Krankheitsfälle früh identifizieren
Echte und falsche, schnelle und langsame Tests: Wie zuverlässig kann das Coronavirus nachgewiesen werden?
In den letzten Tagen hat man sehr häufig von Schnelltests zur Feststellung des neuen Coronavirus Sars-CoV-2 gehört. Doch welche Methode ist wirklich zuverlässig, und warum ist es überhaupt wichtig, Krankheitsfälle nachzuweisen? Eine relativ schnelle und sichere Methode sind Labortests.
In Spanien folgt das Verfahren einem strengen Protokoll, um die knappen Tests denjenigen zukommen zu lassen, die wirklich gefährdet sind. In öffentlichen Krankenhäusern etwa werden nur Patienten getestet, denen es so schlecht geht, dass sie stationär behandelt werden müssen. Betroffenen, die zwar Symptome, aber einen eher leichten Krankheitsverlauf aufweisen, teilt das jeweilige Gesundheitszentrum gegebenenfalls telefonisch einen Termin für einen Test zu. Diesen führt das Personal mittlerweile vielerorts vorm Krankenhaus im Auto durch, ohne dass die Patienten aussteigen müssen. Für medizinisches Personal, Polizisten und weitere Einsatzkräfte gelten Sonderregelungen.
In Privatkliniken können ebenfalls Tests durchgeführt werden, jedoch nicht auf Wunsch des Patienten, sondern nach den Kriterien des Gesundheitsministeriums. „Momentan können wir lediglich Tests bei eingewiesenen Patienten mit entsprechenden Symptomen und bei medizinischem Personal mit Symptomen durchführen“, schreibt etwa der Klinikbetreiber Imed auf seiner Internetseite.
Die spanischen und europäischen Labors arbeiten aktuell vor allem mit sogenannten PCR-Tests, die relativ teuer in der Durchführung sind. Die Hauptschwierigkeit ist dabei, dass ein Virus eine sehr kleine Struktur ist, noch kleiner als ein Bakterium, und dementsprechend schwer festgestellt werden kann. Im Gegensatz zu vielen anderen Erregern besteht das neue Coronavirus nicht aus DNA, sondern aus RNA, also nur aus einem Strang Erbgut.
Erkennen und vervielfältigen
Im Labor werden einer Probe aus der Nase, dem Rachen- oder Halsraum des Patienten von einem Computer spezielle Enzyme zugesetzt, die die RNA von SarsCoV-2 vervielfältigen können. Ein Stoff verfärbt die Erbgut-Fetzen und zeigt so an, ob und wie viele Erreger sich im Organismus befinden. Dieses Verfahren funktioniert bereits in einem frühen Krankheitsstadium, da die Enzyme schon kleinste Mengen an RNA-Schnipseln im Körper identifizieren können. Allerdings muss gewährleistet sein, dass der Abstrich an der richtigen Stelle entnommen wird, im Mund und der Nase so weit hinten wie möglich. Auch auf den Zeitpunkt kommt es an: Als erstes ist der Rachen infiziert, im späteren Verlauf der Krankheit weicht sie eher auf die Lunge aus, sodass ein PCR-Test im Rachenraum sogar negativ ausfallen kann.
Obwohl der PCR-Tests exakte Ergebnisse liefert, hegen die Gesundheitsbehörden stattdessen große Hoffnung auf Schnelltests, die ähnlich funktionieren sollen wie ein Schwangerschaftstest. Der Nutzer kann selbstständig einen Tropfen Blut entnehmen, der von einer Substanz binnen weniger Minuten ausgewertet wird. Streifen zeigen eine Erkrankung an.
Hierbei wird nicht das Virus selbst nachgewiesen, sondern die Antikörper, die das Immunsystem gegen den viralen Infekt entwickelt hat. Solche Proben können weit mehr als nur einen Befund über eine aktuelle Erkrankung erbringen: Nach der Epidemie könnte Spanien durch ein solches Verfahren feststellen, wie viele Menschen wirklich infiziert waren.
Es wird eine hohe
Dunkelziffer vermutet, da nicht jeder Betroffene starke
Symptome aufweist.
Aktuell arbeiten hier bereits Krankenhäuser
mit Blutspenden von Patienten, die eine Immunität gegen SarsCoV-2 aufgebaut haben, um schwerkranke Patienten zu heilen. Konkrete Aufrufe zu Blutspenden von Gesundgeschriebenen startet das Land aber derzeit nicht.
Antikörper können allerdings erst etwa eine Woche nach der Infizierung nachgewiesen werden, da der Körper Zeit braucht, um auf den „Eindringling“zu reagieren. So gibt es auch eine andere Art Schnelltest mit Substanzen, die Proteine, aus denen das neue Coronavirus besteht, im Blut nachweisen. Beide Arten von Tests sind bereits auf dem Markt und werden auch – besonders in Asien – schon zahlreich eingesetzt. Auch die USA haben einen eigenen Schnelltest zugelassen. Über die Wirkungsweisen gibt es jedoch bislang nur wenige handfeste Belege. „Aktuell sind diese Tests noch in der Entwicklung beziehungsweise Zulassungsphase“, schreibt das deutsche Robert-Koch-Institut beispielsweise.
Das spanische Gesundheitsministerium äußert sich positiver als Deutschland zu den Schnelltests. „Neben dem Vorteil, dass sie viel schnellere Ergebnisse liefern als ein PCR-Verfahren, können sie zu Hause durchgeführt werden, was einen bedeutenden Vorteil in der aktuellen Situation darstellt“, teilt die Behörde der Presse mit.
Der Test ohne Lizenz
Und das, obwohl das Ministerium selbst einem Immuntestprodukt ohne Lizenz zum Opfer gefallen war. Über 9.000 Kits der Firma Bioeasy aus China musste die Regierung
zurückschicken, weil deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen werden konnte. Die chinesische Botschaft in Madrid gab außerdem an, dass die Firma keine Lizenz besitze. Dabei waren die Produkte mit dem CE-Siegel und einem Zertifikat vom deutschen TÜV Süd versehen. In Asien werden die Produkte offenbar weniger kritisch gesehen, vor allem Südkorea und Taiwan setzten sie tausendfach ein.
War Südkorea anfangs ein Krisenherd in der Coronavirus-Pandemie, ist das Land mit 9.661 Infizierten und 158 Todesfällen aktuell (Stand 31. März) nur noch auf Platz zwölf der betroffensten Nationen und konnte die Ausbreitung des Virus deutlich verlangsamen. Taiwan, das sich in nächster Nähe zum Ursprungsland des neuen Coronavirus, China, befindet und täglich die meisten Flüge dorthin anbietet, musste lediglich 306 Infektionen und fünf Tote beklagen.
In der Fachzeitschrift „Journal of the American Medical Association“erläutert ein Wissenschaftler der Stanford University Taiwains Strategien: Von Anfang an wurden flächendeckend Tests durchgeführt, Risikogruppen aufgrund von Bewegungsprofilen der Smartphones ausfindig gemacht, die Regierung kommunizierte mehrsprachig die drohende Gefahr und verordnete der Risikogruppe eine strenge Quarantäne. Wie sieht es allerdings mit der demokratischen Durchführbarkeit solch strikte Maßnahmen in einer Anfangsphase, in der noch wenige Betroffene zu beklagen waren, aus? Darüber macht die Studie keine Angaben.
Sogar noch mehr Proben wertete Südkorea aus. Bereits Ende Februar waren im Land über 45.000 Menschen auf den Erreger überprüft worden, aktuell sind es 316.664. Wissenschaftler sind sich einig, dass kein anderes Land so viele Menschen überprüft hat. Ausgerechnet Spanien gab nun aber an, „mindestens 355.000 Verfahren“durchgeführt zu haben, wie Dr. Raquel Yotti Álvarez, Direktorin des medizinischen Forschungszentrums Carlos III., bekräftigt. Auch Ministerpräsident Pedro Sánchez nannte diese Zahl.
Dagegen stehen Aussagen von Patienten und Pflegern, die berichten, dass kaum getestet wurde. Laut einer Erhebung der Oxford University, die auf der Website „One World Data“veröffentlicht wurde, hatte Spanien bis 18. März 30.000 Proben ausgewertet. Demnach müssten die Krankenhäuser in den zehn Tagen, die zwischen den beiden Daten liegen, mehr als 325.000 Tests durchgeführt haben. Öffentlich dokumentiert ist die Zahl nicht. Die Regierung versichert, neue Kits seien auf dem Weg von
China nach Spanien – diesmal von einem zertifizierten Pharmaunternehmen.
PCR ist kosten- und zeitintensiv, Selbsttests müssen noch besser geprüft werden