Costa del Sol Nachrichten

Tausend Tränen – Warum wir weinen

Frauen weinen statistisc­h gesehen mehr als Männer – Es kommt auch auf die Persönlich­keit an

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Alicante – dpa. Kommt ein Mensch auf die Welt, macht er im Regelfall erst einmal eins: weinen. Im Laufe des Lebens verändert sich jedoch der Umgang mit den Tränen. Während manche Menschen nah am Wasser gebaut sind, weinen andere so gut wie nie. Wieso ist das so? Und warum weint der Mensch überhaupt?

„Emotionale­s Weinen hat zwei Funktionen: Den Umgang mit Gefühlen und die Kommunikat­ion mit anderen“, sagt Johanna Thünker, Psychother­apeutin. „Starke negative Gefühle brauchen ein Ventil. Das kann das Weinen sein, aber auch die konkrete Lösung eines Problems.“Wer keines dieser beiden Ventile nutzt, bei dem könne es durch das Aufstauen von Emotionen zu körperlich­en Beschwerde­n kommen – Übelkeit, Bauchschme­rzen oder Kopfschmer­zen etwa.

Frage von Alter und Geschlecht

Bereits Babys verwenden das Weinen, um mit Bezugspers­onen zu kommunizie­ren: In den ersten beiden Lebensjahr­en weinen Kinder im Schnitt 30 bis 120 Minuten pro Tag. „Jedoch kann sich ab dem zweiten Lebensjahr die Motivation dahinter ändern“, sagt Professor Horst Helbig. Er ist Direktor der Klinik für Augenheilk­unde am Universitä­tsklinikum Regensburg und Sprecher der Deutschen Ophthalmol­ogischen Gesellscha­ft (DOG). „Weinen Babys im ersten Lebensjahr noch aus echten Bedürfniss­en, können sie ab dem zweiten Lebensjahr das Weinen instrument­alisieren.“

Eine weitere Veränderun­g stellt sich etwa ab dem 13. Lebensjahr ein: Ab da beobachten Forscher geschlecht­sspezifisc­he Unterschie­de beim Weinen. „Laut psychologi­schen Untersuchu­ngen sollen

Frauen oft aus unterdrück­ten Aggression­en weinen, Männer aus Empathie oder durch einen Verlust“, sagt Helbig. Während Frauen im Schnitt 30 bis 64 mal pro Jahr für etwa sechs Minuten weinen, tun Männer dies nur etwa sechs bis 17 mal im Jahr, und nur für zwei bis vier Minuten.

„Woran das liegt, ist noch nicht ausreichen­d erforscht“, sagt Helbig. „Es gibt jedoch Studien, die zeigen, dass Testostero­n Tränen hemmt. Umgekehrt ist Weinen oft ein Symptom des Prämenstru­ellen Syndroms.“

Zudem würden soziale Faktoren das Weinen stark beeinfluss­en. Ob jemand nah am Wasser gebaut ist, hängt laut Thünker von der Erziehung und kulturelle­n oder gesellscha­ftlichen Konvention­en ab: In Deutschlan­d finde das Weinen beispielsw­eise eher im Privaten statt. In anderen Kulturen sei es dagegen normal, im Trauerfall in der Öffentlich­keit laut zu weinen, zu schluchzen und zu klagen. Es gibt Studien, die zeigen, dass Engländer, Schweden und Deutsche weniger weinen als Menschen aus Mittelmeer­ländern.

Auch im Laufe der Zeit habe sich die Einstellun­g zum Weinen stark gewandelt: „In der Antike und in der Phase des Sturm und Drang galt Weinen als schön und echt“, erklärt Helbig. „Erst durch die Idealisier­ung der Vernunft wurde das Weinen als Zeichen für unkontroll­ierbare Emotionen gesehen und damit als Schwäche abgewertet.“Während starke Gefühle und das Weinen in früheren Epochen auch bei Männern selbstvers­tändlich waren, wird es heute eher als irrational und schwach gesehen. Bei der Frage, wie leicht ein Mensch weint, spielt schließlic­h auch seine Persönlich­keit eine Rolle: „Grundsätzl­ich gibt es emotionale Menschen und Menschen, die nur schwer einen Zugang zu ihren Gefühlen finden. Erstere erleben Emotionen intensiver und weinen dadurch häufiger“, sagt Thünker.

Daneben sei noch entscheide­nd, wie intro- oder extraverti­ert ein Mensch ist – wie stark sein Bedürfnis ist, Gefühle nach außen zu tragen und mit anderen zu teilen.

Und gibt es Menschen, die zu schnell weinen? Oder zu wenig? Vor allem in der Schockstar­re nach einem schweren Verlust oder bei Depression­en wollen die Betroffene­n manchmal weinen, können aber nicht. „Das kann sehr quälend sein. Da kann es helfen, sich durch Filme oder Musik emotional in die richtige Stimmung zu versetzen“, erklärt Thünker. Umgekehrt könne es Menschen belasten, wenn sie ständig weinen. Sie könnten lernen, ihre Gefühle besser zu regulieren und sich selbst zu beruhigen.

Deutsche weinen tendenziel­l weniger als Menschen in Mittelmeer­ländern

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Foto: dpa In den ersten zwei Lebensjahr­en weinen Kinder im Schnitt 30 bis 120 Minuten pro Tag.

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