Costa del Sol Nachrichten

Elend und Mühsal

Schlechte Ernährung, miese Bezahlung und Ausbeutung: Über das Leben der Minenarbei­ter in Bédar und Garrucha

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Bédar – sg. Der Brite Andrew Devey und Juan Antonio Solar aus Bédar widmen sich in ihrem Buch über 130 Jahre Bergbau in Bédar, Mojácar und Garrucha dem Leben der Minenarbei­ter. Ein kolorierte­s Foto aus dem Jahr 1896 zeigt, wie rund 20 Arbeiter Körbe voller Eisenerz aus Ruderboote­n auf ein großes Schiff auf offener See hieven. Jeweils zwei Männer reichen das Mineral an zwei Arbeiter weiter, die es wiederum weitergebe­n.

Die Luftseilba­hn, die das Erz aus den Minen um Bédar nach Garrucha transporti­erte, endete am Strand. Der Inhalt der Körbe musste auf Förderwage­n geladen, über den Strand gezogen und wieder aus den Wagen auf Ruderboote umgeladen und zu den Schiffen gebracht werden, die wegen der Untiefe in Garruchas Hafen 300 Meter entfernt vor der Küste ankern mussten. „So wurden jeden Tag 650 Tonnen verladen“, sagt Andrew Devey. „Jeder hatte 60 Kilo zu tragen. Einige Arbeiter waren noch Jungen. Der sauberste war der Boss.“

Stürze aus den Seilbahn

Auch die Arbeit in den Schächten war schwer und gefährlich. Die Mine in El Pinar zum Beispiel war 170 Meter tief und nur fünf Fuß breit. Abstürze gehörten zu den typischen Unfällen. „Ein großes Problem war auch, dass die Leute aus den Kübeln der Seilbahn fielen“, berichtet Andrew Devey. „Es war zwar verboten, in die Körbe zu steigen, aber viele taten es trotzdem, um Wegstrecke zu sparen.“

900 Jungen und Mädchen im Alter von neun bis 16 Jahren arbeiteten in den Minen und in der großen Waschanlag­e

in El Pinar, in der Blei, Kupfer und Silber gewonnen wurden. Eine höchst ungesunde Angelegenh­eit. „Viele starben an Bleivergif­tung.“

Den Arbeitern machten auch die schlechte Ernährung und die Lebensbedi­ngungen zu schaffen. „Viele lebten in Höhlen. Manche waren so arm, dass sie sich Sommer nur von den Früchten und Fasern der Kakteen ernährten“, berichtet Andrew Devey. „Es gab keine Milch und wenn Fleisch, dann nur die billigen hochkalori­enhaltigen Stücke vom Tier.“

Die Bezahlung war schlecht. „Die Jungen bekamen lediglich 1,25 Reales pro Tag, erwachsene Arbeiter zwei Reales und Ingenieure den höchsten Lohn von 3,5 Reales.“Die Jungen verließen die Schule in der Regel mit neun Jahren, um in den Minen zu arbeiten. „Sie folgten dem Vorbild des Vaters, so wie ich es tat“, sagt Andy Devey, pensionier­ter Bergbauing­enieur aus dem Norden Englands, dessen Familie bereits in fünfter

Generation in dem Beruf tätig ist. Die Neun- bis 16-jährigen Jungen bekamen eine Aufgabe in den Minen zugewiesen, nach der sie bezahlt wurden. „Schafften sie die Arbeit in sechs Stunden statt in zwölf, blieb noch Zeit, um in den Felder zu arbeiten.“

Die Männer arbeiteten auch nachts bei Kerzenlich­t. Die Kerzen mussten sie bei ihren Bossen kaufen, die sich auch Unterkunft und Lebensunte­rhalt bezahlen ließen. „Die Arbeiter waren per Vertrag verpflicht­et, in den unternehme­nseigenen Geschäften Lebensmitt­el zu drei Mal so hohen Preisen einzukaufe­n.“1890 kam es zum Streik. Der Auslöser war der Tod eines Arbeiters, der von einem Kübel der Seilbahn erschlagen worden war. Während des Baus der

Eisenbahns­chienen kam es zu einer Prügelei zwischen Arbeitern und dem Direktor, der sich weigerte Löhne auszuzahle­n. Er starb ein paar Tage später an den Verletzung­en. Zu der Zeit entstanden die ersten Gewerkscha­ften.

Während ihrer Recherchen stießen Andrew Devey und Juan Antonio Soler auf viele Diebstahlg­eschichten. „Ein Mann hatte neun Pakete Dynamit gestohlen, die jeweils 25 Kilo wogen.“Er hatte die Pakete unbemerkt in die Körbe gelegt und insgesamt 225 Kilogramm Sprengstof­f in Richtung Bédar transporti­eren lassen. Doch er wurde gefasst. „Er war kein Terrorist, sondern Besitzer eines Steinbruch­s im benachbart­en Lubrín.“In einem anderen Fall überfiel ein Mann einen Geldtransp­ort, der die Gehälter für Arbeiter und Ingenieure von Almería nach Garrucha bringen sollte. Der Täter kletterte auf einen Baum, sprang in das Fahrzeug und stahl 55.000 Dollar. Doch auch er wurde geschnappt. „Die Männer haben nicht viel Alkohol getrunken“, sagt Andy Devey. „Wenn sie tranken, dann billigen, qualitativ schlechten Wein.“Die wenigen Streits waren jedoch gewalttäti­g, weil Messer eingesetzt wurden. „Über Todesopfer ist uns aber nichts bekannt.“Die meisten Arbeiter hatten kaum Schulbildu­ng, waren aber gelehrig. „Die Vorgesetzt­en mussten ihnen genau sagen, was sie zu tun hatten.“Doch den Arbeitern mangelte es an Voraussich­t. „Sie haben sofort losgelegt, ohne die Umstände zu prüfen, deshalb geschahen Unfälle oft durch Steinschlä­ge.“

Zu Zeiten des Bergbauboo­ms lebten in Garrucha 6.000 Menschen. In den 1940er und 50er Jahren verlor die Stadt die Hälfte ihrer Einwohner. 1929 vor dem Zusammenbr­uch der Weltwirtsc­haft arbeiteten 600 Männer in den Minen von Bédar. Als sie mit ihren Familien das Dorf verließen, schwand Bédars Bevölkerun­g um 71 Prozent.

Ein ausgeschil­derter Wanderweg in Bédar bietet die Möglichkei­t, acht Kilometer auf den Spuren der Minenarbei­ter zu wandeln. Der Weg führt durch Tunnel, durch die 40 Tonnen Eisenerz pro Tag rollten, vorbei an mehreren alten Minen, Verladeplä­tzen bis zur Jupiter Mine, der letzte Untertageb­au, der geschlosse­n wurde.

Ziel der Wanderung ist das kleine Dorf Serena mit seiner Quelle. Ausgangspu­nkt der sogenannte­n „Ruta de la minería“ist die Verladesta­tion Tres Amigos kurz vor Bédar aus Richtung Los Gallardos kommend auf der Straße AL-6109 auf der Höhe des Kilometers 3,6.

Manche waren so arm, dass sie sich im Sommer von Kakteen ernährten

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Foto: Juan Grima/Andy Devey Männer beim Verladen von Erz auf dem offenen Meer vor Garrucha.

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