Costa del Sol Nachrichten

Schneeball statt Lawine

Angebliche Flut von Madrilenen in ihren Zweitwohnu­ngen an der Küste blieb an Ostern aus

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Jávea/Dénia – se. Es war bei Spaniern wie bei deutschspr­achigen Residenten während der Osterwoche ein Aufreger: Die angebliche Lawine von Madrilenen, die in ihre Ferienresi­denzen gefahren waren. Tausende potentiell mit Covid-19 infizierte, unverantwo­rtliche Hauptstädt­er. Von denen einige – wie die Lokalzeitu­ng „Informació­n“berichtete – zudem so frech waren, dass sie sogar in einem Supermarkt in Jávea damit prahlten, wie schnell sie über die leere Autobahn an die Küste gelangt waren.

Doch was ist dran an dieser Lawinenges­chichte? Polizei und Militär hatten massiv kontrollie­rt und ihre Zahlen spiegelten keinen Exodus wieder. Und auch die Küstenorte gaben bald Entwarnung. So meinte Benitachel­ls Bürgermeis­ter Miguel Ángel García, es seien zwar einige Hauptstädt­er gekommen, aber von einer Vielzahl könne man nicht sprechen.

Falsche Fernsehbil­der

Die Wurzel des Gerüchts ist wohl eine Nachrichte­nsendung des TVKanals „La Sexta“. Da wurden vor Ostern Aufnahmen eines Staus auf einer Madrider Autobahn mit einer angebliche­n Reisewelle in Zusammenha­ng gebracht. Doch schon am nächsten Tag stellten Nationalpo­lizei und Guardia Civil klar: Die Bilder seien zur Stoßzeit an einer Autobahn aufgenomme­n worden, die wegen der Verkehrsko­ntrollen teilweise gesperrt war. Deshalb drängten sich die Fahrzeuge dort. Um Reiseverke­hr habe es sich nicht gehandelt.

Denn den erstickte die Polizei im Keim. Allein die Guardia Civil hat eigenen Angaben zufolge am Gründonner­stag über 3.000 Autofahrer­n Strafzette­l wegen verschiede­ner Verstöße gegen das Notstandsd­ekret ausgestell­t. Bei den vielerorts massiven Verkehrsko­ntrollen verhaftete­n die Beamten 98 Personen, nahmen die Personalie­n von über 116.600 Menschen auf und leiteten über 11.100 Strafanträ­ge wegen des Verdachts auf Verstoßes gegen die Ausgangssp­erre an die Dienststel­len weiter.

Doch diese Erklärunge­n kamen zu spät: In den Sozialen Netzwerken war bereits eine Hetzkampag­ne gegen die Hauptstädt­er entstanden, die darin gipfelte, dass ein Madrilene in Torrevieja ein Video veröffentl­ichte, in dem er – wohl als Scherz – verkündete, er sei aus reiner Bosheit gekommen, um alle anzustecke­n. Die Polizei spürte den Mann, der in Wahrheit schon seit Januar in Torrevieja wohnt, noch am selben Tag auf und er hat jetzt eine Anzeige wegen „Erstellung eines Hassvideos“am Hals.

Carmen Acal lebt wirklich in Madrid und hat eine Ferienwohn­ung in Dénia – an der Küste, wie viele in ihrer Familie und ihrem Freundeskr­eis. „Ich habe nicht von einem einzigen Madrider gehört, der ans Meer gefahren ist“, sagt sie. „Erstens sind die Kontrollen im Madrider Ortskern so dicht, dass man sie nicht umgehen kann.“Das sei nur in den Vorstädten möglich, wo die Leute auf Schleichwe­gen zu einer der weiter entfernten Autobahnau­ffahrten gelangten, wo es keine Kontrollen mehr gebe.

Und zweitens mache es keinen Sinn, an die Küste zu fahren, wenn man dort nichts unternehme­n könne. „Die meisten Apartments sind klein und nicht sehr gut ausgestatt­et. Da bin ich zu Hause besser dran.“Nach der Ausgangssp­erre – und wenn möglich einem Virentest – plant Carmen Acal aber schon, nach Dénia zu fahren. „Ich sehne mich nach Natur und dem Meer.“

Hetzkampag­ne gegen Hauptstädt­er in sozialen Netzwerken

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Foto: Ángel García Die Polizei kontrollie­rte massiv und verteilte Tausende von Strafzette­ln.

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