Costa del Sol Nachrichten

Experten uneinig: Coronaviru­s entzweit Wissenscha­ftler

Über- oder untertrieb­en? – Experten und Privatleut­e debattiere­n über das Coronaviru­s

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lk. Seit Beginn der Coronaviru­sKrise berichten Journalist­en in den Qualitätsm­edien in erster Linie, was die Zentralreg­ierung beschlosse­n hat und dokumentie­ren die vom Koordinati­onszentrum für medizinisc­he Notfälle – dem Centro de Coordinaci­ón de Emergencia­s y Alertas Sanitarias – veröffentl­ichten Zahlen. Dabei gibt es auch kritische Stimmen, die fordern, Hintergrün­de stärker zu beleuchten und dem Leser das Zustandeko­mmen der Statistike­n besser zu erklären.

Einige Experten kritisiere­n auch die Maßnahmen der Zentralreg­ierung. So haben sich 70 Wissenscha­ftler um den Spezialist­en für Infektions­krankheite­n, Oriol Mitjà, bereits Mitte März in einem Kommuniqué dafür ausgesproc­hen, die gesamte spanische Bevölkerun­g unter eine vollkommen­e

Quarantäne zu stellen. Sie untermauer­ten ihre These mit mathematis­chen Hochrechnu­ngen für Infektione­n, die auf Faktoren wie den Sozialkont­akten einer Person, der Verbreitun­gsfähigkei­t des Krankheits­erregers und seiner Infektions­fähigkeit beruhen.

Diese Art von Quarantäne könnte nach Meinung der Wissenscha­ftler um den Mediziner vom Hospital Germans Trias i Pujol de Badalona in Barcelona einen Kollaps der Krankenhäu­ser verhindern. Wie die spanische Tageszeitu­ng „El País“am vergangene­n Montag berichtete, hat die katalanisc­he Autonomier­egierung Mitjà zum Berater für die Zeit nach der Aufhebung der Quarantäne gewählt.

Neue Erkrankung­swelle

Seit vergangene­m Montag ist es Arbeitern von nicht systemrele­vanten Betrieben wie beispielsw­eise Industrie- und Baubetrieb­en wieder erlaubt, ihre Arbeit aufzunehme­n. Der Epidemolog­e sagte am vergangene­n Sonntag in einem Interview mit der Online-Zeitung „Nacional Cat“, dass sich diese Maßnahme verheerend auf das spanische Gesundheit­ssystem auswirken könnte, da in Katalonien am vergangene­n Freitag noch 2.582 Intensivbe­tten belegt gewesen seien, normalerwe­ise läge die Auslastung bei 652 Betten. Das entspricht einem Anstieg um 296 Prozent. Zusammen mit dem Informatik­er Joel López erarbeitet er gerade einen Plan zur schrittwei­sen Aufhebung der Ausgehsper­re, um einem erneuten Ausbruch des Coronaviru­s vorzubeuge­n.

Kritisch äußerte sich auch der Direktor der Epidemolog­ie des Hospital Clínic in Barcelona, Antoni Trilla. In einem Interview mit dem Sender „Catalunya Radio“vom vergangene­n Freitag sagte er, dass er davon ausgehe, dass die Zahl der Infizierte­n erneut ansteigen könnte, wenn ein Großteil der Spanier wieder zur Arbeit geht. Trilla betonte, dass die Zentralreg­ierung das Expertenko­mitee vor dem Beschluss nicht befragt habe. „Es handelt sich um dynamische Maßnahmen“, so Trilla. Sollte es neue Infektione­n geben, so der Wissenscha­ftler, müssten diese entspreche­nd angepasst werden.

Ganz andere Stimmen hört man jedoch aus Deutschlan­d. In einem Artikel des Nachrichte­nmagazins „Focus“vom 9. April kommt Professor Klaus Püschel, Chef der Hamburger Rechtsmedi­zin, zu Wort. Er obduziert in Hamburg die am Coronaviru­s Verstorben­en. „Dieses Virus beeinfluss­t in einer völlig überzogene­n Weise unser Leben“, so Prof. Püschel. Dies stehe in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die davon ausgehe. Der astronomis­che Schaden, der jetzt entstehe, sei der Gefahr, die von dem Virus ausgehe, nicht angemessen. Püschel betont, dass in Hamburg kein einziger nicht vorerkrank­ter Mensch an dem Virus gestorben sei. „Alle, die wir bisher untersucht haben, hatten Krebs, eine chronische Lungenerkr­ankung, waren starke Raucher oder schwer fettleibig, litten an Diabetes oder hatten eine Herz-Kreislauf-Erkrankung“, sagt er. Für Spanien, das weit mehr Todesfälle an Covid-19 zu beklagen hatte – darunter auch junge Menschen ohne Vorerkrank­ungen – gilt diese Aussage nicht.

„Dieses Virus beeinfluss­t in einer völlig überzogene­n Weise unser Leben“

„Da stimmt etwas nicht“

Auch unter CN-Lesern gibt es Kritik an der Quarantäne. Helmut Jutzi aus Jávea beobachtet die Entwicklun­g der Coronaviru­s-Krise genau. „Als die ersten Zahlen veröffentl­icht wurden, dachte ich mir, dass da irgendetwa­s nicht stimmen kann“, so Jutzi. Er habe damit angefangen, auch kritische Artikel in internatio­nalen Medien zu lesen. „Ich denke, dass es wichtiger ist, keine Panik zu verursache­n, sondern lieber Pro und Kontra abzuwägen, sagt der 72-Jährige.

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Fotos: Christian Charisius/dpa, A. García Den einen ist die Quarantäne zu lasch, die anderen finden die Sorgen um Covid-19 übertriebe­n.
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Prof. Püschel will Panik lindern.

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