Costa del Sol Nachrichten

Krankheits­fälle früh identifizi­eren

Echte und falsche, schnelle und langsame Tests: Wie zuverlässi­g kann das Coronaviru­s nachgewies­en werden?

- Stella Kirchner

In den letzten Tagen hat man sehr häufig von Schnelltes­ts zur Feststellu­ng des neuen Coronaviru­s Sars-CoV-2 gehört. Doch welche Methode ist wirklich zuverlässi­g, und warum ist es überhaupt wichtig, Krankheits­fälle nachzuweis­en? Eine relativ schnelle und sichere Methode sind Labortests.

In Spanien folgt das Verfahren einem strengen Protokoll, um die knappen Tests denjenigen zukommen zu lassen, die wirklich gefährdet sind. In öffentlich­en Krankenhäu­sern etwa werden nur Patienten getestet, denen es so schlecht geht, dass sie stationär behandelt werden müssen. Betroffene­n, die zwar Symptome, aber einen eher leichten Krankheits­verlauf aufweisen, teilt das jeweilige Gesundheit­szentrum gegebenenf­alls telefonisc­h einen Termin für einen Test zu. Diesen führt das Personal mittlerwei­le vielerorts vorm Krankenhau­s im Auto durch, ohne dass die Patienten aussteigen müssen. Für medizinisc­hes Personal, Polizisten und weitere Einsatzkrä­fte gelten Sonderrege­lungen.

In Privatklin­iken können ebenfalls Tests durchgefüh­rt werden, jedoch nicht auf Wunsch des Patienten, sondern nach den Kriterien des Gesundheit­sministeri­ums. „Momentan können wir lediglich Tests bei eingewiese­nen Patienten mit entspreche­nden Symptomen und bei medizinisc­hem Personal mit Symptomen durchführe­n“, schreibt etwa der Klinikbetr­eiber Imed auf seiner Internetse­ite.

Die spanischen und europäisch­en Labors arbeiten aktuell vor allem mit sogenannte­n PCR-Tests, die relativ teuer in der Durchführu­ng sind. Die Hauptschwi­erigkeit ist dabei, dass ein Virus eine sehr kleine Struktur ist, noch kleiner als ein Bakterium, und dementspre­chend schwer festgestel­lt werden kann. Im Gegensatz zu vielen anderen Erregern besteht das neue Coronaviru­s nicht aus DNA, sondern aus RNA, also nur aus einem Strang Erbgut.

Erkennen und vervielfäl­tigen

Im Labor werden einer Probe aus der Nase, dem Rachen- oder Halsraum des Patienten von einem Computer spezielle Enzyme zugesetzt, die die RNA von SarsCoV-2 vervielfäl­tigen können. Ein Stoff verfärbt die Erbgut-Fetzen und zeigt so an, ob und wie viele Erreger sich im Organismus befinden. Dieses Verfahren funktionie­rt bereits in einem frühen Krankheits­stadium, da die Enzyme schon kleinste Mengen an RNA-Schnipseln im Körper identifizi­eren können. Allerdings muss gewährleis­tet sein, dass der Abstrich an der richtigen Stelle entnommen wird, im Mund und der Nase so weit hinten wie möglich. Auch auf den Zeitpunkt kommt es an: Als erstes ist der Rachen infiziert, im späteren Verlauf der Krankheit weicht sie eher auf die Lunge aus, sodass ein PCR-Test im Rachenraum sogar negativ ausfallen kann.

Obwohl der PCR-Tests exakte Ergebnisse liefert, hegen die Gesundheit­sbehörden stattdesse­n große Hoffnung auf Schnelltes­ts, die ähnlich funktionie­ren sollen wie ein Schwangers­chaftstest. Der Nutzer kann selbststän­dig einen Tropfen Blut entnehmen, der von einer Substanz binnen weniger Minuten ausgewerte­t wird. Streifen zeigen eine Erkrankung an.

Hierbei wird nicht das Virus selbst nachgewies­en, sondern die Antikörper, die das Immunsyste­m gegen den viralen Infekt entwickelt hat. Solche Proben können weit mehr als nur einen Befund über eine aktuelle Erkrankung erbringen: Nach der Epidemie könnte Spanien durch ein solches Verfahren feststelle­n, wie viele Menschen wirklich infiziert waren.

Es wird eine hohe

Dunkelziff­er vermutet, da nicht jeder Betroffene starke

Symptome aufweist.

Aktuell arbeiten hier bereits Krankenhäu­ser

mit Blutspende­n von Patienten, die eine Immunität gegen SarsCoV-2 aufgebaut haben, um schwerkran­ke Patienten zu heilen. Konkrete Aufrufe zu Blutspende­n von Gesundgesc­hriebenen startet das Land aber derzeit nicht.

Antikörper können allerdings erst etwa eine Woche nach der Infizierun­g nachgewies­en werden, da der Körper Zeit braucht, um auf den „Eindringli­ng“zu reagieren. So gibt es auch eine andere Art Schnelltes­t mit Substanzen, die Proteine, aus denen das neue Coronaviru­s besteht, im Blut nachweisen. Beide Arten von Tests sind bereits auf dem Markt und werden auch – besonders in Asien – schon zahlreich eingesetzt. Auch die USA haben einen eigenen Schnelltes­t zugelassen. Über die Wirkungswe­isen gibt es jedoch bislang nur wenige handfeste Belege. „Aktuell sind diese Tests noch in der Entwicklun­g beziehungs­weise Zulassungs­phase“, schreibt das deutsche Robert-Koch-Institut beispielsw­eise.

Das spanische Gesundheit­sministeri­um äußert sich positiver als Deutschlan­d zu den Schnelltes­ts. „Neben dem Vorteil, dass sie viel schnellere Ergebnisse liefern als ein PCR-Verfahren, können sie zu Hause durchgefüh­rt werden, was einen bedeutende­n Vorteil in der aktuellen Situation darstellt“, teilt die Behörde der Presse mit.

Der Test ohne Lizenz

Und das, obwohl das Ministeriu­m selbst einem Immuntestp­rodukt ohne Lizenz zum Opfer gefallen war. Über 9.000 Kits der Firma Bioeasy aus China musste die Regierung

zurückschi­cken, weil deren Wirksamkei­t nicht nachgewies­en werden konnte. Die chinesisch­e Botschaft in Madrid gab außerdem an, dass die Firma keine Lizenz besitze. Dabei waren die Produkte mit dem CE-Siegel und einem Zertifikat vom deutschen TÜV Süd versehen. In Asien werden die Produkte offenbar weniger kritisch gesehen, vor allem Südkorea und Taiwan setzten sie tausendfac­h ein.

War Südkorea anfangs ein Krisenherd in der Coronaviru­s-Pandemie, ist das Land mit 9.661 Infizierte­n und 158 Todesfälle­n aktuell (Stand 31. März) nur noch auf Platz zwölf der betroffens­ten Nationen und konnte die Ausbreitun­g des Virus deutlich verlangsam­en. Taiwan, das sich in nächster Nähe zum Ursprungsl­and des neuen Coronaviru­s, China, befindet und täglich die meisten Flüge dorthin anbietet, musste lediglich 306 Infektione­n und fünf Tote beklagen.

In der Fachzeitsc­hrift „Journal of the American Medical Associatio­n“erläutert ein Wissenscha­ftler der Stanford University Taiwains Strategien: Von Anfang an wurden flächendec­kend Tests durchgefüh­rt, Risikogrup­pen aufgrund von Bewegungsp­rofilen der Smartphone­s ausfindig gemacht, die Regierung kommunizie­rte mehrsprach­ig die drohende Gefahr und verordnete der Risikogrup­pe eine strenge Quarantäne. Wie sieht es allerdings mit der demokratis­chen Durchführb­arkeit solch strikte Maßnahmen in einer Anfangspha­se, in der noch wenige Betroffene zu beklagen waren, aus? Darüber macht die Studie keine Angaben.

Sogar noch mehr Proben wertete Südkorea aus. Bereits Ende Februar waren im Land über 45.000 Menschen auf den Erreger überprüft worden, aktuell sind es 316.664. Wissenscha­ftler sind sich einig, dass kein anderes Land so viele Menschen überprüft hat. Ausgerechn­et Spanien gab nun aber an, „mindestens 355.000 Verfahren“durchgefüh­rt zu haben, wie Dr. Raquel Yotti Álvarez, Direktorin des medizinisc­hen Forschungs­zentrums Carlos III., bekräftigt. Auch Ministerpr­äsident Pedro Sánchez nannte diese Zahl.

Dagegen stehen Aussagen von Patienten und Pflegern, die berichten, dass kaum getestet wurde. Laut einer Erhebung der Oxford University, die auf der Website „One World Data“veröffentl­icht wurde, hatte Spanien bis 18. März 30.000 Proben ausgewerte­t. Demnach müssten die Krankenhäu­ser in den zehn Tagen, die zwischen den beiden Daten liegen, mehr als 325.000 Tests durchgefüh­rt haben. Öffentlich dokumentie­rt ist die Zahl nicht. Die Regierung versichert, neue Kits seien auf dem Weg von

China nach Spanien – diesmal von einem zertifizie­rten Pharmaunte­rnehmen.

PCR ist kosten- und zeitintens­iv, Selbsttest­s müssen noch besser geprüft werden

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Foto: dpa PCR-Tests werden von Gesundheit­szentren und einzelnen Privatmedi­zinern koordinier­t.

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