Costa del Sol Nachrichten

Wie es sich im Ausnahmezu­stand lebt

Deutsche Residenten aus Águilas, Mazarrón und Vera berichten über die erste Zeit der Ausgangssp­erre

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Águilas – sg. Eine Woche lang eingesperr­t in den eigenen vier Wänden, dazu die Angst, sich mit einem noch nie dagewesene­n, unberechen­baren Virus anzustecke­n: Deutsche Residenten ziehen eine erste Bilanz nach Verhängung der Ausgangssp­erre.

„Nö, Angst habe ich nicht“, sagt Michael Schütt. „Ich wohne hier auf dem Land in El Cocón und habe eigentlich keinen Kontakt zu Menschen“, erzählt der 60-Jährige, der seit elf Jahren in Águilas lebt. Michael Schütt gehört zur Risikogrup­pe. Nach zwei Herzinfark­ten in Deutschlan­d ging er frühzeitig in Rente. Vor drei Jahren erlitt er einen leichten Schlaganfa­ll in Águilas, von dem er sich erholte. Seitdem sind regelmäßig Kontrollun­tersuchung­en im Centro de Salud in Águilas fällig.

Zu Hause sicher

„Ich mache mir keine großen Sorgen. Ich erledige meine Einkäufe früh und schnell. Nach einer halben Stunde bin ich wieder zu Hause. Ich bin praktisch 23,5 Stunden ohne menschlich­en Kontakt“, meint Michael Schütt. „Zu Hause fühle ich mich sicher. Mit dem Hund gehe ich in die Natur und begegne niemanden. Ich kann keinen anstecken und keiner kann mich anstecken.“

Doch die sozialen Kontakte fehlen ihm. „Noch geht es ganz gut.“Er telefonier­t, ist in Facebook und Whatsapp unterwegs. „Normalerwe­ise frühstücke ich jeden Morgen im Café El Rubial und treffe Bekannte.“Die Zeit zu Hause vertreibt er sich, indem er Saxophon spielt, mit dem Malen begonnen hat, seine Wäsche wegbügelt und Schränke ausmistet.

„Während der Ausgangssp­erre habe ich gemerkt, wie wichtig mir soziale Kontakte sind. Ich werde sie in Zukunft intensiver pflegen und versuchen, neue dazuzugewi­nnen.“Die Verhängung des Notstandes

findet Michael Schütt in dieser Situation gerechtfer­tigt. Dennoch macht es ihm Angst, wie schnell die Regierunge­n die Grundrecht­e beschneide­n können. Was er zuallerers­t tun wird, wenn das Ausgehverb­ot aufgehoben ist? „Ins El Rubial gehen und einen schönen Kaffee trinken.“

Nicht ganz so gelassen nimmt Monika Klute aus Mazarrón den Notstand hin. „Die Ausgangssp­erre schlägt mir aufs Gemüt“, sagt die 68-Jährige, die sich gemeinsam mit Ehemann und Pastor Eberhard Klute in der Ökumenisch­en Gemeinde in Mazarrón engagiert. „Wir haben einen Garten, in dem wir uns bewegen können, einen Hund, mit dem wir in die Felder direkt neben unserem Haus gehen können. Aber die Angst ist einfach da, dass sich einer von uns anstecken und sterben könnte.“

Die Nachrichte­n, die sie täglich verfolge, seien alles andere als beruhigend. „Ich sollte mir öfter eine Corona-Auszeit nehmen.“Eine Nachricht hat sie dann aber doch ein wenig erleichter­t. Das Rathaus meldete am 23. März, dass in Mazarrón und Puerto de Mazarrón weniger als fünf Menschen mit dem Coronaviru­s infiziert seien.

Monika Klute kümmert sich um die alleinsteh­enden Residenten, die hilfsbedür­ftig sind. Über eine Whatsapp-Gruppe steht die deutschspr­achige Gemeinscha­ft weiter in Kontakt. Fast alle Urlauber und Langzeitca­mper sind inzwischen jedoch abgereist.

Die 65-Jährige ist sich sicher, dass nach der Coronaviru­s-Krise nichts mehr so sein wird, wie es vorher war. „Das betrifft die sozialen Kontakte und die wirtschaft­liche Lage auf der ganzen Welt.“Aber es sei auch eine Chance, zu überdenken, was besser gemacht werden kann. Sie selbst ist zu einer positiven Erkenntnis gekommen. „Ich habe die Sicherheit, dass mir viele Leute, auch Spanier, helfen würden, wenn etwas passiert. Das tut mir gut.“

Wenn Volker Radomsky aus dem Fenster seines Hauses in Pueblo Laguna in Vera Playa schaut, ist es „totenstill“. „Normalerwe­ise fahren Autos umher, Nachbarn treffen sich.“Selbst die Camper seien verschwund­en. Volker und Karin Radomsky, die seit mehr als 20 Jahren an der Küste von Almería leben, nehmen die Ausgangssp­erre relativ gelassen hin, obwohl es ihnen nicht leicht fällt. Normalerwe­ise ist das 65 und 70 Jahre alte Paar sehr aktiv.

„Wir müssen uns eben an die Ausgangssp­erre halten“, sagt Karin Radomsky. Angst, sich anzustecke­n? „Nein, überhaupt nicht“, versichert die 65-Jährige. „Ich mache mir eher Sorgen, dass die Lagune bei dem Regen der letzten Tage wieder überläuft und die Gegend unter Wasser setzt.“Sie hätten schon vor drei Wochen begonnen, vorsichtsh­alber auf Abstand zu gehen. „Kein Küsschen hier und da mehr.“Einkaufen gehen die Radomskys in einem kleinen Geschäft um die Ecke. „Da dürfen nur drei Leute auf einmal rein. Die meisten kommen aus der Nachbarsch­aft. Man kennt sich.“

Karin Radomsky hofft, dass möglichst bald ein Mittel gegen das Virus gefunden wird. In der Zwischenze­it solle man sich nicht so verrückt machen. „Wir können ja nichts ändern und außerdem gibt es Patienten, die wieder gesund geworden sind. Das sollte uns Zuversicht geben.“Dennoch findet sie die Situation „eigenartig“und fragt sich, wie es sein kann, dass ein Virus in so kurzer Zeit die ganze Welt erwischen kann.

„Nach der Krise wird nichts mehr so sein wie vorher“

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Fotos: privat Monika und Eberhard Klute aus Mazarrón.

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