzlichen Krankenkasse führen. Dazu ist eine Bescheinigung nach dem Formular E112 oder S2 vorgesehen. Nach Artikel 20 der Verordnung 883/2004 muss die Genehmigung erteilt werden, wenn in Deutschland die „Behandlung (der Person) nicht innerhalb eines in Anbetracht ihres derzeitigen Gesundheitszustandes und des voraussichtlichen Verlaufs ihrer Krankheit medizinisch vertretbaren Zeitraums gewährt werden kann“. Das ist eine medizinisch nur im Einzelfall zu beurteilende Frage. Wird die Genehmigung erteilt, erfolgt die Transplantation für den Patienten kostenlos in einer staatlichen spanischen Klinik.
Alternativ kann auch der Weg der Kostenerstattung gewählt werden, was insbesondere interessant ist, wenn ein privates Krankenhaus die Transplantation übernehmen will. Die Krankenkasse muss die Behandlung vorher genehmigen. Dann müssen Sie allerdings in Vorleistung treten und erhalten die Kosten, die in Deutschland angefallen wären, abzüglich einer Verwaltungskostenpauschale nachher von Ihrer deutschen Krankenkasse erstattet. Die Voraussetzungen sind im Wesentlichen die gleichen wie beim Verfahren zuvor. Im Fall einer lebensnotwendigen Transplantation, die keinen Aufschub duldet und in Deutschland nicht rechtzeitig durchgeführt werden könnte, müsste die Kasse diese Genehmigung gemäß § 13 Absatz 5 SGB V erteilen. Allerdings ist die Frage der Rechtzeitigkeit so zu verstehen, dass allein die kürzere Wartezeit in Spanien noch kein Grund für die Genehmigung der Transplantation ist. Vielmehr muss aus medizinischen Gründen die frühzeitigere Behandlung unbedingt erforderlich sein.
Darf Ihre gesetzliche Krankenkasse Sie auf das Europäische Register Eurotransplant, dem Spanien nicht angehört, verweisen? Nein! Möglicherweise wird die Kasse dies aber versuchen. Sie wird sich dabei vielleicht auf die Patientenmobilitätsrichtlinie berufen. Diese Richtlinie gilt in der Tat ausdrücklich nicht für Organtransplantationen (Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 2011/24/EU). Das deutsche Recht, das bereits vor der Patientenmobilitätsrichtlinie bestanden hat, kann aber durchaus großzügiger sein, als die Europäische Patientenmobilitätsrichtlinie. Und so ist es: In § 13 Absatz 5 SGB V gibt es diese Einschränkung nicht, sodass unter der Voraussetzung der medizinischen Notwendigkeit die Genehmigung erteilt und die Kosten übernommen werden müssen.
Kosten für Privatpatienten
Für Privatpatienten dürfte es einfacher sein: Da sie nicht dem staatlichen spanischen Gesundheitssystem angehören können, kann jedenfalls nicht die Prozedur des E121- oder S1-Formulars und die Tarjeta Sanitaria/SIP-Karte gefordert werden. Es genügt daher ein Nachweis des Wohnsitzes in Spanien, also Empadronamiento und am besten auch Registro mit NIE.
Zu klären ist allerdings die Frage, in welchem Umfang ihre Privatversicherung die Kosten übernimmt. Dies hängt vom Versicherungsvertrag und gegebenenfalls dem guten Willen Ihrer Versicherung ab. Für Privatpatienten gibt es den Anspruch auf eine Kostenerstattung außer aus dem Versicherungsvertrag nur aus der Patientenmobilitätsrichtlinie. Und da sind, wie Sie gesehen haben, Organtransplantationen ausdrücklich ausgeschlossen. In einem Fall wurden die Kosten einer Nierentransplantation von der deutschen Privatversicherung zu 80 Prozent übernommen.
Ein EU-Bürger mit Wohnsitz darf nicht gegenüber Angehörigen des Gastlandes benachteiligt werden