Von 100 auf null Komma null
Costa-Tourismus nach toter Semana Santa ein Scherbenhaufen – Rückkehr in die 50er Jahre?
Guardamar – sw. Eine glänzende Semana Santa hatte Guardamar. Fast hundertprozentig ausgelastet waren Hotels und Campingplätze um Ostern – ein Rekord nach der großen Wirtschaftskrise. Die Rede ist von 2019. Und nun? Leere Stadt, Promenaden, Playas. Benutzt wird noch ein Hotel – das Meridional, als Notresidenz des Landesgesundheitsministeriums.
Das Coronavirus hat den Tourismus an den spanischen Costas ausgelöscht. Null Komma null, so die Bilanz der Semana Santa, die als Indikator für den Sommer gilt. Nicht nur um geplante Ferien zitternde CN-Leser fragen immer öfter: Herrscht auch Stillstand in der Hochsaison, im Juli und August?
Reiseführer neu schreiben
Nein. Kein Stillstand. Das kann man angesichts der von Madrid angekündigten – wenn auch nicht näher definierten – Lockerung der Ausgangssperre für Ende April sagen. Im Sommer sollte mehr möglich sein als heute. Allerdings: Die vielbeschworene „Vuelta a la normalidad“(Rückkehr zur Normalität) wird kein „von null auf 100“.
Normalität – das wird zunächst bedeuten, dass man nicht nur wegen Arbeit oder Einkauf an die frische Luft darf. Vereinzeltes Ausgehen, zum Sport etwa, ist in Spanien schon im Mai denkbar. Aber sicher nicht in Gruppen und, gerade in Strandnähe, weiter streng überwacht.
Eine volle Tapas-Meile wie die Avenida Pinos wird es 2020 wohl nicht geben. Allein die Frage, welche Einrichtung die Krise überleben wird, ist nicht zu beantworten. Experten warnen, dass Reiseführer nach der Krise neu geschrieben werden müssen, da viele Angebote nicht mehr existieren werden.
Der Einschlag in die Tourismusbranche ist gewaltig, nicht nur wegen der toten Semana Santa. Auch der Sommer 2020 ist quasi verloren – darin ist sich der Sektor einig. Fast sicher ist dieses Jahr die Abwesenheit ausländischer Besucher – und das ist von der Zentralregierung offenbar so beabsichtigt.
Zwar ist es noch nicht bestätigt, aber in Madrid verdichten sich dafür die Anzeichen, dass die Grenzen für den Tourismus aus dem Ausland 2020 zu bleiben sollen. Denn: Die Pandemie verläuft international von Land zu Land unterschiedlich. Eine Besserung in Spanien bedeutet nicht gleich „Normalität“.
Ohne ausländische Besucher ist Spanien aber aufgeschmissen. 58,5 Millionen kamen 2019 allein von März bis September und ließen 64,5 Milliarden Euro in Spanien, dem Land, das zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 13 Prozent der Jobs aus dem Tourismus bezieht. Doch der genannte Betrag ist auch nur ein Teil des Verlusts – angesichts der vielen indirekt am Sektor beteiligten Zweige.
Wie soll Spanien ein touristisches Null-Jahr überleben? Indem es sich selbst bereist, lautet offenbar die Lösung der Zentralregierung. So plant Madrid offenbar, im Sommer den Binnentourismus massiv anzukurbeln. Und zwar in einer Weise, der Reisende gut auf das flächenmäßig viertgrößte Land Europas verteile, so „El País“.
Davon profitieren könnten mal nicht die Horte des Massentourismus wie Guardamar – sondern die so von Landflucht betroffenen Dörfer. Die Belebung der Zonen könnte eines der kleinen Trostpflaster dieser Zeiten sein.
Chancen rechnen sich jedoch auch Ferienapartments à la Airbnb aus. Das US-Mietportal ist zwar – allein durch millionenschwere Entschädigungen an die User – durch die Pandemie schwer angeschlagen. Doch schmiedet die so dynamische Firma offenbar bereits Pläne für die Nach-Corona-Zeit. Dass Reisende dann noch eine ganze Weile auf Abstand zueinander gehen werden, könnte dem Konzept des Dienstes entgegenkommen.
Sommer in Spanien? Für viele Deutsche, Österreicher Schweizer wird 2020 nichts daraus
Spanier werden die ersten sein
Ob Landhaus oder Apartment – wenn der Tourismus wieder anläuft, werden Spanier die ersten Besucher sein. Und sozusagen das Reiseverhalten der 1950er Jahre aufleben lassen. Nach und nach werden Touristen aus den Nachbarländern folgen. Doch bis etwa Deutsche, Österreicher und Schweizer ungehindert nach Spanien kämen, können „lange Monate“vergehen, so Regierungskreise in „El País“. Viele Anbieter planen bereits die Saison 2021 vor. Eine 60 Prozent-Auslastung, wie sie Guardamar 2012 erreichte, als man endlich wieder von einem kleinen Aufschwung sprach, wäre dann, aus heutiger Sicht, ein Traum.