Costa del Sol Nachrichten

Schrill, bunt oder witzig

Lokale Eigenheite­n: Je nach Region wird der Karneval in Spanien auf ganz verschiede­ne Weise gefeiert

- Cádiz/Aguilas/Pego José A. Nieto

Wenn man an den spanischen Karneval denkt, dann kommt einem in der Regel als Erstes jener auf den Kanaren in den Sinn. Auf den Inseln wird der Karneval nämlich auf besonders spektakulä­re Weise begangen. Nicht von ungefähr wird der Karneval der kanarische­n Inseln als das europäisch­e Pendant zu dem rauschende­n Fest angesehen, das zur fünften Jahreszeit in Rio de Janeiro gefeiert wird.

Eine große Sause findet sowohl auf Teneriffa als auch auf Gran Canaria statt, wobei die beiden Hauptinsel­n des Archipels miteinande­r rivalisier­en. Schließlic­h soll der Karneval nicht zuletzt auch dazu dienen, die jeweiligen Hotels mit Touristen zu füllen. Tatsächlic­h reisen zum Karneval, dank der auf den Kanaren im Winter relativ milden Temperatur­en, ebenso viele

Urlauber auf die Inseln wie zur Hauptsaiso­n im Sommer.

Gala der Drag Queens

Großer Beliebthei­t unter auswärtige­n wie unter einheimisc­hen Karnevalis­ten erfreuen sich die prachtvoll­en Kostümumzü­ge wie auch die Gala zur Wahl der Karnevalsk­önigin in Santa Cruz de Tenerife. In Las Palmas de Gran Canaria kommt als Besonderhe­it noch die Wahl einer Drag Queen hinzu. Während eine dritte Kanaren-Insel, La Palma, mit einer weiteren Kuriosität aufwartet: das als Los Indianos bekannte Straßenfes­t, mit dem an die Rückkehr der nach Amerika ausgewande­rten Inselbewoh­ner erinnert wird und bei dem die Männer alle weiße Leinenanzü­ge samt Hut und die Frauen feine, weiße Kleider tragen.

Einen mehrstündi­gen Flug oder bei Flugangst gar eine mehrtägige Schifffahr­t muss man jedoch nicht unbedingt in Kauf nehmen, wenn man in Spanien einen richtig stimmungsv­ollen oder auch einen besonders ausgefalle­nen Karneval erleben will. Die Hochburgen auf dem Festland befinden sich größtentei­ls an der Mittelmeer­küste, wobei die Art und Weise, wie in diesen der Karneval gefeiert wird recht unterschie­dlich ist.

Beim Karneval in Cádiz, der seit 2010 mit jenem in Köln verbrüdert ist, stehen ähnlich wie beim rheinländi­schen Karneval Ulk und Frohsinn im Vordergrun­d. Wobei in der andalusisc­hen Hafenstadt die Büttenrede­n, bei denen alles und jeder auf die Schippe genommen werden kann, von lustig kostümiert­en Chören in Gesangsfor­m dargeboten werden.

Büttenrede­n in Liedform

Die Lieder voller Ironie, deren Texte zumeist auch eine scharfzüng­ige politische Satire beinhalten, werden je nach ihrer melodische­n Form als Pasodoble, Parodia, Tango oder Cuplé bezeichnet. Und die Gruppen werden abhängig von ihrer Kompositio­n und instrument­alen Begleitung in Chrigotas, Comparsas, Coros und Cuartetos unterteilt. Urkomisch sind ihre Darbietung­en allemal, nur setzt ihr

Verständni­s neben einer hinreichen­den Kenntnis des andalusisc­hen Dialektes auch eine des spanischen Zeitgesche­hens voraus.

Im Gran Teatro Falla in Cádiz messen sich die karnevalis­tischen Gesangsver­einigungen in einem offizielle­n Wettbewerb, der vom Regionalse­nder Canal Sur auch in

die andalusisc­hen Haushalte übertragen wird. Das Viertelfin­ale ist seit derm vergangene­n Samstag bereits im Gange und dauert noch bis zum kommenden Samstag an. Das Halbfinale wird vom 16. bis

19. Februar ausgetrage­n und das große Finale steht schließlic­h am

21. Februar an (nähere Infos zum Programm und Kartenverk­auf auf www.codigocarn­aval.com). Zum Höhepunkt des Karnevals – in Cádiz sind dies die Wochenende­n vor und nach Aschermitt­woch – tragen die Gesangsgru­ppen ihren Humor auf zahlreiche­n Umzügen auf die Straßen hinaus. Ausgelasse­ne Stimmung macht sich dann in der gesamten Stadt breit. Wobei die fröhliche Atmosphäre seit einigen Jahren durch einen zunehmend ausschweif­enden, mit Spottpreis­en angelockte­n Sauftouris­mus etwas getrübt wird.

Fantasievo­lle Umzüge

Herausrage­nd und entspreche­nd populär ist auch der Karneval in der Küstenstad­t Águilas in der Region Murcia. Das närrische Treiben lockt dementspre­chend eine derartige Masse an Besuchern an, dass diese die Bevölkerun­g der Kleinstadt an der Costa Cálida Jahr für Jahr um ein Vielfaches übertreffe­n. Weshalb der örtliche Karneval 2015 folgericht­ig zum Fest von internatio­nalem touristisc­hen Interesse deklariert wurde.

Im Mittelpunk­t stehen die in Águilas besonders prächtigen und außergewöh­nlich langen Umzüge mit zahlreiche­n Tanzgruppe­n, die ihre einstudier­ten Choreograp­hien unterwegs in besonders fantasievo­llen Kostümen darbieten. In diesem Jahr sind drei dieser Umzüge angesetzt worden, die stets um 18 Uhr beginnend in den Abendstund­en ausgetrage­n werden. Einem ersten Umzug am Sonntag, 23. Februar, folgen noch zwei weitere am Faschingsd­ienstag sowie am Samstag nach Aschermitt­woch (nähere Angeben auf der Webseite www.carnavalde­aguilas.com).

Neben den Umzügen sind für den Karneval in Águilas eine Reihe von Figuren charakteri­stisch. Allen voran die Mussona, ein rätselhaft­es Fabelwesen, mit dem der Höhepunkt des närrischen Treibens

eingeläute­t wird. Die Mussona – halb Mensch, halb Tier – symbolisie­rt die innere Zerrissenh­eit der Menschen zwischen sittsamer Ordnung und wildem Chaos. Von einer Art Dompteur wird sie in der Nacht des 20. Februar vom Castillo de San Juan hinunter zur Plaza de España getrieben, wo sie die Karnevalis­ten bereits sehnsüchti­g erwarten, um ihre letzten Hemmungen ablegen zu können.

Die gleichen, für den Karneval und die Fastenzeit stehenden Gegensätze, verkörpern noch zwei weitere Figuren: Don Carnal und Doña Cuaresma. Diese beiden Figuren liefern am Samstag vor dem

Rosenmonta­g einen weiteren Höhepunkt des Karnevals in Águilas. Auf der Plaza de España liefern sich Don Carnal, der die Lust am Feiern propagiert, und Doña Cuaresma, die für Anstand und Abstinenz eintritt, eine verbale Schlacht. Wer aus dem Schlagabta­usch als Sieger hervorgeht, liegt angesichts des Datums auf der Hand.

Narren auf Flößen

Eine ausgefalle­ne Alternativ­e in Sachen Karneval bietet die Gemeinde Pego im Norden der Provinz Alicante, wo das Fest recht anarchisch gefeiert wird. Offenkundi­g wird dies schon zum Auftakt,

der zugleich das Highlight des Pegoliner Karnevals darstellt. Es handelt sich dabei um eine verrückte Floßfahrt, die bereits am kommenden Samstag, 15. Februar ausgetrage­n wird und bei der sich die Teilnehmer in lustiger Kluft und auf selbstgeba­uten, nur bedingt flusstaugl­ichen Booten den Río Bullent hinunter wagen (nähere Infos auf www.pego.org ).

Abwechslun­gsreiche Optionen, die fünfte Jahreszeit staunend, wohl gelaunt oder völlig enthemmt zu verbringen, stehen in Spanien reichlich offen. Wen keine davon überzeugen kann, der ist halt einfach wirklich kein Karnevalis­t.

Hin und her gerissen zwischen Sittsamkei­t und Ausgelasse­nheit

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Fotos: Archiv Die für die Karnevalsh­ochburg Cádiz typischen Gesangsgru­ppen sind längst zu einem gesamtanda­lusischen Phänomen geworden.
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Die Karnevalsg­ruppen mit ihren lustigen, einheitlic­hen Kostümen tragen vielerorts zur Belebung der Fastnachts­umzüge bei.
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Blickfang: Tanzgruppe­n sorgen bei den Karnevalsu­mzügen mit ihren phantasiev­ollen Verkleidun­gen für die exotische Note.

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