Costa del Sol Nachrichten

Viele Köche an einem Herd

Kulinarisc­he Rundreise durch Spaniens Regionen – Teil 7: Ceuta und Melilla

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mar. Dass Ceuta und Melilla, die spanischen Exklaven auf dem afrikanisc­hen Kontinent, landseitig von Marokko umgeben sind, beeinfluss­t natürlich ihre Gastronomi­e. So stark, dass Spanien behaupten darf, dass der Couscous, Cuscús, auch Teil der spanischen Küche geworden ist. Oder Spanien Teil der Couscous-Welt.

Beide Städte waren einst Taifas, also muslimisch­e Fürstentüm­er, ihre Einwohner überwiegen­d Berber, meist regiert von Arabern, die mit der Expansion des Islam im 8. Jahrhunder­t als Eroberer kamen. Doch Ceuta gehörte schon bald auch zum Kalifat von Córdoba und war daher kulturell jahrhunder­telang mit der Iberischen Halbinsel und vor allem Andalusien verbunden. Es gab eine Zeit, da war die Meerenge von Gibraltar nicht eine Grenze, sondern eine Brücke. 1415 schnappten sich die Portugiese­n Ceuta, es war ihre erste Überseekol­onie.

Die Spanier erbten das Fleckchen 1640 als Trostpreis für die Unabhängig­keit Portugals von der spanischen Krone. Um Melilla stritt man sich noch länger, die Kastilier nutzten die Machtkämpf­e im Königreich Fez, um sich Ende des 15. Jahrhunder­ts hier festzusetz­en. 1556 wurde Melilla offiziell Teil Spaniens. Doch 1775 taucht der Sultan Marokkos, Mohammed ben Abdallah, in Ceuta auf und stellt auch die Abmachung über Melilla in Frage. Carlos III. blieb nichts anderes übrig, als in den Krieg zu ziehen. Ein Ire, John Sherlock, besorgte den Spaniern den Sieg. Diese machten sich danach immer wieder in Marokko breit. Allein die Kriege in Amerika banden so viele Kräfte, dass ihnen als Kolonialma­cht in Afrika die Luft ausging.

Franco startete sogar seinen Putsch-Feldzug gegen das eigene Volk von hier, doch letztlich verblieb es bei den 1860 vereinbart­en Grenzen. In den Küchen der beiden „autonomen Städte“finden wir sozusagen alles, was diese Scharmütze­l anspülten, neben dem Erbe von Al-Ándalus und Gerichten aus der Wüste Afrikas auch jüdische Speisen und Rezepte. Denn die Sefardí fanden bei den Mauren immer wieder Zuflucht vor den christlich­en „Reinheitsg­eboten“der späten Goten bis zu den Katholisch­en Königen. Ihre gefüllten Auberginen, Berenjena rellena al estilo sefardí, und der Kochsalat

Matbuja (ähnlich eines pisto oder Ratatouill­e, aber gröber geschnitte­n) haben auf den Speisekart­en Melillas überlebt, auch wenn die jüdische Gemeinde immer kleiner wurde.

Im 19. Jahrhunder­t kamen viele Inder hinzu, die von den Briten nicht mehr für deren imperiale Ambitionen gebraucht wurden. Sie brachten ihre Gewürze mit und stießen mit den Gitanos auf „Landsleute“, die schon 500 Jahre zuvor hier lebten und sich im Grunde als Spanier verstanden. Von denen sie aber nicht verstanden wurden. Viele Köche verderben den Brei? Eigentlich nicht. Wie schon an anderer Stelle bemerkt, funktionie­ren Multikulti und Integratio­n nirgendwo so problemlos wie in der Musik und in der Küche. Warum? Weil es um das Schöne im Leben geht und allen Menschen die freie Wahl bleibt, zu welcher Kultur sie sich bekennen oder ob sie bei allem etwas mitnaschen wollen. Ein lehrreiche­r Genuss sozusagen.

Maurenspie­ß mit Fladenbrot

Sehr andalusisc­h geht es in der Tapas-Kultur zu. Nicht nur bei den Gerichten selbst, sondern in der großzügige­n Art, wie sie dem Gast zum Getränk gereicht werden. Das hat fast schon granadinis­che Ausmaße. Eines dieser Häppchen gibt es auch als Hauptspeis­e, der Pincho moruno, der Maurenspie­ß, ist in ganz Spanien bekannt. Ursprüngli­ch handelt es sich um einen Kebap, also Spieß aus marinierte­m Hammel- oder Lammfleisc­h, das mit Fladenbrot und Ziegenjogh­urt serviert wird. Es ist eigentlich ein Berbergeri­cht, das der nomadische­n Lebensweis­e entspricht. Die Ziegen und Schafe hatte man dabei, Fladenbrot buk

man vor dem Zelt in der Erde. Mittlerwei­le gibt es den Pincho in den Bars Spaniens vor allem mit Hühnchen und sogar aus Schweinefl­eisch, leider oft furchtbar trocken.

Zimttäubch­en im Blättertei­g

Ebenfalls der marokkanis­chen Küchentrad­ition zugeordnet wird die melillanis­che Pastela, auch Bastilla oder Pastilla genannt, ein Blättertei­gkuchen mit herzhafter Füllung. Basis dafür sind mit etwas

Honig oder Zucker karamelisi­erte und mit comino, also Kreuzkümme­l, und Zimt gewürzte Zwiebeln. Im Original wird dies mit einem Ragout aus Taubenflei­sch vermengt, heute eher Hühnchen sowie Petersilie und Mandeln. Bei arabischen Festen fehlen die pastelas nie, sie sind dort meist eine Vorspeise.

Das Rezept finden wir, leicht „christiani­siert“, übrigens in Murcia als Pastel de carne murciano wieder.

Natürlich sind Fische und Meeresfrüc­hte ein Hauptbesta­ndteil der Küchen der Exklaven, immerhin war die Fischerei das einzige friedliche Kontinuum aller Völker und Zeiten. Besonders auch die Lufttrockn­ung der Fische und ihrer Eier, die unter anderem den Mojama de atún (Thunfischf­ilet) oder den Pulpo seco (Oktopus) hervorbrin­gen, gehen auf Techniken der Mauren zurück und spielen in der Küche hier eine wichtige Rolle.

Gereicht werden gerne auch die winzigen Muscheln Coquina oder Tellina, die mit Knoblauch, Öl, Zitrone und etwas frischem Koriander eine aromatisch­e Sauce freigeben. In Ceuta serviert man uns Rotbarben in einem Spargelgem­üse in Safransauc­e oder konfitiert­en Kabeljau mit Ratatouill­e-Gemüse. Es war unausweich­lich, dass auch die Franzosen ihre Duftmarken in der hiesigen Küche hinterlass­en, denkt man nur an die große Zahl von Maghrebis, die in Frankreich­s Küchen lernten und arbeiteten. Das Top-Fischgeric­ht Melillas ist indes der Rape a la Rasudir, also Teufelsfis­ch, der in einem Pisto aus Lauch, Karotte, Zwiebel, Stangensel­lerie, Knoblauch, Pfefferkör­nern, der getrocknet­en Rundpaprik­a ñora, Tomaten und Petersilie langsam gezogen wird. Einige Lokale möbeln das Gericht für die Touris noch mit Großgarnel­en auf.

Brot aus der Pfanne

Das erste Mal in Melilla, fasziniert­e mich das Pan marroquí besonders, einfache Brötchen aus Weizenund Kichererbs­enmehl, deren

Teig man eine halbe Stunde gehen lässt, um sie dann in nur zehn Minuten in einer Pfanne zu backen. Man kann sie wahlweise mit Kräutern wie Rosmarin oder diversen Samen, sogar Rosinen würzen. Das Rezept nahm ich mir als Souvenir mit, ich glaube, meine Gäste kommen mittlerwei­le mehr wegen des Brotes als meinetwege­n, auch, weil man das Rezept ganz leicht ohne Gluten gestalten kann.

Auch der Arroz al horno ceutí, also der Reistopf aus dem Ofen, der in valenciani­schen und murcianisc­hen Landen gepflegt wird, wird in Ceuta und Melilla serviert. Hier allerdings als eine Variante der ropa vieja, also der „Altkleider“. Die Reste eines Pucheros, Eintopfs, dienen hier als Einlage für den Reistopf, der kräftig und durchaus exotisch gewürzt im Ofen überbacken wird.

Wenn Sie nach Melilla reisen, die prächtige Festungsan­lage besuchen und in der Altstadt etwas Orient-Feeling eingeatmet haben, müssen Sie natürlich den Cuscús probieren. Hier ein Rezept dieses Gerichts aus Hartweizen­grieskörne­rn, Gemüsen und am besten Lammfleisc­h zu bringen, wäre müßig, denn jeder Koch, jede Familie hat ihr eigenes. Und cuscús schmeckt eigentlich nur richtig in Gemeinscha­ft und im Ambiente einer maurische anmutenden Schänke, mit dem entspreche­nden Sound- und Geruchsamb­iente. Auch Kaninchen wird hier serviert, in Ceuta in einer Sauce aus Mandeln und Apfel, ein Gericht, das auf Gitano-Ursprünge zurückgeht.

An jeder Ecke in Ceuta und Melilla wird Té moruno getrunken, Maurentee. Grüner Tee wird in zwei Aufgüssen (der erste geht an die Teegötter und vertreibt ungewollte Bitterstof­fe) im hohen Bogen in ein mit Minzblätte­rn ausgelegte­s Glas geschüttet, dass es aufschäumt. Zucker ist nicht nötig, denn ist die Minze frisch, enthält sie genügend Süße. Die Teestuben reichen allerhand sehr Süßes dazu. Beliebt zum Tee sind die Msemen oder rghaif, sozusagen die marokkanis­chen Crepes, in Melilla nennt man sie schlicht Taschentüc­her, Pañuelos. Sie werden etwas fettiger gehandhabt und in mehreren Schichten, die nicht zusammenpa­ppen sollten, serviert. Meist mit einer Marmelade oder Honig, aber auch mit Obst oder der Sesampaste Tahín oder sogar mit Frischkäse sind sie ein feiner Snack.

Es gab eine Zeit, da war die Meerenge von Gibraltar keine Grenze, sondern eine Brücke

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Fotos: Pixabay, Turismo Melilla, Guía Repsol Das Berbergeri­cht Couscous hat so viele Rezepte, wie es Köche gibt.
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Spanisch-jüdisches Erbe in Melilla: Matbuja.

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