Sozialer Einsatz
In Estepona steht eine Gruppe von freiwilligen Dolmetschern ausländischen Residenten in schwierigen Lebenslagen zur Seite
In Estepona gibt es freiwillige Dolmetscher, die ausländischen Residenten, die wenig oder kein Spanisch sprechen, beim Arztbesuch zur Seite stehen.
In allen Feriengebieten Spaniens ist die Situation ähnlich: Der ausländische Bevölkerungsanteil wächst. Deshalb bemühen sich viele Gemeinde- und Stadtverwaltungen, die Zugezogenen ins Alltagsleben zu integrieren. Sich in ihrer Wahlheimat zurechtzufinden, ist trotzdem nicht immer leicht für Menschen aus anderen Kulturkreisen. Mentalität und Lebensart sind fremd, die Sprache meist ein Buch mit sieben Siegeln. Über die Kultur und das menschliche Miteinander können Andalusien-Neulinge vielleicht mehr bei einem Glas Wein und einer Tapa lernen, auch die ersten spanischen Worte mögen dadurch beflügelt werden, aber in ernsteren Lebenssituationen müssen manche Residenten ernüchtert feststellen, dass die Sprache ihrer Wahlheimat sich zu einer großen Barriere auftürmen kann.
Das ist beispielsweise der Fall, wenn man selbst oder ein Familienmitglied krank wird und man nicht darum herumkommt, die heimischen Ärzte in den Gesundheitszentren oder Krankenhäusern zu Rate zu ziehen und sich von ihnen behandeln zu lassen.
Eine gewisse Hilflosigkeit
In solchen Momenten, in denen ein Mensch sogar in der eigenen Heimat Hilflosigkeit fühlt, kann sich der Traum vom Leben im südlichen Paradies aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse schnell in einen Albtraum verwandeln. Eine Erfahrung, die viele Ausländer bereits machen mussten.
David Milne Gordon ist Brite, lebt seit über 20 Jahren in seiner Wahlheimat Estepona, ist gut integriert, der spanischen Sprache mächtig und hat obendrein eine soziale Ader. Er ist derjenige, der in Estepona eine Gruppe von Freiwilligen koordiniert, die anderen Ausländern in derart schwierigen Lebenslagen zur Seite stehen. Seit 1999 engagiert er sich in der Initiative „Interpreters voluntarios“, die schon vor etwa dreißig Jahren von einer belgischen Mitarbeiterin der Stadtverwaltung ins Leben gerufen wurde und heute unter den Fittichen der Residentenabteilung steht. Er und seine Mitstreiter leisten freiwilligen Übersetzungsdienst in den Gesundheitszentren der Stadt und begleiten Ausländer bei ihren Arztterminen. Ein Dolmetscher-Service, der für die Betroffenen ungemein wichtig sein kann und schon vielen Menschen geholfen hat.
„Im Laufe des vergangenen Jahres haben unsere freiwilligen Dolmetscher in den städtischen Gesundheitszentren mehr als 1.500 ausländische Mitbürger betreut“, informiert Aleksandra Broch von der Abteilung für ausländische Residenten im Rathaus Estepona. Vor allem englische Mitbürger würden den Service der freiwilligen Dolmetscher in Anspruch nehmen, aber 2018 sei auch die Anzahl der französischen Übersetzungsdienste gestiegen.
Dass vor allem seine britischen Landsleute die Hilfe in Anspruch nehmen, kann David Milne Gordon bestätigen. „Momentan sind wir zu acht, wir sprechen Englisch, Französisch, Italienisch, Deutsch und selbstverständlich Spanisch“, erzählt er. Ihre Zeit und ihre Sprachkenntnisse stellen die Freiwilligen in den Gesundheitszentren La Lobilla und Juan Carlos I. zur Verfügung, jeder ist einem bestimmten Centro de Salud zugeteilt
Die freiwilligen Übersetzer leisten ihre Arbeit in den Gesundheitszentren
und einmal wöchentlich zu festgelegten Zeiten im Einsatz. Die Mitarbeiter dieser Zentren würden sich bemühen, die Termine ausländischer Residenten entsprechend zu vereinbaren. Aber natürlich kann es auch passieren, dass die engagierten Dolmetscher in einem Notfall helfen können.
Rosmarie García Galán, die spanische Wurzeln hat, aber in der Schweiz aufgewachsen ist, mehrere Sprachen spricht und in Estepona eine eigene Immobilienagentur betreibt, ist beispielsweise immer donnerstags von 10 bis 13 Uhr im Gesundheitszentrum La Lobilla tätig. Vor drei Jahren hat sie sich der kleinen Gruppe der freiwilligen Übersetzer angeschlossen. Sich sozial zu engagieren, ist für sie eine Herzenssache,. Dafür nimmt sie sich einen ganzen Vormittag frei. „Auch meine Eltern waren sehr sozial eingestellt, sie haben mir diese Werte in meiner Kindheit mit auf den Weg gegeben“, sagt sie. Die Dankbarkeit, die die meisten Patienten zeigen würden, sei ausreichende Belohnung für ihre Bemühungen. „Manche haben mir schon gesagt, ich sei ihr Engel“, berichtet die 46-Jährige.
Menschen mit sozialer Ader
Die Britinnen Mary Ramallo und Anita Wilkinson haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Wilkinson ist seit elf Jahren dabei und Ramallo gehört wie Gordon Milne zu den Veteranen des Freiwilligentrupps. Nebenbei engagiert sie sich beim Roten Kreuz. Jedes Mitglied der Gruppe kann Positives über die Arbeit in den Gesundheitszentren berichten. Es ist sogar passiert, dass sie Menschenleben retten konnten. Doch alle Übersetzer konnten in den Jahren ihres sozialen Engagements auch noch ein anderes Phänomen ausmachen: „Manche Leute sind schwierig und sehr fordernd“, verrät Gordon Milne, „sie finden es selbstverständlich, dass es in spanischen Gesundheitszentren Übersetzer für sie gibt“. Das sei sehr schwer nachvollziehbar, finden alle, denn in britischen, französischen oder deutschen Gesundheitszentren gebe es schließlich auch keine spanischen Übersetzer.
Jeder der Anwesenden kann einige Anekdoten zum Thema beitragen, die nicht gerade das beste Bild von der Mentalität und Geisteshaltung einiger ausländischer Residenten zeichnen. Manchmal, wenn die Geduld zu sehr strapaziert werde, sei man schon versucht, dem unhöflichen Gegenüber zu raten, doch besser im eigenen Land zu bleiben, geben die freiwilligen Übersetzer zu.
Die Ärzte sind sehr dankbar
Doch die meisten Menschen schätzen die Arbeit der Dolmetscher, und auch Ärzte und Pflegepersonal sind sehr dankbar. Einige Ärzte würden zwar Englisch sprechen, aber in speziellen Situationen und bei Notfällen stünden sowohl Patienten als auch Ärzte unter großem Druck und seien nervös, sagt Milne Gordon. In sollen Fällen könnten sie beruhigend einwirken und für mehr Klarheit sorgen. Dies gilt auch bei der Verschreibung oder der Änderung der Medikamente, die manchmal eine lebenswichtige Funktion haben. In diesen Momenten übernehmen die Übersetzer von Estepona eine verantwortungsvolle Aufgabe.
„Ich stelle mir einfach vor, wie ich mich fühlen würde, wenn ich ernsthaft krank und in einem fremden Land wäre, dessen Sprache ich nicht beherrsche. Ich wäre sehr glücklich und froh, wenn mir jemand, der meine Sprache spricht, in dieser Situation zur Seite stehen würde“, bringt es Anita Wilkinson auf den Punkt. Eine Einstellung, die ihre Mitstreiter seit vielen Jahren teilen.
Die Gruppe der freiwilligen Dolmetscher in Estepona freut sich immer über neue Mitglieder. Menschen aller Nationalitäten sind willkommen, aber Englisch und Spanisch sind die Sprachen, die in den Gesundheitszentren am meisten benötigt werden. Wer Zeit hat, sich sozial einbringen und etwas Gutes tun möchte, kann sich gerne an den Koordinator der Gruppe, David Milne Gordon, wenden. E-Mail: milnegordon@hotmail.es