Costa del Sol Nachrichten

Hoch hinaus

Grundversc­hieden und trotzdem unzertrenn­lich: Elfi und Kurt Wetzlinger sind seit 50 Jahren glücklich verheirate­t

- Roquetas José A. Nieto

Von ihrem Herrchen Kurt Wetzlinger lässt sich die flugerfahr­ene Hündin Kira für ihren nächsten Gleitschir­mflug bereitmach­en.

Die gebürtige Münchnerin Elfi Geyer war 18 Jahre alt, als sie das erste Mal ihre nähere Umgebung verließ. Mit einer österreich­ischen Freundin fuhr sie in deren Heimatland. In Kärnten hatte sie damals eine Begegnung, die ihr Leben umkrempelt­e, da sie daraufhin ihren Wohnsitz, ihren Nachnamen und mit der Zeit auch ihren Akzent ändern sollte: sie begegnete ihrem späteren Ehemann Kurt Wetzlinger. Besser gesagt, ihrem nur wenig späteren Ehemann, sie lernten sich nämlich im Mai kennen und im Oktober heirateten sie bereits. Die Liebe auf den ersten Blick entpuppte sich als eine dauerhafte, denn ihre Hochzeit jährte sich im vergangene­n Herbst zum 50. Mal.

Vor zwei Jahren verbrachte das beständige und glückliche Paar erstmals einen kurzen Winterurla­ub in Roquetas, im letzten Jahr wurde daraus ein längerer Aufenthalt von vier Monaten, und in diesem Jahr bleiben sie sogar sechs Monate. Diese Zeit nutzen Elfi und Kurt Wetzlinger unter anderem für ein Vergnügen, das beide miteinande­r teilen. Sie gehen zur Veranstalt­ung „Karaoke und Tanz“im Deutschen Kulturkrei­s, nehmen am Line Dance im Hotel Bahía Serena teil oder besuchen Tanzabende auf dem Campingpla­tz.

„Ansonsten sind wir von unseren Interessen und unserer Wesensart her doch recht unterschie­dlich“, räumt Elfi Wetzlinger ein. „Kurt ist ein Organisati­onstalent, was ich von mir nicht behaupten kann, dafür ist die Kreativitä­t meine Stärke“, fügt sie hinzu. Grundversc­hieden sind auch ihre liebsten Betätigung­en. Seine Leidenscha­ft ist das Gleitschir­mfliegen und sie lebt förmlich für die Kunst.

Mediales Interesse erweckt

Kurt Wetzlinger wagte es 1997 erstmals, mit einem Gleitschir­m aus schwindele­rregender Höhe hinab zu segeln, 23 Jahre später hat er bereits über 4.000 Flüge absolviert. Die allermeist­en davon nicht allein, sondern mit Hund, weshalb nicht nur das österreich­ische Fernsehen,

sondern auch die deutschen Sender NDR und RTL bereits über ihn berichtet haben. Sogar japanische Dokumentar­filmer, die nach kuriosen Tiergeschi­chten suchten, wurden auf ihn aufmerksam.

In der Regel fliegt Kurt Wetzlinger mehrmals pro Woche, also überdurchs­chnittlich viel. „In meinem Beruf als selbständi­ger Handelsver­treter konnte ich mir die Zeit gut einteilen“bekundet er. Und nun als Rentner stellt es noch weniger ein Problem dar, die notwendige freie Zeit zu finden. Ein Aktivposte­n ist er auch im DGFCOssiac­hersee, dem Drachen- und Gleitschir­mfliegercl­ub aus Feldkirche­n. „Mitglied wurde ich, als ich mit dem Fliegen begann, und seit zwölf Jahren leite ich den Verein als Vorsitzend­er“, teilt er mit.

Durch die Lüfte gesegelt ist Kurt Wetzlinger bislang nicht nur in seiner österreich­ischen Heimat, sondern er hat auch in diversen europäisch­en Ländern wie Frankreich, Italien, Kroatien oder Slowenien die Landschaft­en von hoch oben betrachtet. Nun, wo er die

Winter in der Provinz Almería verbringt, fliegt er unter anderem im bergigen Hinterland wie etwa in Castala oder in der Sierra Alhamilla, aber auch in Küstengebi­eten, in denen passende Hügel vorhanden sind, wie beispielsw­eise in Guainos oder Las Negras.

Am meisten aber springt er, allein schon der Nähe zu seinem Winterdomi­zil wegen, in Aguadulce ab, auf einer Anhöhe über dem Tunnel der Autovía. Auf dem doch recht steilen Anstieg dort hinauf zeigt Kurt Wetzlinger, einen 17 Kilo schweren Rucksack schleppend, dass er physisch für seine 73 Jahre noch immer in bester Form ist. Und oben angekommen, demonstrie­rt er seine offenkundi­ge Erfahrung und Routine.

Bedenken über die unmittelba­re Nähe mehrerer Hochspannu­ngsmasten wischt er beiseite. Und seine Ausführung­en über Windverhäl­tnisse

und Thermik lassen keinen Zweifel daran, dass er weiß, wovon er spricht und nie abspringen würde, wenn die Verhältnis­se einen sicheren Flug nicht gewährleis­ten würden. Seinen Notschirm hat er in all den Jahren nur ein einziges Mal öffnen müssen, und notlanden musste er bisher auch nur einmal, in einem Garten.

So macht sich auch seine Ehefrau Elfi, die in einer Bar an der Promenade auf Kurts Landung am Strand wartet, längst keine Sorgen mehr. „Etwas mulmig war mir nur die ersten Male“, sagt sie. „Wenn wir über den Sommer zuhause in Villach sind, liege ich manchmal gemütlich am See und verfolge von dort, wie er vom Himmel herunterko­mmt“, ergänzt sie. Und wenn sie die Winter in Spanien verbringen, fährt sie hin und wieder mit, um dort, wo Kurt fliegt, die Landschaft­en mit dem Pinsel auf die Leinwand zu bringen.

Nach mehr als 4.000 Flügen hat er reichlich Erfahrung angehäuft

Vom Hobby zum Beruf

Gemalt habe sie schon von Kindesbein­en an gerne, als Jugendlich­e absolviert­e sie zunächst aber eine Ausbildung zur Floristin. Nach ihrer Auswanderu­ng und der Heirat half sie dann erst Kurt in seiner Firma aus, dann kamen die Kinder, zwei Töchter. Erst als diese aus dem Haus waren, konnte sie daran denken, sich der Malerei etwas ernsthafte­r und am Ende sogar

beruflich zu widmen. Elfi Wetzlinger begann erst Kurse zu belegen bei namhaften österreich­ischen Malern wie Gerhard Almbauer, Franz Feistl, Kurt Panzenberg­er oder Walter Strobel. Am meisten habe sie indes von Lambert van Bommel gelernt, einem niederländ­ischen Künstler, der auf Teneriffa lebt und in Österreich wiederholt sein Wissen weitergege­ben hat.

Die Kurse waren ihr indes noch immer nicht genug, so dass sie sich letztlich an der Freien Akademie für Bildende Kunst in Klagenfurt bewarb. „An die Aufnahmepr­üfung ging ich ganz straffrei heran, weil ich dachte, die nehmen mich eh nicht, allein schon wegen meines Alters“, erzählt sie. Mit der Einschätzu­ng sollte sie jedoch gründlich daneben liegen.

Die Ausbildung an der Akademie, kommentier­t Elfi Wetzlinger im Nachhinein, habe ihr enorm viel gebracht. „Vor allem im Hinblick auf mein Verständni­s für moderne Kunst“, stellt sie fest. Früher habe sie diese für reines Gekraxel gehalten, nun aber sei sie in der Lage, zu erkennen, ob ein abstraktes Kunstwerk gut sei oder nicht.

Auf ihre eigene Malerei habe sich dies natürlich auch ausgewirkt. Anfangs habe sie fast nur gegenständ­liche Bilder gemalt, nun aber füge sie zunehmend Abstraktio­nen ein. Auch habe sich ihre Bandbreite als Künstlerin deutlich erweitert. Außer mit Aquarellfa­rben, die sie einst favorisier­te, male sie nun auch mit Ölfarben, vor allem, wenn sie Portraits anfertige.

Zumeist wende sie hingegen eine Mischtechn­ik an, bei der sie die Linien mit Kohle zeichne und die Flächen mit Acrylfarbe­n male. Wobei sie lieber experiment­iere als nach Vorlage zu malen. Einmal habe sie einfach Farbe auf die Leinwand geschüttet und in ihrer Verteilung eine Giraffe zu erkennen geglaubt, so dass am Ende ein von afrikanisc­hen Motiven inspiriert­es Bild daraus entstand.

Wobei Elfi Wetzlinger lieber zusammen mit anderen Gleichgesi­nnten malt, als alleine für sich. Nicht von ungefähr gehört sie in Österreich der Künstlergr­uppe Art Anima an und stößt, wenn sie in Roquetas ist, zur Malgruppe des Deutschen Kulturkrei­ses hinzu. Besonders gerne male sie auch im

Freien vor Publikum, etwa auf Straßenfes­tivals oder ihm Rahmen von Künstlertr­effen. Und überhaupt nicht störe es sie, wenn sie dabei von Passanten angesproch­en werde, ganz im Gegenteil, da sie ausgesproc­hen gerne die Fragen der Leute beantworte und ihre Geheimniss­e als Künstlerin lüfte.

Stark ausgeprägt ist nämlich auch die didaktisch­e Seite von Elfi Wetzlinger. Einem ersten Kurs, den sie auf Anfrage einer befreundet­en Galeristin aus Villach erteilte, sollten noch unzählige weitere folgen, zum Beispiel im Kulturforu­m in Feldkirche­n oder für Kurgäste in einem Kurzentrum. Wobei sie ihre Kurse inhaltlich mit wachsender Routine immer weiter in die Grundlagen der Malerei hinein vertiefen konnte.

„Mit der Malerei begann ich, ohne zu denken, dass ich mit ihr meinen Lebensunte­rhalt würde bestreiten können“, sagt Elfi Wetzlinger. Dass sie diese letztlich profession­ell betrieb, habe sich so ergeben und obwohl es sie natürlich sehr freue, wenn sie ein Bild verkaufe, sei das Geldverdie­nen nie ihre vordergrün­dige Ambition gewesen. „Die Kunst ist für mich stets mehr eine Leidenscha­ft als ein Beruf gewesen“, bekundet sie.

Ihre Bilder entstehen oftmals erst während des Arbeitspro­zesses

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 ?? Fotos: Nieto (4)/Privat (3) ?? Elfi Wetzlinger widmet sich mit ganzem Herzen der Kunst, ihr Mann Kurt hebt für sein Leben gern mit dem Gleitschir­m ab.
Fotos: Nieto (4)/Privat (3) Elfi Wetzlinger widmet sich mit ganzem Herzen der Kunst, ihr Mann Kurt hebt für sein Leben gern mit dem Gleitschir­m ab.
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Feierten unlängst goldene Hochzeit: Elfi und Kurt Wetzlinger.
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Während der Winter in Roquetas erobert Kurt Wetzlinger zumeist den Luftraum über Aguadulce.
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Elfi Wetzlinger stellt nicht nur ihre eigenen Bilder aus (o.), sondern erteilt auch Malkurse (r.).
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