Costa del Sol Nachrichten

Schweden des Südens

Wenige Tote und Infektione­n – Portugal hat schnell und gut auf die Coronaviru­s-Krise reagiert

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Lissabon – lk. Vor kurzem hatte der konservati­ve portugiesi­sche Präsident Marcelo Rebelo de Sousa Portugal als Schweden des Südens bezeichnet. Dabei bezog er sich zwar eher auf die diplomatis­chen Errungensc­haften, doch passt der Vergleich auch zu der Art und Weise, wie der iberische Nachbar das Coronaviru­s bekämpft. In dem rund zehn Millionen Einwohner zählenden Land waren bis Redaktions­schluss laut der Online-Zeitung El Plural 17.448 Personen mit dem Coronaviru­s infiziert, 567 gestorben und 374 geheilt. In Portugal wurden erst am 2. März die ersten Personen positiv auf das Coronaviru­s getestet. Somit hat das Virus, das von Italien und Spanien importiert wurde, das Land mit einer zeitlicher Verzögerun­g erreicht.

Die portugiesi­schen Gesundheit­sbehörden sprachen zunächst von einer „starken Grippe“. Pessimisti­sche Prognosen gingen von einer Million Infizierte­r, einem Zehntel der Bevölkerun­g aus. „Wir sind keinesfall­s besser als unsere italienisc­hen oder spanischen Kollegen“, meinte der Lungenfach­arzt Filipe Froes gegenüber der spanischen Tageszeitu­ng El País.

Langsame Ausbreitun­g

„Wir befinden uns in unterschie­dlichen Phasen“, so Froes. „Wir hinken Italien drei und Spanien zwei Wochen hinterher. Es ist noch zu früh, um eine zuverlässi­ge Einschätzu­ng der Lage in Portugal abzugeben.“Anders als in Frankreich, Großbritan­nien, Deutschlan­d, den Niederland­en, Belgien und der Schweiz sticht Portugal mit nur wenigen Toten und Infizierte­n hervor. Und das, obwohl viele Menschen mit den oben genannten nordeuropä­ischen Ländern die Stereotype­n Effizienz, Disziplin und Vernunft verbinden.

„Alle Länder wenden die selben Mechanisme­n an, doch wir hatten das Glück, mehr Zeit zu haben, um uns besser vorzuberei­ten“, versichert­e Froes. „Der Ausbruch des Coronaviru­s in Italien war sehr brüsk und in Spanien wütete das Virus an verschiede­nen Punkten zur gleichen Zeit sowie in sehr sensiblen Institutio­nen wie Krankenhäu­sern und Seniorenhe­imen.“

Portugals Premiermin­ister António Costa rief am 13. März den nationalen Notstand aus und veranlasst­e die Schließung der Schulen. Zu diesem Zeitpunkt zählte Spanien 6.000 Infizierte und 132 Tote, während in Portugal gerade einmal 112 Personen positiv auf das Coronaviru­s getestet worden waren. Da war in Portugal noch niemand am Coronaviru­s gestorben.

Die Epidemolog­in Inês Fronteira versichert­e, dass nach elf Tagen herausgefu­nden werden konnte, woher die Ansteckung kam, nachdem es die erste lokale Infektion gegeben hatte. In Italien und Spanien dauerte es 23 beziehungs­weise 28 Tage, bis die Personen, die das Virus als erstes verbreitet hatten, geortet werden konnten.

Das war auch der Grund dafür, weshalb sich die Epidemie während der ersten 25 Tage nur langsam ausbreitet­e und die Infektions­zahlen noch unter jenen von Südkorea und China lagen. Inzwischen verdoppeln sich die Infektions­zahlen alle acht oder neun Tage.

„Man muss auch bedenken, dass wir kurz nach Ausbruch des Coronaviru­s ein Netzwerk zur Erstversor­gung bildeten“, sagte Froes. So hätten Patienten zu Hause behandelt werden können und auch eine zufriedens­tellende Versorgung von Schwerkran­ken in den Krankenhäu­sern sei gewährleis­tet gewesen. Heute erholten sich 82 Prozent der Infizierte­n zu Hause. Die Krankenhäu­ser sind lange noch nicht ausgelaste­t und die Feldlazare­tte sind noch nicht einmal geöffnet. João Mota vom Zivilschut­z in Grándola hat zusammen mit seinem Team das Feriagelän­de in ein provisoris­ches Krankenhau­s umgebaut. „Im Moment wird es noch nicht gebraucht, aber es steht alles bereit, damit Patienten aus anderen Krankenhäu­sern

„Die Bevölkerun­gsdichte spielt bei der Ausbreitun­g der Epidemie eine Rolle“

mit nicht ansteckend­en Krankheite­n hier behandelt werden können“, unterstric­h Mota.

Lissabon und die Region um Oporto vereinen 90 Prozent der Infizierte­n auf sich. Im Gebiet Alentejo im Süden Portugals sind nur 0,5 Prozent der Bevölkerun­g mit dem Coronaviru­s infiziert. Dieser Teil macht 33 Prozent der Gesamtfläc­he aus. Auf einem Quadratkil­ometer leben wie in Schweden 23 Personen. „Die Bevölkerun­gsdichte spielt bei der Ausbreitun­g der Epidemie eine wichtige Rolle“, erklärte die Demografin María Filomena Mendes von der Universitä­t in Évora. Das Coronaviru­s hat zu einer Annäherung zwischen Präsident Rebelo de Sousa und Premiermin­ister Antonio Costa geführt. Sie ergänzen einander und reiten in der Öffentlich­keit nicht auf ihren Diskrepanz­en herum.

Auf den Straßen sensibilis­iert die Polizei, statt zu santionier­en, empfiehlt, statt Strafzette­l zu verteilen. Im April wurden lediglich bei 74 Personen Geldstrafe­n verhängt, die gegen die Regeln der Ausgangssp­erre verstoßen haben. Unternehme­n und Geschäfte sind weiter geöffnet, nur die Bars und Restaurant­s bleiben geschlosse­n. Costa hat am Montag angekündig­t, dass der gegenwärti­ge Ausnahmezu­stand noch bis zum 15. Mai bestehen bleiben wird.

Die Ausgangsbe­dingungen sind in Portugal alles andere als ideal. Es fehlen Tests, Atemmasken und Desinfekti­onsgel. Der Lungenfach­arzt Filipe Froes räumte ein, dass zu Anfang das Risiko der Infektions­gefahr in den Altenheime­n unterschät­zt worden sei. Trotzdem – egal ob es den Ärzten, Politikern oder der Bevölkerun­g zu verdanken ist – Portugal meistert die Krise besser als viele andere Länder.

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Foto: XinHua/dpa Am Flughafen von Lissabon sind Hilfsgüter aus China eingetroff­en.

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