Flucht vor dem Lärm der Osterwoche
Literaturnobelpreisträger Peter Handke unterhält innige Beziehung zu Spanien
Madrid – ck. Die Verleihung des Literaturnobelpreises 2019 an den Österreicher Peter Handke hat Spanien nicht gleichgültig gelassen. Alle Zeitungen feierten die Auszeichnung mit langen Artikeln über die Beziehung Handkes zu Spanien. Und die ist beachtlich.
Von Beginn an galt er südwestlich der Pyrenäen als einflussreicher Schriftsteller und Dramaturg. Wie die Verlegerin und Übersetzerin Cecilia Dreymüller in „El País“berichtet, wurden Handkes Theaterstücke schon Anfang der 70er Jahre in Barcelona aufgeführt und sorgten für Furore. Sein Drehbuch für Wim Wenders „Himmel über Berlin“1987 hatte einen „ungeheuren Erfolg in Spanien und machte ihn zum Kultautor“.
100 Titel in allen Sprachen Spaniens finden sich im Katalog der Staatsbibliothek in Madrid. Zwischen 1996 und 2011 fiel Handke wegen seiner umstrittenen Verteidigung Serbiens im Balkankrieg in Ungnade. In den vergangenen Jahren haben allerdings mehrere Verlage wieder sein Werk auf Spanisch veröffentlicht.
Der 1942 in Kärnten geborene Handke verbrachte Wochen und Monate in Spanien. Er wanderte durch das menschenleere Land, das er liebte, und schrieb in Cuenca, Soria, Toro und Linares an seinen Büchern. Burgos, Ávila und Zamora sind grundlegende Elemente seiner Literatur geworden. „Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos“(2002) erzählt die Bildungs- und Entwicklungsreise einer Finanzmagnatin durch diese unberührte Bergkette.
„Drei Versuche. Versuch über die Müdigkeit. Versuch über die Jukebox. Versuch über den geglückten Tag“(1992) handelt von spanischen Eindrücken, von seinem Aufenthalt in Soria und seiner überraschenden Begeisterung für den Außenseiter Club Deportivo Numancia, wie die Zeitung „ABC“schmunzelt. In Soria erinnert man sich an den dünnen Spaziergänger, „mit dem Blick eines Ausländers und Aussehen eines Hippies“, der 1989 einen Monat in „der stillsten Stadt der Iberischen Halbinsel“verbrachte. Sein Theaterstück „Die schönen Tage von Aranjuez“verfilmte Wim Wenders 2016.
Die Mystiker San Juan de la Cruz und Teresa de Ávila, Miguel de Cervantes, die Philosophin María Zambrano und der Lyriker Antonio Machado inspirierten ihn. Er las die Texte mit Hilfe eines Wörterbuchs auf Spanisch. Auch den „Don Quijote“.
Bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde im Mai 2017 an der Universität in Alcalá de Henares hielt Handke seine Dankesrede in der Sprache Cervantes’. Und erzählte, wie er 1972 seinen ersten und einzigen Stierkampf in Valencia und den Stier sterben sah. „Fast zwanzig Jahre später in Linares, Nordandalusien, die Stadt, in der Manolete starb, Manuel Rodríguez Sánchez, der zarte oder schlanke Torero, getötet von einem Stier, einem anderen, und ich, geflohen vor dem Lärm der Osterwoche, fern der Stadt in der Savanne, im Schatten eines vereinzelten Baums sitzend, in meiner Erinnerung ein Eukalyptus, gelehnt an die Ruinen der Bleiminen von Linares, die nach Jahrzehnten verlassen worden waren, schreibend, bloß mit Hilfe von Bleistiften und Bleistiftspitzern und dem Wind der Savanne, einen Versuch über die Müdigkeit, und plötzlich fragt eine Polizeipatrouille: Was machen Sie hier?, und meine Antwort: Ich schreibe, und da dieses Wort nicht genug scheint, füge ich hinzu: Ich bin Journalist! – das erste und einzige Mal, dass ich diese Lüge verwende – und die Lüge tut ihr Werk: Gute Arbeit guten Tag!“.
Gut gearbeitet hat Handke an vielen Orten, aber die Mancha hat es ihm besonders angetan. „Es ist eine Rückkehr zur Langsamkeit, eine Wertschätzung der kleinen Dinge und des Nächsten. Es ist fast religiös“, was der Autor dort erlebt, so die Verlegerin Dreymüller in der Online-Zeitung „eldiario.es“.
„Es ist eine Rückkehr zur Langsamkeit, eine Wertschätzung der kleinen Dinge und des Nächsten“