„Noch viele unbeantwortete Fragen“
Coronavirus gibt Virologen wie Prof. Luis Pérez García-Estañ von der Uni Elche Rätsel auf
Elche – ms. Es war zu erwarten, dass das Coronavirus irgendwann in Europa ankommt – Sorge macht Wissenschaftlern wie Prof. Luis Pérez García-Estañ vom Biotechnologischen Institut der Universität Elche, dass sich die Ansteckungswege zum Teil nicht mehr nachvollziehen lassen. Trotzdem: Wer ein paar hygienische Ratschläge befolgt, kann sich relativ gut vor einer Ansteckung schützen, erklärt der Virologe.
Prof. Luis Pérez García-Estañ: Im Verdacht steht laut chinesischen Wissenschaftlern das Schuppentier, ein Säugetier, von dem das Virus – wohl, weil Mitarbeiter des im Verdacht stehenden Marktes in Wuhan sich die Hände nicht ausreichend wuschen – auf den Menschen überspringen konnte.
Das Coronavirus wird mit dem klassischen Grippevirus verglichen. Welche Unterschiede gibt es?
In einigen Aspekten sind die beiden Viren sich tatsächlich ähnlich. Etwa darin, dass die gesunde und junge Bevölkerung weniger von einem schweren Verlauf betroffen ist. Gefährlicher ist es für ältere Patienten oder solche mit Vorerkrankungen. Als Risikogruppe gelten Personen, die älter als 65 sind, an Lungenerkrankungen leiden oder Raucher sind – wie bei der normalen Grippe übrigens auch. Allerdings wurde festgestellt, dass das neue Coronavirus länger auf Oberflächen überlebt als das Grippevirus. Zudem ist die Sterblichkeitsrate mit zwei Prozent aktuell höher, als bei der klassischen Grippe mit 0,2 Prozent. Das ist bei einer neu auftretenden Erkrankung allerdings normal und dürfte sich mit der Zeit noch relativieren. Ein wichtiger Aspekt ist natürlich auch, dass es bislang noch keine Impfung gibt.
Welche Maßnahmen sind wirklich sinnvoll, um sich vor Ansteckung zu schützen?
Erst einmal ist natürlich davon abzuraten, in stark betroffene Regionen – also nach China, Japan oder Italien – zu reisen. Eine Schutzmaske macht nur dann Sinn, wenn man sich in einem Gebiet mit vielen Erkrankungsfällen aufhält. Der beste Schutz ist, sich regelmäßig gründlich die Hände zu waschen und sich nicht an Mund, Nase oder
Augen zu fassen. Mit den Händen fassen wir einfach alles an. Desinfektionsund Reinigungsmittel wie Lauge machen unter Umständen Sinn, um die offenbar ausgeprägte Resistenz des Virus auf Oberflächen und Objekten zu bekämpfen.
Wenn Corona nicht sehr viel gefährlicher als das normale Grippevirus ist, warum ist Quarantäne nötig?
Weil es noch viele unbeantwortete Fragen gibt. Momentan versuchen die Länder zu verhindern, dass die Fälle in ihren Gebieten steigen und wirtschaftliche Konsequenzen eintreten. Für Spanien könnte das Virus nicht nur eine touristische, sondern eine allgemein ökonomische Katastrophe bedeuten.
Experten sprechen davon, dass es ein Problem ist, dass man die genaue Verbreitung des Virus aus den Augen verloren habe. Was meinen sie damit?
Dass sie den Verbreitungsweg im Nachhinein nicht mehr genau nachvollziehen können. Wir wissen nicht genau, wer der sogenannte „Patient 0“war, der das Virus nach Italien einschleppte. Besonders schwer macht es das Virus den Wissenschaftlern auch, weil bei einigen Erkrankten die Symptome so harmlos ausfallen, dass sie gar nicht merken, dass sie nicht an einer normalen Erkältung leiden, sondern vom Coronavirus betroffen sind. Trotzdem sind diese Patienten natürlich ansteckend.
Wie äußern sich die ersten Symptome?
Beobachtet wurden Fieber, Husten und Atembeschwerden. Noch nicht ganz klar ist, ob die vom Coronavirus ausgelöste Erkrankung Covid-19 auch mit Gliederschmerzen wie bei einer normalen Grippe verbunden sein muss.
Was sollte man tun, wenn man glaubt, erkrankt zu sein?
Wer in Risikogebieten war oder direkten Kontakt mit Infizierten hatte, sollte sich so schnell wie möglich an sein Gesundheitszentrum wenden. Wer allerdings keine schweren Beschwerden hat, sollte dafür erst einmal seinen Arzt anrufen, statt ins Centro de Salud zu eilen und noch mehr Menschen anzustecken. Im Verdachtsfall werden dann Speichel- oder Bluttests gemacht.
Muss man mit einer CoronaHochzeit – ähnlich wie bei der normalen Grippe – oder gar einer alljährlichen CoronavirusWelle rechnen?
Es kann tatsächlich sein, dass sich die Coronavirus-Welle künftig im Januar, Februar und März an die der normalen Grippe im November und Dezember anschließt. Das hängt aber auch vom weiteren Verbreitungsverlauf und der Entwicklung eines Impfstoffes ab.
Wann kann man mit einer Impfung rechnen?
Soweit ich weiß, befindet sich die Entwicklung eines Impfstoffs in der experimentellen Phase. In China werden bereits Feldstudien und chemische Tests durchgeführt, in ein paar Monaten wird es wohl soweit sein. Bis zum nächsten Winter dürfte er aber auf jeden Fall auf dem Markt sein.
Es regt sich Kritik am Krisenmanagement der Chinesen, teilen Sie diese Ansicht?
In der Tat ist es bei den chinesischen Behörden offenbar zu Verzögerungen gekommen, die auch mit der dortigen Politik zusammenhängen. Niemand verbreitet gerne schlechte Nachrichten, vor allem, wenn man dabei um die Wirtschaft fürchten muss, aber in diesem Fall hat man wertvolle Tage oder gar Wochen verloren. Ähnliches gilt auch für Italien, wo man sich fragen kann, warum potenziell infizierte Personen noch das Land verlassen durften. Andererseits ist es für Staaten sehr schwierig, ihre Bürger einzuschränken und damit Wirtschaft und Tourismus zu gefährden. Auch die Absage von Großveranstaltungen wie den Fallas in Valencia steht jetzt im Raum. Ich möchte nicht in der Haut derjenigen stecken, die darüber entscheiden müssen. Ich selbst würde als Besucher hingehen. Wenn ich über 65 wäre, würde ich es mir aber ehrlich gesagt nochmal überlegen.