Rund ums Auto
Bei der Führerscheinumschreibung ist das entscheidendste Kriterium der Lebensmittelpunkt
Viele Deutsche, die in Spanien nur einen Teil des Jahres verbringen, machen sich keine Gedanken um die Gültigkeit ihres Führerscheins. Sie erleben aber vielleicht eine unliebsame Überraschung, wenn sie mit dem Auto in Spanien unterwegs sind und in eine Polizeikontrolle geraten.
Fallbeispiel: Das Ehepaar Müller aus Hamburg besitzt seit vielen Jahren ein Haus an der Costa Blanca. Seit sie Rentner sind, verbringen sie mehr Zeit in ihrem Haus, etwa fünf Monate im Jahr. Sie haben sich in Spanien ein Auto gekauft, das dort auch ordnungsgemäß angemeldet und versichert ist. Bei einer Polizeikontrolle wird dem Ehemann erklärt, sein deutscher Führerschein sei in Spanien ungültig. Er müsse umgeschrieben werden in eine spanische Fahrerlaubnis. Zudem sei eine Strafe von 200 Euro fällig. Was ist zu tun?
Eins vorneweg: Der Polizist irrt – der Führerschein ist weder umzuschreiben noch ist eine Geldbuße zu zahlen, weil der Wohnsitz in Spanien nicht mehr als 185 Tage im Jahr genutzt wird. Es geht also um den Begriff des Wohnsitzes, und da liegen die Dinge durchaus nicht einfach. Beginnen wir hier: Grundsätzlich sind die Eheleute verpflichtet, sich bei der Gemeinde anzumelden (das Empadronamiento) und sich nach drei Monaten ununterbrochenen Aufenthalts bei der Ausländerbehörde zu registrieren.
Ob letztere Voraussetzung bei den Müllers gegeben ist, hängt davon ab, ob sie die fünf Monate am Stück oder so aufgeteilt verbringen, dass drei Monaten nicht überschritten werden. Weder das Empadronamiento, noch die Registrierung sagen aber etwas darüber aus, wo sich der Lebensmittelpunkt der beiden befindet. Der Lebensmittelpunkt ist das letztlich entscheidende Kriterium bei der Bestimmung des Wohnsitzes in der Krankenund Rentenversicherung, auch das anzuwendende Erbrecht und die Steuerpflicht hängen daran.
Die 183-Tage-Regel
In der Praxis entscheidet meist die 183-Tage Regel, wo der Wohnsitz gelegen ist. Im Fall der Eheleute Müller ist dies klar Deutschland, weil sie sich dort überwiegend, also über 183 Tage im Jahr, aufhalten. Für den Führerschein gelten nun besondere Regeln: Deutsche Führerscheine, die bis zum 19. Januar 2013 ausgestellt wurden, müssen in Deutschland bis zum 19. Januar 2033 umgetauscht werden. Das gilt für den alten grauen „Lappen“, den rosa Schein und den modernen, aber unbefristet ausgestellten Führerschein im Scheckkartenformat gleichermaßen.
Wie ist es, wenn Sie ganz oder zeitweise in Spanien leben? Grundsätzlich werden in Europa alle Führerscheine gegenseitig anerkannt. Jedoch besteht unter bestimmten Voraussetzungen eine Verpflichtung, den Führerschein umzuschreiben. Diese Verpflichtungen sind im spanischen Recht näher umschrieben. Eine Verletzung dieser Pflichten führt nicht zum strafbaren „Fahren ohne Führerschein“, sondern nur zu einem Verstoß gegen bloße Ordnungsvorschriften, die aber mit einem Bußgeld – in Spanien von 200 Euro – geahndet werden können.
Das Real Decreto 818/2009, das die europäische Richtlinie 2006/126 EG für Spanien umsetzt, bestimmt in Artikel 12, dass besondere Regeln für Deutsche und andere EU-Staaten gelten, die bereits zwei Jahre ihren Wohnsitz in Spanien haben. Wenn diese Personen einen unbefristeten deutschen Führerschein besitzen, wie es meist der Fall sein wird, müssen sie diesen bei der zuständigen spanischen Straßenverkehrsbehörde (Jefatura de Tráfico) in einen spanischen Führerschein umtauschen.
Entscheidend ist Wohnsitz
Es kommt also auch hier wieder entscheidend darauf an, ob seit zwei Jahren ein Wohnsitz in Spanien besteht. Das spanische Dekret spricht von einer „residencia normal“, die maßgebende europäische Richtlinie vom „ordentlichen Wohnsitz“. Leider gibt es hier wieder einen neuen Wohnsitz-Begriff, damit es im Sozial-, Steuer-, Zivilund Führerscheinrecht nur ja verschieden und für den Laien nur nicht zu einfach zugeht! Glücklicherweise definiert die europäische Richtlinie in Artikel 12 den Begriff wenigsten etwas genauer:
„Im Sinne dieser Richtlinie gilt als ordentlicher Wohnsitz der Ort,
an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder — im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen — wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.“
Das Ausländerregister
Alles klar? Wer sich an die 183Tage-Regelung im Steuerrecht gewöhnt hat, darf jetzt zwei Tage zulegen. Wegen der schwammigen übrigen Bedingungen heißt die Reglung in der Praxis: Führerschein umschreiben nur, wenn Sie mindestens 185 Tage im Jahr in Spanien wohnen. Das bedeutet im Fall der Eheleute Müller: keine Umschreibung des Führerscheins erforderlich, ein etwaiges Bußgeld wäre rechtswidrig.
Vielfach ist zu lesen, dass es für den Wohnsitz auf die Registrierung im Ausländerregister ankomme. Das ist Unsinn, denn diese Verpflichtung greift bereits nach drei Monaten, wo ganz gewiss noch nicht von einem „ordentlichen Wohnsitz“gesprochen werden kann. Selbst wenn spanisches Recht das vorsähe (was nicht der Fall ist), wäre das wegen Verstoßes gegen höherrangiges EURecht in der genannten Richtlinie unwirksam. Dann ist oft von der „Nichtresidenten-Bescheinigung“(certificado de no residente) die Rede, mit der die Nichtresidenteneigenschaft nachgewiesen werden könne. Auch das ist nicht zutreffend. Die NIE (Número de Identidad de Extranjero), die mit dem Formular EX-15 beantragt werden kann, wird aus steuerlichen Gründen für fast jede wirtschaftliche Aktivität in Spanien benötigt.
Sie kann von Personen beantragt werden, die (steuerlich) im Ausland leben, dann als NIE mit certificado de no residente, oder für Personen, die (steuerlich) in Spanien leben. Die „Nichtresidenten-Bescheinigung“hat nur eine Gültigkeitsdauer von drei Monaten. Sie dient als vorläufige Bestätigung, dass Sie Steuerausländer sind. Wenn Sie ein Bankkonto besitzen, kümmert sich in der Regel Ihre Bank automatisch um diese Bescheinigung – und stellt sie Ihnen auch in Rechnung. Fragen Sie gegebenenfalls einmal nach!
Letztlich entscheiden darüber, wo und inwieweit Sie steuerpflichtig sind, die Finanzämter in Deutschland und in Spanien. Dabei kommt es nicht auf diese Bescheinigung, sondern darauf an, wo wirklich Ihr steuerlicher Wohnsitz ist – im Zweifel nach der bekannten 183-Tage-Regel. Ein in Deutschland zugelassenes Auto muss von Steuerinländern (über 183 Tage in Spanien) in Spanien umgemeldet werden.
Aber auch Steuerausländer (weniger als 183 Tage in Spanien), wie die Eheleute Müller, können natürlich ein Auto in Spanien zulassen – zur Freude der spanischen Steuerbehörden, die ja nur dann die spanische Zulassungssteuer bekommen. Auch sonst ist es aber empfehlenswert, das Auto in Spanien zuzulassen: So werden Probleme mit der deutschen Versicherung vermieden, und zum TÜV müsste der Wagen außerdem dann nach Deutschland gefahren werden. Mit dem Führerschein und dessen Umschreibung hat das alles aber nichts zu tun.
Recht haben und Recht bekommen ist bekanntlich zweierlei. Für den Polizeibeamten sind die komplexen Fragen des Wohnsitzes zumeist wohl „böhmische Dörfer“. Die Polizeibehörden brauchen klare Kriterien. So kommt es vor, dass sie sich an Fakten wie der Registrierung oder der Nichtresidenten-Bescheinigung orientieren und erst einmal ein Bußgeld verhängen.
Zweiter Wohnsitz hilft nicht
Dann haben Sie das Problem, nachzuweisen, dass Sie Ihren Wohnsitz nach der neuen 185-Tage-Regel nicht in Spanien haben. Da ist es dann gut, wenn Sie Einund Ausreise nach Spanien nachweisen können, eventuell dient auch die Stromrechnung als Nachweis. Vielleicht sind die Behörden sogar mit einer deutschen Meldebescheinigung zufrieden, die aber eigentlich gar nichts über Ihren Wohnsitz aussagt. Nach Recht und Gesetz müssten die spanischen Behörden den Nachweis erbringen, dass Sie über 185 Tage im Land leben, und nicht Sie das Gegenteil beweisen. Notfalls muss ein Rechtsanwalt helfen.
Wer dauerhaft in Spanien lebt (über 185 Tage im Jahr), unterliegt den gleichen Bedingungen wie ein Spanier. Ein zweiter Wohnsitz in Deutschland hilft Ihnen übrigens dann auch nicht. Da müssen Sie schon sehr stichhaltige Bindungen nach Deutschland, wie etwa ein Ratsmandat, in der Hinterhand haben. Das sind nun die Folgen des „ordentlichen Wohnsitzes“in Spanien:
● Sie müssen Ihren Führerschein in einen spanischen Führerschein umschreiben lassen. Dazu stellen Sie einen Antrag, der auf der WebSeite der Direcion General de Trafico herunterzuladen ist; es gibt ihn auch bei den örtlichen Verkehrsämtern. Dabei sind Erklärungen über Verkehrsdelikte in Deutschland und Führerscheine aus anderen Ländern abzugeben, die gegebenenfalls ins Spanische zu übersetzen sind. In manchen Regionen wird auch die Tauglichkeitsbescheinigung verlangt. Zunächst gibt es, wenn der deutsche Führerschein gleich eingezogen wird einen vorläufigen spanischen Führerschein.
● Bis zum 65. Lebensjahr müssen Sie alle zehn Jahre einen Tauglichkeitstest inklusive Sehtest machen.
● Ab dem 65. Lebensjahr ist dies alle fünf Jahre erforderlich. Beides gilt für Auto- und Motorradführerscheine.
● Wie in Deutschland, gibt es auch in Spanien dann für Sie ein Punktekonto. Als Fahranfänger mit einer Fahrpraxis von bis zu drei Jahren gibt es acht Pluspunkte. Als erfahrener Fahrer zwölf bis 15 Pluspunkte. Bei jedem Verstoß gegen die Verkehrsordnung werden Punkte abgezogen. Sind alle Punkte aufgebraucht, ziehen die spanischen Behörden – ganz wie in Deutschland – den Führerschein ein. Nicht wenige deutsche Residenten besitzen zwei Führerscheine: einen deutschen und einen spanischen. Ist der deutsche Führerschein, zum Beispiel nach einer Alkoholkontrolle, weg, hat man ja noch den spanischen Führerschein. Und hat man den nicht, kann man sich ja den spanischen Führerschein noch besorgen. So kann man auch den unangenehmen deutschen „Idiotentest“vermeiden. Verbreitet ist auch ein „Führerschein-Tourismus“von Deutschen, die gar nicht oder nur vorübergehend in Spanien wohnen, sich nach dem Verlust des deutschen Führerscheins aber einen spanischen Führerschein ausstellen lassen und damit in Deutschland fahren.
Geht das wirklich? Erstaunlicherweise ist das immer noch möglich – aber nur unter strengen Voraussetzungen, die Sie unbedingt beachten müssen. Denn in Deutschland ist das Fahren ohne gültige Fahrerlaubnis kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat.
Grundsätzlich werden in der Europäischen Union alle Führerscheine gegenseitig anerkannt. So steht es in der Richtlinie 2006/126/EG. Einige 10.000 Deutsche haben sich das nach Angaben des ADAC zu Nutze gemacht und den verlorenen deutschen Führerschein im EU-Ausland ersetzt, oft in Tschechien wo es eine großzügige Handhabung gab. Der Europäische Gerichtshof hat aber schon im Jahr 2006 entschieden, dass es so einfach nicht geht.
Die deutschen Behörden müssen den Führerschein aus dem EUAusland danach nur dann anerkennen, wenn der Inhaber des Führerscheins seinen einzigen ordentlichen Wohnsitz in dem Land hat, das den Führerschein ausgestellt hat. Diese Voraussetzung sei für die Sicherheit des Straßenverkehrs unerlässlich.
Ist es damit also für die deutschen Residenten in Spanien schon vorbei? Nicht ganz: Wer seinen einzigen „ordentlichen Wohnsitz“in Spanien hat, kann den spanischen Führerschein ganz legal in Deutschland benutzen, auch wenn der deutsche Führerschein entzogen wurde. Ein „ordentlicher Wohnsitz“in Spanien dann begründet, wenn Sie mindesten 185 Tage im Jahr in Spanien leben.
Am besten gemeldet
Das müssten Sie im Streitfall, wenn Sie mit dem spanischen Führerschein in Deutschland von der Polizei kontrolliert werden und wenn diese feststellt, dass Ihnen der deutsche Führerschein entzogen wurde, auch nachweisen können. Am besten also, Sie sind zumindest in Spanien registriert, möglichst mit Daueraufenthaltsgenehmigung oder anderen Nachweisen, zum Beispiel der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland. „Einziger ordentlicher Wohnsitz“heißt aber nicht, dass Sie nicht in Deutschland auch einen Wohnsitz haben dürfen – dort dürfen Sie sich nur eben für weniger als 185 Tage im Jahr aufhalten.