Warten auf den Brexit
In Spanien lebende Briten sind verunsichert – Was sie nach dem EU-Ausstieg erwartet, ist unklar
Madrid/London – sw/se/ ab/at/ws/ms. „Ungewissheit“, fasst James Parkes, Chefredakteur der englischsprachigen Wochenzeitung „Costa Blanca News“, die Stimmung unter den in Spanien lebenden Briten zusammen. Schon seit dem 23. Juni 2016 sehen sie einer unklaren Zukunft entgegen. An jenem Tag stimmte eine knappe Mehrheit für den EU-Austritt Großbritanniens. Über die Konsequenzen des Brexit war sich damals kaum einer im Klaren.
Drei Jahre später sieht das anders aus. Für viele Briten, die in Spanien leben, steht die Existenz im Ausland auf dem Spiel. Was wird aus dem Zugang zur spanischen Krankenversicherung? Was sind Britisches Pfund und die Rente künftig noch wert? Und darf ich ohne Weiteres in Spanien bleiben? Konsuln, Botschafter und Politik versuchen seit drei Jahren zu beschwichtigen, gelingen will das niemandem so recht. Die populistischen Alleingänge des Premierministers Boris Johnson tun den Rest. Erst Ende vergangener Woche schien – kurz vor dem Stichtag am 31. Oktober – doch noch ein Happy End in Sicht: „Wir haben einen Deal“, verkündete EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Nach dem schier unendlichen Tauziehen um die Konditionen des EU-Austritts für viele Expats endlich mal eine gute Nachricht.
Doch spätestens am Montag war klar: So einfach wollten sich die Members of Parliament nicht von Boris Johnson und seinen Manövern
abspeisen lassen. Das Parlament verschob die Abstimmung über den Deal. Johnson, der den Austritt am 31. Oktober unter allen Umständen vollziehen will – sei es mit oder ohne Deal – beantragte daraufhin widerwillig die ihm gesetzlich auferlegte Fristverlängerung bei der EU.
Am Dienstag billigte das britische Unterhaus zwar die Gesetzesgrundlage für Johnsons BrexitDeal,
lehnte seinen Zeitplan bis zum 31. Oktober aber ab. Ob die EU den erneuten Aufschub überhaupt zulässt oder es gar zu Neuwahlen kommt? Bislang unklar. „Vielen Briten ist es mittlerweile fast egal, sie wollen nur, dass es endlich vorbei ist und wissen, was sie tun müssen, um in Spanien bleiben zu können“, erklärt Parkes.
„Auf keinen Fall zurück“
„Wir sind besorgt“, fasst Colin Field die Stimmung seiner Landsleute zusammen. Der 65-Jährige lebt seit fünf Jahren in Calp in der Provinz Alicante, trifft sich zweimal pro Woche zum gemütlichen Kicken beim Walking Football mit anderen Residenten. „Wir lieben unser Leben hier und wollen auf keinen Fall zurück“, sagt Field. Angst hat er wie viele Briten vor allem, nach dem Brexit womöglich aus dem spanischen Gesundheitssystem ausgeschlossen zu werden: „Das ist wirklich exzellent, es stehen so viele Dinge auf dem Spiel.“Er selbst stimmte 2016 gegen den Austritt aus der EU, beschreibt sich selbst als „knallharten Europäer“
und hat Freunde verschiedener Nationen in Calp gefunden.
Sorgen macht sich der gebürtige Londoner auch um seine 99jährige, an Alzheimer erkrankte Mutter, die in einem englischen Pflegeheim lebt. „Hinter der Einrichtung stecken EU-Subventionen, ich weiß nicht, was nach dem Brexit aus meiner Mutter wird“, sagt er. „Mir fällt wirklich kein guter Grund ein, warum Großbritannien die EU verlassen sollte.“
Margaret Hales aus Benitachell ist Vorsitzende der European Union of Women, Brexit-Beauftragte in Spanien und macht intensiv Lobby gegen den Ausstieg. „Ich war beim britischen Botschafter in Madrid und habe mit Mitgliedern des Landesparlaments in Valencia gesprochen“, erzählt die Britin. Sie sei ständig im In- und Ausland unterwegs. „Alle sollen wissen, dass wir Angst haben!“, sagt sie. Vieles werde sich mit dem Brexit ändern. „Wir kamen hierher, aber jetzt werden uns womöglich alle Rechte entzogen“, klagt Hales. Es dürfe keinen Ausstieg ohne Abkommen geben. Die Verantwortung dafür