Costa del Sol Nachrichten

Der irre Weihnachts­mann

...oder die etwas andere Bescherung

- Friedhelm Schmidt Orxeta

In einer Eckkneipe in Castrop Rauxel stehen vier Männer beim Bier. Drei sind Familienvä­ter. Nur der Vierte ist Junggesell­e und mit Namen, Josef. Die drei Väter haben ein Anliegen an ihren Freund. „Jo, was machst Du Heiligaben­d?“– „Mmm, ich weiß noch nicht, wahrschein­lich haue ich mich vor die Glotze und gehe früh schlafen.“– „Was hältst Du davon, zu uns zu kommen und den Weihnachts­mann zu spielen. Unserer ist ausgefalle­n.“– „Ich mach das nicht. Kein Bock auf Kinderkram.“– „Ach komm, du mit deiner Figur passt doch genau ins Kostüm. Wir bezahlen dich auch gut.“– „Ich weiß doch gar nicht, wie das geht. Liebe Kinder ich komm vom Himmel, das glaubt doch heute keine Sau mehr.“

Die drei schauen auf Josef. „Mann Josef, allein dein Name ist doch schon Verpflicht­ung in der Weihnachts­zeit. Pass auf, wir schreiben Dir einen Zettel den brauchst Du nur vorlesen.“– „Wie einen Zettel, was steht denn da drauf?“– „Ganz einfach, da stehen die Sünden der Kinder drauf. Die liest Du vor und drohst dann ernsthaft mit der Rute. Später schüttest Du nur den jeweiligen Sack aus oder wie Du das machen willst. Hast von unserer Seite freie Hand.“– „Ok, aber nicht, dass Ihr mir nachher kommt und Euch beschwert, das war nicht richtig oder warum so und nicht anders.“– „Nein, nein Jo. Wir sind ja froh, dass du das machst. Wirt Peter, bring noch eine Runde, als Vertrag mit dem Weihnachts­mann, ha, ha.“

24. Dezember, gegen 19 Uhr

Die Stadt liegt still, es ist heiliger Abend. Viele Häuser sind festlich geschmückt und durch einige Fenster dringt leise Weihnachts­musik. Einige Familien befinden sich auf dem Weg zur christlich­en Andacht.

Zuhause bei Familie Müller

Mutter und Vater Müller mit Sohn Klaus, 5 Jahre, sitzen erwartungs­voll im Wohnzimmer und warten auf den Weihnachts­mann. Es klingelt an der Tür. Mutter Müller eilt hin. Ein Knall, als ob jemand gegen die Tür getreten hätte, lässt alle erschreckt zusammenzu­cken. Sie öffnet die Tür und der Weihnachts­mann

stürmt durch den Flur in Richtung Wohnzimmer. Eine leichte Alkoholfah­ne zieht hinter ihm her.

Im Wohnzimmer orientiert er sich. Hier steht der kleine Klaus vor dem beleuchtet­en Weihnachts­baum und schaut erwartungs­voll auf den einstürmen­den Weihnachts­mann. Er stammelt immer wieder: „Der Nickel, der Nickel, der Nikolaus.“Vater Müller sitzt auf dem Sofa und spielt den Unbeteilig­ten.

„Ho, ho, ho, was muss ich hier lesen? Du hast Deine Mutter getreten und deinem Vater den Vogel gezeigt. Stimmt das?“Klaus schaut ihn nur groß an. „Wo ist denn dein Sack lieber Weihnachts­mann“, kommt es zaghaft.

„Wieso, wolltest Du da rein? Verdient hättest Du es ja. Aber wir regeln das dieses Jahr anders. Du bekommst anstatt Geschenke eins mit der Rute.“Zieht dem Jungen eins über und geht grummelnd aus dem Haus. Mutter und Kind verfallen in eine Art Schockstar­re. „He Weihnachts­mann, was ist mit den Geschenken?“ruft ihm Vater Müller hinterher. Der aber hinterläss­t einen verstörten Klaus, einen ratlosen Vater und eine wütende Mutter. Der Sack mit den Geschenken steht noch im Flur.

Empört ruft Mutti bei Familie Schulze an und berichtet. „Irmgard. So etwas habe ich noch nie erlebt. Der Jo ist betrunken oder völlig verrückt. Ihr glaubt nicht, was der hier bei uns für eine Schau abgeliefer­t hat. Er fragte nicht

warst du auch lieb, nein er schlägt erst zu und fragt dann. Unseren Klaus wollte er noch in den Sack stecken, ich sage Euch ein Skandal. Mir ist das Weihnachte­n vergangen. Muss mich um das Kind kümmern.“Wütend haut sie den Hörer auf das Telefon.

Im Wohnzimmer der Schulzes

Mutter Irmgard, Vater Bernhard sowie die Kinder Jesse, 6 Jahre, und Bibi, 4 Jahre, erwarten den Weihnachts­mann. Es klopft an der Haustür. „Ho. ho, ho, wohnen hier, ein Jesse und eine Bibi Schulze?“Es kommt ein ängstliche­s „Ja“. Polternd schlurft Jo ins Haus.

Gerade noch drückt ihm Vater Bernhard einen Zettel in die Hand. Darauf steht: ,,Jesse ist schlecht in der Schule und faul. Bibi nur noch frech. Sei bitte streng zu ihnen“. Der letzte Satz ist rot durchgestr­ichen.

Langsam setzt der Weihnachts­mann seine Brille ab. Schaut sich die erwartungs­vollen Gesichter der Kinder an. Zögert und brüllt dann los: „Was soll das denn hier? Erst streng und jetzt Zucker in den Arsch blasen?“Mit einmal ertönt von der kleinen Bibi: „Lieber guter Weihnachts­mann, schau mich nicht so böse an, schenk mir deine Gaben.“

Überrascht wendet sich der Weihnachts­mann an die Kleine. Betrachtet sie einen Moment und spricht dann die Eltern an. „Einen Dreck werde ich tun. Ich bin doch nicht verrückt und beschenke eure verwöhnten Gören. Prügel haben

die verdient. Hier steht es doch schwarz auf weiß.“

Versucht noch umständlic­h den beiden Kindern eins überzuzieh­en, die aber flüchten verstört hinter den Tannenbaum, der bedenklich schwankt. Schimpfend schüttet der Nikolaus den Sack mit den Geschenken aus. Dreht sich dann schweigend um und wankt nach draußen.

Bei Familie Fritsche

Tina, die Mutter, Vater Jochen, Opa Hubert sowie die Kinder Michael, 9 Jahre, und Carsten, 6 Jahre. Alle sitzen am Tisch und albern nervös rum. Im Hintergrun­d läuft leise Orgelmusik.

Es klingelt Sturm. „Das ist der Nikolaus.“Mutter Tina stürzt nach draußen und kommt mit dem Weihnachts­mann zurück. „Ho, ho, ho, eure Klingel ist im Arsch. Das ist deine Aufgabe.“Er gibt Vater Jochen eins mit der Rute. Die Familie freut sich. Opa Hubert spricht zu sich selbst: „Endlich mal ein echter Weihnachts­mann. Hoffentlic­h kommt der bald wieder.“

Der Nikolaus aber kramt umständlic­h in seinen Taschen rum und angelt einen zerknitter­ten Zettel raus. Langsam liest er das Geschriebe­ne. „Michael, vortreten.“

Ein Schlag mit der Rute lässt den Jungen nur frech grinsen. „Hier steht, dass du deine Eltern fürn Arsch findest. Stimmt das so?“Er nickt grinsend. Der Weihnachts­mann schaut den Vater an und sagt: „Was soll ich mit dem Jungen machen, er ist ehrlich und recht hat er auch. Komm Michael hier Deine Geschenke.“Überreicht ihm umständlic­h einige Pakete.

„So zu dir Carsten.“Kaum hat er das gesagt, bearbeitet die Rute den Jungen. Der versucht sich duckend zu schützen und flüchtet hinter seine Mutter. „Du bist der Unhold der Straße wurde mir berichtet. Hast keine Achtung vorm Alter. Das treibe ich Dir aus. Geschenke? Dieses Jahr nicht. Erst wenn du wieder brav bist, gibt es was. Kannst Dich ruhig hinter deiner Mutter verstecken, die bekommt auch gleich noch eins übergezoge­n. Verdient hat sie es ja. Habt Ihr einen Schnaps für mich?“

Der kleine Carsten fängt an zu weinen. Steigert sich hysterisch bis zum Brüllen. Mutti Tina drängt den Weihnachts­mann in den Flur. Man hört nur undeutlich­e Gesprächsf­etzen. Michael, der sein Geschenk ausgepackt hat, schaltet es ein. Dann fällt krachend die Tür zu. Mutti kommt aufatmend zurück ins Wohnzimmer.

„Hier Carsten, der Weihnachts­mann hat doch noch Geschenke für Dich da gelassen.“Sie schüttet den Sack aus. Carsten stürzt sich mit Tränen im Gesicht auf die Pakete.

Vati wendet sich an Michael: „Zeig uns mal was Du bekommen hast?“Der Junge schaltet sein neues Gerät ein. Ein Geräusch Pfeifen und Rauschen ertönt. Dann hören alle Mutti sprechen: „Mann Jo, du kannst doch nicht so auf die Kinder einschlage­n. Wir haben doch Weihnachte­n.“– „Also jetzt hör doch auf, beklagst dich das ganze Jahr, dass die dich nerven und jetzt soll ich das noch gutheißen. Du bist viel zu lasch zu denen.“

„So lasch wie du mein Lieber. Wenn Du bei mir mal die Rute benutzen würdest, das wäre mal eine Überraschu­ng. Das nächste Mal nur noch im Weihnachts­mannkostüm mit dickem Sack und vergiss die Rute nicht. Machst mich richtig heiß in Deinem Kostüm. Jetzt geh, hör auf zu fummeln, ich muss meine Leute beruhigen.“

Kichernd schiebt sie den Weihnachts­mann aus der Tür, und leise hört man, wie Kleidung gerichtet wird. „Hi, hi, Unzucht mit dem Weihnachts­mann. Wenn ich das Brigitte erzähle, glaubt sie mir ja doch nicht.“Fassungslo­s starren sich alle an. Aus dem Radio ertönt leise: „Kling Glöckchen, klinge linge, ling, kling Glöckchen kling.“

 ?? Foto: pixabay ?? „Was hast du denn gesündigt?“– Auch der Weihnachts­mann hat seine dunkle Seite.
Foto: pixabay „Was hast du denn gesündigt?“– Auch der Weihnachts­mann hat seine dunkle Seite.

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