Schrill, bunt oder witzig
Lokale Eigenheiten: Je nach Region wird der Karneval in Spanien auf ganz verschiedene Weise gefeiert
Wenn man an den spanischen Karneval denkt, dann kommt einem in der Regel als Erstes jener auf den Kanaren in den Sinn. Auf den Inseln wird der Karneval nämlich auf besonders spektakuläre Weise begangen. Nicht von ungefähr wird der Karneval der kanarischen Inseln als das europäische Pendant zu dem rauschenden Fest angesehen, das zur fünften Jahreszeit in Rio de Janeiro gefeiert wird.
Eine große Sause findet sowohl auf Teneriffa als auch auf Gran Canaria statt, wobei die beiden Hauptinseln des Archipels miteinander rivalisieren. Schließlich soll der Karneval nicht zuletzt auch dazu dienen, die jeweiligen Hotels mit Touristen zu füllen. Tatsächlich reisen zum Karneval, dank der auf den Kanaren im Winter relativ milden Temperaturen, ebenso viele
Urlauber auf die Inseln wie zur Hauptsaison im Sommer.
Gala der Drag Queens
Großer Beliebtheit unter auswärtigen wie unter einheimischen Karnevalisten erfreuen sich die prachtvollen Kostümumzüge wie auch die Gala zur Wahl der Karnevalskönigin in Santa Cruz de Tenerife. In Las Palmas de Gran Canaria kommt als Besonderheit noch die Wahl einer Drag Queen hinzu. Während eine dritte Kanaren-Insel, La Palma, mit einer weiteren Kuriosität aufwartet: das als Los Indianos bekannte Straßenfest, mit dem an die Rückkehr der nach Amerika ausgewanderten Inselbewohner erinnert wird und bei dem die Männer alle weiße Leinenanzüge samt Hut und die Frauen feine, weiße Kleider tragen.
Einen mehrstündigen Flug oder bei Flugangst gar eine mehrtägige Schifffahrt muss man jedoch nicht unbedingt in Kauf nehmen, wenn man in Spanien einen richtig stimmungsvollen oder auch einen besonders ausgefallenen Karneval erleben will. Die Hochburgen auf dem Festland befinden sich größtenteils an der Mittelmeerküste, wobei die Art und Weise, wie in diesen der Karneval gefeiert wird recht unterschiedlich ist.
Beim Karneval in Cádiz, der seit 2010 mit jenem in Köln verbrüdert ist, stehen ähnlich wie beim rheinländischen Karneval Ulk und Frohsinn im Vordergrund. Wobei in der andalusischen Hafenstadt die Büttenreden, bei denen alles und jeder auf die Schippe genommen werden kann, von lustig kostümierten Chören in Gesangsform dargeboten werden.
Büttenreden in Liedform
Die Lieder voller Ironie, deren Texte zumeist auch eine scharfzüngige politische Satire beinhalten, werden je nach ihrer melodischen Form als Pasodoble, Parodia, Tango oder Cuplé bezeichnet. Und die Gruppen werden abhängig von ihrer Komposition und instrumentalen Begleitung in Chrigotas, Comparsas, Coros und Cuartetos unterteilt. Urkomisch sind ihre Darbietungen allemal, nur setzt ihr
Verständnis neben einer hinreichenden Kenntnis des andalusischen Dialektes auch eine des spanischen Zeitgeschehens voraus.
Im Gran Teatro Falla in Cádiz messen sich die karnevalistischen Gesangsvereinigungen in einem offiziellen Wettbewerb, der vom Regionalsender Canal Sur auch in
die andalusischen Haushalte übertragen wird. Das Viertelfinale ist seit derm vergangenen Samstag bereits im Gange und dauert noch bis zum kommenden Samstag an. Das Halbfinale wird vom 16. bis
19. Februar ausgetragen und das große Finale steht schließlich am
21. Februar an (nähere Infos zum Programm und Kartenverkauf auf www.codigocarnaval.com). Zum Höhepunkt des Karnevals – in Cádiz sind dies die Wochenenden vor und nach Aschermittwoch – tragen die Gesangsgruppen ihren Humor auf zahlreichen Umzügen auf die Straßen hinaus. Ausgelassene Stimmung macht sich dann in der gesamten Stadt breit. Wobei die fröhliche Atmosphäre seit einigen Jahren durch einen zunehmend ausschweifenden, mit Spottpreisen angelockten Sauftourismus etwas getrübt wird.
Fantasievolle Umzüge
Herausragend und entsprechend populär ist auch der Karneval in der Küstenstadt Águilas in der Region Murcia. Das närrische Treiben lockt dementsprechend eine derartige Masse an Besuchern an, dass diese die Bevölkerung der Kleinstadt an der Costa Cálida Jahr für Jahr um ein Vielfaches übertreffen. Weshalb der örtliche Karneval 2015 folgerichtig zum Fest von internationalem touristischen Interesse deklariert wurde.
Im Mittelpunkt stehen die in Águilas besonders prächtigen und außergewöhnlich langen Umzüge mit zahlreichen Tanzgruppen, die ihre einstudierten Choreographien unterwegs in besonders fantasievollen Kostümen darbieten. In diesem Jahr sind drei dieser Umzüge angesetzt worden, die stets um 18 Uhr beginnend in den Abendstunden ausgetragen werden. Einem ersten Umzug am Sonntag, 23. Februar, folgen noch zwei weitere am Faschingsdienstag sowie am Samstag nach Aschermittwoch (nähere Angeben auf der Webseite www.carnavaldeaguilas.com).
Neben den Umzügen sind für den Karneval in Águilas eine Reihe von Figuren charakteristisch. Allen voran die Mussona, ein rätselhaftes Fabelwesen, mit dem der Höhepunkt des närrischen Treibens
eingeläutet wird. Die Mussona – halb Mensch, halb Tier – symbolisiert die innere Zerrissenheit der Menschen zwischen sittsamer Ordnung und wildem Chaos. Von einer Art Dompteur wird sie in der Nacht des 20. Februar vom Castillo de San Juan hinunter zur Plaza de España getrieben, wo sie die Karnevalisten bereits sehnsüchtig erwarten, um ihre letzten Hemmungen ablegen zu können.
Die gleichen, für den Karneval und die Fastenzeit stehenden Gegensätze, verkörpern noch zwei weitere Figuren: Don Carnal und Doña Cuaresma. Diese beiden Figuren liefern am Samstag vor dem
Rosenmontag einen weiteren Höhepunkt des Karnevals in Águilas. Auf der Plaza de España liefern sich Don Carnal, der die Lust am Feiern propagiert, und Doña Cuaresma, die für Anstand und Abstinenz eintritt, eine verbale Schlacht. Wer aus dem Schlagabtausch als Sieger hervorgeht, liegt angesichts des Datums auf der Hand.
Narren auf Flößen
Eine ausgefallene Alternative in Sachen Karneval bietet die Gemeinde Pego im Norden der Provinz Alicante, wo das Fest recht anarchisch gefeiert wird. Offenkundig wird dies schon zum Auftakt,
der zugleich das Highlight des Pegoliner Karnevals darstellt. Es handelt sich dabei um eine verrückte Floßfahrt, die bereits am kommenden Samstag, 15. Februar ausgetragen wird und bei der sich die Teilnehmer in lustiger Kluft und auf selbstgebauten, nur bedingt flusstauglichen Booten den Río Bullent hinunter wagen (nähere Infos auf www.pego.org ).
Abwechslungsreiche Optionen, die fünfte Jahreszeit staunend, wohl gelaunt oder völlig enthemmt zu verbringen, stehen in Spanien reichlich offen. Wen keine davon überzeugen kann, der ist halt einfach wirklich kein Karnevalist.
Hin und her gerissen zwischen Sittsamkeit und Ausgelassenheit