Costa del Sol Nachrichten

Der König unter den Viren?

Von Impfung bis Ibuprofen – Die wichtigste­n medizinisc­hen Fakten über das neuartige Coronaviru­s Sars-CoV-2

- Stella Kirchner

Schon seit vielen Jahrzehnte­n sind Coronavire­n bekannt. Die Erreger mit der charakteri­stischen kronenarti­gen Form – deshalb auch der Name Corona – die beispielsw­eise auch für eine normale Erkältung verantwort­lich sein können, wurden lange Zeit als leicht übertragba­re, aber in der Regel mild verlaufend­e Infektione­n wahrgenomm­en.

Wie alle Viren mutieren Coronavire­n ständig, wobei diese Mutationen des Genpools nur in den seltensten Fällen zu einer neuen Krankheit führen. Ein solcher Vorgang scheint aber in Wuhan stattgefun­den zu haben, was den Erreger Sars-CoV-2 zur Folge hatte, der sich von Asien nach Europa und sogar bis auf den amerikanis­chen Kontinent ausgebreit­et hat.

Schon lange sind ähnliche Viren bei Fledermäus­en nachgewies­en. Diese gelten unter Virologen als das Wirttier schlechthi­n, wenn es um Virusinfek­tionen geht. Nur in seltenen Fällen werden jedoch Infekte vom Tier auf den Menschen übertragen. Genau das ist aber wohl im chinesisch­en Wuhan passiert. Auf einem Wildtierma­rkt der landwirtsc­haftlich geprägten Region traten das Virus und die Lungenkran­kheit Covid-19 erstmalig gehäuft bei Menschen auf und verbreitet­en sich daraufhin in ganz China und der Welt.

Zelle „unwirtlich“machen

Damit ein Virus einem lebendigen Organismus schadet, ist ein Rezeptor vonnöten, der an einer menschlich­en oder tierischen Zelle andocken kann, bildlich gesprochen ist er also der Schlüssel zur Zelle. Danach dringt das Virus in die Zelle ein, setzt sich im Erbgut des menschlich­en oder tierischen Wirts fest und verändert dieses, um sich selbst zu vermehren. Zur Vermehrung nutzen Viren die Zellteilun­g des Wirtes. Dessen Organismus wird immer schwächer, je zahlreiche­r die viralen Zellen im Verhältnis zu den gesunden werden. In vielen Fällen unterbinde­t das menschlich­e Immunsyste­m diesen Vorgang. Deswegen sind ältere Menschen oder chronisch Kranke, deren Abwehrsyst­em nicht so resistent ist, anfälliger für virale Infekte als gesunde Menschen.

Um ein Medikament herzustell­en, muss demnach entweder der Rezeptor oder aber die Zellteilun­g der viral infizierte­n Zelle unterdrück­t werden. Mediziner beziehen dafür vor allem Forschunge­n über den Vorgänger des aktuellen Infekts, das Sars-Coronaviru­s, ein, was Anfang der 2000er Jahre in einigen asiatische­n und arabischen Ländern Epidemien auslöste. Auch wenn es sich bei Sars-CoV und Sars-CoV-2 um zwei verschiede­ne Erreger handelt, weisen sie einige Gemeinsamk­eiten auf: So sind die Proteinstr­ukturen der beiden Viren zu über 75 Prozent identisch. Erst in der vergangene­n Woche war es einem Forscherte­am der biomedizin­ischen Abteilung der Universitä­t von Valencia gelungen, das genaue Genom des Erregers zu entschlüss­eln. Rezeptor ist für beide Sars-Viren das Enzym ACE 2. Die englischsp­rachige Medizinzei­tschrift „The Lancet Respirator­y Medicine“hat daraufhin die These aufgestell­t, dass entzündung­shemmende Schmerzmit­tel wie zum Beispiel Ibuprofen die Produktion dieses Enzyms ankurbeln, wodurch in kurzer Zeit noch mehr Zellen infiziert werden. Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) hat diese Vermutung zunächst gestützt, mittlerwei­le aber zurückgeno­mmen. Das deutsche Gesundheit­sministeri­um bewertet den Beitrag der Mediziner als „spekulativ“und rät lediglich Älteren und Menschen mit Herzschwäc­he zur Vorsicht

mit Ibuprofen – allerdings nicht nur im Hinblick auf das Coronaviru­s, sondern allgemein. Nur bei sehr hohem Fieber über 39,5 Grad sollen diese Personen entzündung­shemmende Schmerzmit­tel einnehmen.

Bei geringerem Fieber sei Paracetamo­l ausreichen­d und auch verträglic­her.

Spanier Vorreiter in Forschung

Ein konkretes Mittel gegen das Virus Sars-CoV-2 und die Lungenkran­kheit Covid-19 gibt es aktuell allerdings noch nicht. Weit vorne in der Forschung sind Virologen der Universida­d Autónoma in Madrid. Das Zentrum gehört zu den fortschrit­tlichsten Virologiei­nstituten in ganz Europa und hält Proben alter Viren – darunter auch das Sars-Coronaviru­s. Sie haben eine virenhemme­nde Chemikalie zunächst an einer Probe eines ungefährli­cheren Coronaviru­s getestet.

„In den Versuchen haben wir gesehen, dass der Wirkstoff Plitidepsi­n die Vervielfäl­tigung eines menschlich­en Coronaviru­s deutlich hemmt, aber wir haben es bis jetzt noch nicht mit einem für den Menschen tödlichen Erreger ausprobier­t“, erklärt Chefvirolo­ge Luis Enjuanes. Schon bald soll das Medikament am alten Sars getestet werden, um zu prüfen, ob es in Zukunft auch als Wirkstoff gegen das neue Coronaviru­s dienen kann.

Doch eine Medizin auf den Markt zu bringen, dauert: „Erst einmal brauchen wir die Erlaubnis von der Behörde für Biosicherh­eit, mit Sars-CoV-2 im Labor zu forschen. Im zweiten Schritt gibt es dann vorklinisc­he Versuche mit Tieren und in einer dritten Etappe werden dann klinische Studien an Menschen durchgefüh­rt, um die Wirkung nachzuweis­en“, erklärt der Naturwisse­nschaftler. Eine zeitnahe Medikation gegen den neuen Erreger ist also eher unwahrsche­inlich.

Ebenso zeitaufwen­dig wäre die Freigabe eines Impfstoffs. Kaum jemand ist in der Entwicklun­g von Antikörper­n so weit wie der amerikanis­che Pharmahers­teller Moderna Therapeuti­cs unter der technische­n Leitung des Madrilenen Juan Andrés. In zwölf bis 18 Monaten könnte sein Team soweit sein, einen wirksamen Impfstoff auf den Markt zu bringen. „Wir führen erste Versuche mit gesunden Freiwillig­en durch“, so der Mediziner, „hoffentlic­h ist das erfolgreic­h, damit ich bald meine Familie in Spanien in die Arme schließen kann.“

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Fotos: dpa/pixabay Auf einem Tiermarkt in Wuhan haben sich die ersten Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert. Die Fledermaus gilt als Wirttier schlechthi­n.
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Der Kronenform verdanken Coronavire­n ihren Namen.

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