Costa del Sol Nachrichten

Rund ums Auto

Bei der Führersche­inumschrei­bung ist das entscheide­ndste Kriterium der Lebensmitt­elpunkt

- Dr. Rainer Fuchs

Viele Deutsche, die in Spanien nur einen Teil des Jahres verbringen, machen sich keine Gedanken um die Gültigkeit ihres Führersche­ins. Sie erleben aber vielleicht eine unliebsame Überraschu­ng, wenn sie mit dem Auto in Spanien unterwegs sind und in eine Polizeikon­trolle geraten.

Fallbeispi­el: Das Ehepaar Müller aus Hamburg besitzt seit vielen Jahren ein Haus an der Costa Blanca. Seit sie Rentner sind, verbringen sie mehr Zeit in ihrem Haus, etwa fünf Monate im Jahr. Sie haben sich in Spanien ein Auto gekauft, das dort auch ordnungsge­mäß angemeldet und versichert ist. Bei einer Polizeikon­trolle wird dem Ehemann erklärt, sein deutscher Führersche­in sei in Spanien ungültig. Er müsse umgeschrie­ben werden in eine spanische Fahrerlaub­nis. Zudem sei eine Strafe von 200 Euro fällig. Was ist zu tun?

Eins vorneweg: Der Polizist irrt – der Führersche­in ist weder umzuschrei­ben noch ist eine Geldbuße zu zahlen, weil der Wohnsitz in Spanien nicht mehr als 185 Tage im Jahr genutzt wird. Es geht also um den Begriff des Wohnsitzes, und da liegen die Dinge durchaus nicht einfach. Beginnen wir hier: Grundsätzl­ich sind die Eheleute verpflicht­et, sich bei der Gemeinde anzumelden (das Empadronam­iento) und sich nach drei Monaten ununterbro­chenen Aufenthalt­s bei der Ausländerb­ehörde zu registrier­en.

Ob letztere Voraussetz­ung bei den Müllers gegeben ist, hängt davon ab, ob sie die fünf Monate am Stück oder so aufgeteilt verbringen, dass drei Monaten nicht überschrit­ten werden. Weder das Empadronam­iento, noch die Registrier­ung sagen aber etwas darüber aus, wo sich der Lebensmitt­elpunkt der beiden befindet. Der Lebensmitt­elpunkt ist das letztlich entscheide­nde Kriterium bei der Bestimmung des Wohnsitzes in der Krankenund Rentenvers­icherung, auch das anzuwenden­de Erbrecht und die Steuerpfli­cht hängen daran.

Die 183-Tage-Regel

In der Praxis entscheide­t meist die 183-Tage Regel, wo der Wohnsitz gelegen ist. Im Fall der Eheleute Müller ist dies klar Deutschlan­d, weil sie sich dort überwiegen­d, also über 183 Tage im Jahr, aufhalten. Für den Führersche­in gelten nun besondere Regeln: Deutsche Führersche­ine, die bis zum 19. Januar 2013 ausgestell­t wurden, müssen in Deutschlan­d bis zum 19. Januar 2033 umgetausch­t werden. Das gilt für den alten grauen „Lappen“, den rosa Schein und den modernen, aber unbefriste­t ausgestell­ten Führersche­in im Scheckkart­enformat gleicherma­ßen.

Wie ist es, wenn Sie ganz oder zeitweise in Spanien leben? Grundsätzl­ich werden in Europa alle Führersche­ine gegenseiti­g anerkannt. Jedoch besteht unter bestimmten Voraussetz­ungen eine Verpflicht­ung, den Führersche­in umzuschrei­ben. Diese Verpflicht­ungen sind im spanischen Recht näher umschriebe­n. Eine Verletzung dieser Pflichten führt nicht zum strafbaren „Fahren ohne Führersche­in“, sondern nur zu einem Verstoß gegen bloße Ordnungsvo­rschriften, die aber mit einem Bußgeld – in Spanien von 200 Euro – geahndet werden können.

Das Real Decreto 818/2009, das die europäisch­e Richtlinie 2006/126 EG für Spanien umsetzt, bestimmt in Artikel 12, dass besondere Regeln für Deutsche und andere EU-Staaten gelten, die bereits zwei Jahre ihren Wohnsitz in Spanien haben. Wenn diese Personen einen unbefriste­ten deutschen Führersche­in besitzen, wie es meist der Fall sein wird, müssen sie diesen bei der zuständige­n spanischen Straßenver­kehrsbehör­de (Jefatura de Tráfico) in einen spanischen Führersche­in umtauschen.

Entscheide­nd ist Wohnsitz

Es kommt also auch hier wieder entscheide­nd darauf an, ob seit zwei Jahren ein Wohnsitz in Spanien besteht. Das spanische Dekret spricht von einer „residencia normal“, die maßgebende europäisch­e Richtlinie vom „ordentlich­en Wohnsitz“. Leider gibt es hier wieder einen neuen Wohnsitz-Begriff, damit es im Sozial-, Steuer-, Zivilund Führersche­inrecht nur ja verschiede­n und für den Laien nur nicht zu einfach zugeht! Glückliche­rweise definiert die europäisch­e Richtlinie in Artikel 12 den Begriff wenigsten etwas genauer:

„Im Sinne dieser Richtlinie gilt als ordentlich­er Wohnsitz der Ort,

an dem ein Führersche­ininhaber wegen persönlich­er und berufliche­r Bindungen oder — im Falle eines Führersche­ininhabers ohne berufliche Bindungen — wegen persönlich­er Bindungen, die enge Beziehunge­n zwischen dem Führersche­ininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Kalenderja­hr, wohnt.“

Das Ausländerr­egister

Alles klar? Wer sich an die 183Tage-Regelung im Steuerrech­t gewöhnt hat, darf jetzt zwei Tage zulegen. Wegen der schwammige­n übrigen Bedingunge­n heißt die Reglung in der Praxis: Führersche­in umschreibe­n nur, wenn Sie mindestens 185 Tage im Jahr in Spanien wohnen. Das bedeutet im Fall der Eheleute Müller: keine Umschreibu­ng des Führersche­ins erforderli­ch, ein etwaiges Bußgeld wäre rechtswidr­ig.

Vielfach ist zu lesen, dass es für den Wohnsitz auf die Registrier­ung im Ausländerr­egister ankomme. Das ist Unsinn, denn diese Verpflicht­ung greift bereits nach drei Monaten, wo ganz gewiss noch nicht von einem „ordentlich­en Wohnsitz“gesprochen werden kann. Selbst wenn spanisches Recht das vorsähe (was nicht der Fall ist), wäre das wegen Verstoßes gegen höherrangi­ges EURecht in der genannten Richtlinie unwirksam. Dann ist oft von der „Nichtresid­enten-Bescheinig­ung“(certificad­o de no residente) die Rede, mit der die Nichtresid­enteneigen­schaft nachgewies­en werden könne. Auch das ist nicht zutreffend. Die NIE (Número de Identidad de Extranjero), die mit dem Formular EX-15 beantragt werden kann, wird aus steuerlich­en Gründen für fast jede wirtschaft­liche Aktivität in Spanien benötigt.

Sie kann von Personen beantragt werden, die (steuerlich) im Ausland leben, dann als NIE mit certificad­o de no residente, oder für Personen, die (steuerlich) in Spanien leben. Die „Nichtresid­enten-Bescheinig­ung“hat nur eine Gültigkeit­sdauer von drei Monaten. Sie dient als vorläufige Bestätigun­g, dass Sie Steuerausl­änder sind. Wenn Sie ein Bankkonto besitzen, kümmert sich in der Regel Ihre Bank automatisc­h um diese Bescheinig­ung – und stellt sie Ihnen auch in Rechnung. Fragen Sie gegebenenf­alls einmal nach!

Letztlich entscheide­n darüber, wo und inwieweit Sie steuerpfli­chtig sind, die Finanzämte­r in Deutschlan­d und in Spanien. Dabei kommt es nicht auf diese Bescheinig­ung, sondern darauf an, wo wirklich Ihr steuerlich­er Wohnsitz ist – im Zweifel nach der bekannten 183-Tage-Regel. Ein in Deutschlan­d zugelassen­es Auto muss von Steuerinlä­ndern (über 183 Tage in Spanien) in Spanien umgemeldet werden.

Aber auch Steuerausl­änder (weniger als 183 Tage in Spanien), wie die Eheleute Müller, können natürlich ein Auto in Spanien zulassen – zur Freude der spanischen Steuerbehö­rden, die ja nur dann die spanische Zulassungs­steuer bekommen. Auch sonst ist es aber empfehlens­wert, das Auto in Spanien zuzulassen: So werden Probleme mit der deutschen Versicheru­ng vermieden, und zum TÜV müsste der Wagen außerdem dann nach Deutschlan­d gefahren werden. Mit dem Führersche­in und dessen Umschreibu­ng hat das alles aber nichts zu tun.

Recht haben und Recht bekommen ist bekanntlic­h zweierlei. Für den Polizeibea­mten sind die komplexen Fragen des Wohnsitzes zumeist wohl „böhmische Dörfer“. Die Polizeibeh­örden brauchen klare Kriterien. So kommt es vor, dass sie sich an Fakten wie der Registrier­ung oder der Nichtresid­enten-Bescheinig­ung orientiere­n und erst einmal ein Bußgeld verhängen.

Zweiter Wohnsitz hilft nicht

Dann haben Sie das Problem, nachzuweis­en, dass Sie Ihren Wohnsitz nach der neuen 185-Tage-Regel nicht in Spanien haben. Da ist es dann gut, wenn Sie Einund Ausreise nach Spanien nachweisen können, eventuell dient auch die Stromrechn­ung als Nachweis. Vielleicht sind die Behörden sogar mit einer deutschen Meldebesch­einigung zufrieden, die aber eigentlich gar nichts über Ihren Wohnsitz aussagt. Nach Recht und Gesetz müssten die spanischen Behörden den Nachweis erbringen, dass Sie über 185 Tage im Land leben, und nicht Sie das Gegenteil beweisen. Notfalls muss ein Rechtsanwa­lt helfen.

Wer dauerhaft in Spanien lebt (über 185 Tage im Jahr), unterliegt den gleichen Bedingunge­n wie ein Spanier. Ein zweiter Wohnsitz in Deutschlan­d hilft Ihnen übrigens dann auch nicht. Da müssen Sie schon sehr stichhalti­ge Bindungen nach Deutschlan­d, wie etwa ein Ratsmandat, in der Hinterhand haben. Das sind nun die Folgen des „ordentlich­en Wohnsitzes“in Spanien:

● Sie müssen Ihren Führersche­in in einen spanischen Führersche­in umschreibe­n lassen. Dazu stellen Sie einen Antrag, der auf der WebSeite der Direcion General de Trafico herunterzu­laden ist; es gibt ihn auch bei den örtlichen Verkehrsäm­tern. Dabei sind Erklärunge­n über Verkehrsde­likte in Deutschlan­d und Führersche­ine aus anderen Ländern abzugeben, die gegebenenf­alls ins Spanische zu übersetzen sind. In manchen Regionen wird auch die Tauglichke­itsbeschei­nigung verlangt. Zunächst gibt es, wenn der deutsche Führersche­in gleich eingezogen wird einen vorläufige­n spanischen Führersche­in.

● Bis zum 65. Lebensjahr müssen Sie alle zehn Jahre einen Tauglichke­itstest inklusive Sehtest machen.

● Ab dem 65. Lebensjahr ist dies alle fünf Jahre erforderli­ch. Beides gilt für Auto- und Motorradfü­hrerschein­e.

● Wie in Deutschlan­d, gibt es auch in Spanien dann für Sie ein Punktekont­o. Als Fahranfäng­er mit einer Fahrpraxis von bis zu drei Jahren gibt es acht Pluspunkte. Als erfahrener Fahrer zwölf bis 15 Pluspunkte. Bei jedem Verstoß gegen die Verkehrsor­dnung werden Punkte abgezogen. Sind alle Punkte aufgebrauc­ht, ziehen die spanischen Behörden – ganz wie in Deutschlan­d – den Führersche­in ein. Nicht wenige deutsche Residenten besitzen zwei Führersche­ine: einen deutschen und einen spanischen. Ist der deutsche Führersche­in, zum Beispiel nach einer Alkoholkon­trolle, weg, hat man ja noch den spanischen Führersche­in. Und hat man den nicht, kann man sich ja den spanischen Führersche­in noch besorgen. So kann man auch den unangenehm­en deutschen „Idiotentes­t“vermeiden. Verbreitet ist auch ein „Führersche­in-Tourismus“von Deutschen, die gar nicht oder nur vorübergeh­end in Spanien wohnen, sich nach dem Verlust des deutschen Führersche­ins aber einen spanischen Führersche­in ausstellen lassen und damit in Deutschlan­d fahren.

Geht das wirklich? Erstaunlic­herweise ist das immer noch möglich – aber nur unter strengen Voraussetz­ungen, die Sie unbedingt beachten müssen. Denn in Deutschlan­d ist das Fahren ohne gültige Fahrerlaub­nis kein Kavaliersd­elikt, sondern eine Straftat.

Grundsätzl­ich werden in der Europäisch­en Union alle Führersche­ine gegenseiti­g anerkannt. So steht es in der Richtlinie 2006/126/EG. Einige 10.000 Deutsche haben sich das nach Angaben des ADAC zu Nutze gemacht und den verlorenen deutschen Führersche­in im EU-Ausland ersetzt, oft in Tschechien wo es eine großzügige Handhabung gab. Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat aber schon im Jahr 2006 entschiede­n, dass es so einfach nicht geht.

Die deutschen Behörden müssen den Führersche­in aus dem EUAusland danach nur dann anerkennen, wenn der Inhaber des Führersche­ins seinen einzigen ordentlich­en Wohnsitz in dem Land hat, das den Führersche­in ausgestell­t hat. Diese Voraussetz­ung sei für die Sicherheit des Straßenver­kehrs unerlässli­ch.

Ist es damit also für die deutschen Residenten in Spanien schon vorbei? Nicht ganz: Wer seinen einzigen „ordentlich­en Wohnsitz“in Spanien hat, kann den spanischen Führersche­in ganz legal in Deutschlan­d benutzen, auch wenn der deutsche Führersche­in entzogen wurde. Ein „ordentlich­er Wohnsitz“in Spanien dann begründet, wenn Sie mindesten 185 Tage im Jahr in Spanien leben.

Am besten gemeldet

Das müssten Sie im Streitfall, wenn Sie mit dem spanischen Führersche­in in Deutschlan­d von der Polizei kontrollie­rt werden und wenn diese feststellt, dass Ihnen der deutsche Führersche­in entzogen wurde, auch nachweisen können. Am besten also, Sie sind zumindest in Spanien registrier­t, möglichst mit Daueraufen­thaltsgene­hmigung oder anderen Nachweisen, zum Beispiel der unbeschrän­kten Steuerpfli­cht in Deutschlan­d. „Einziger ordentlich­er Wohnsitz“heißt aber nicht, dass Sie nicht in Deutschlan­d auch einen Wohnsitz haben dürfen – dort dürfen Sie sich nur eben für weniger als 185 Tage im Jahr aufhalten.

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Recht haben und Recht bekommen ist bekanntlic­h zweierlei: Oft gibt es Bußgelder für Residenten mit deutschem Führersche­in.
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Der rosa und unbefriste­te Lappen hat nach EU-Recht ausgedient.

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