Die Stimme der Epidemie
Die Stimme der Vernunft klingt in Zeiten des Corona-Virus tief, rau und heißer. Sie kommt aus dem Mund des Mediziners Fernando Simón. Als Chef des Zentrums für sanitäre Notfälle, das sogenannte Centro de Coordinación de Alertas y Emergencias Sanitarias, informiert er die Presse täglich über die aktuelle Entwicklung des Virus und rät Politik und Behörden, wie sie darauf reagieren sollen. Die Fachwelt lobt die souveräne Art, wie der 57-Jährige den Ausnahmezustand managt. Einigen scheinen seine Maßnahmen aber zu kurz zu greifen, denn es zirkulieren Karikaturen von ihm in apokalyptischen Szenarien, in denen alle sterben, während er keinen Grund zur Besorgnis sieht.
Simón blickt auf eine Berufserfahrung in Afrika und Südamerika zurück. 2014 meisterte er die Ebola-Krise in Spanien und setzte die Rückführung des Missionars Miguel Pajares kurz vor seinem Tod durch. Dann musste er die Infizierung der Krankenschwester
Teresa Rodríguez und die Einschläferung ihres Hundes Excalibur rechtfertigen – immer auf seine Art, frei von der Leber weg. Nun versetzt Simón wieder die Pressestelle des Gesundheitsministerium in Alarmbereitschaft, weil er unverblümt Stellung bezieht. Doch weder konservative noch sozialistische Regierungen wollen auf diese raue Stimme der Vernunft verzichten. Schon gar nicht jetzt, wo Spanien in eine seiner kompliziertesten sanitären Krisen steuert. (sk)