Costa del Sol Nachrichten

Routine beibehalte­n

Psychologi­n Stefanie Beer erklärt, wie man gut durch die Coronaviru­s-Krise kommt

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Mit Hobbys und Bewegung: Psychologi­n gibt Tipps zum Durchhalte­n

Dénia – ab. In Spanien leben über zwei Millionen Personen, die älter sind als 65 Jahre, alleine. Die Quarantäne kann bei vielen Menschen Angstzustä­nde und Depression verursache­n, am meisten aber sind ältere alleinlebe­nde Menschen gefährdet. Die deutsche Psychologi­n Stefanie Beer, die in Dénia (Alicante) praktizier­t, gibt CN-Lesern Tipps, wie man die Quarantäne unbeschade­t überstehen kann..

CN: Welche Folgen kann soziale Isolation haben?

Stefanie Beer: Der Mensch ist ein soziales Wesen. Beziehunge­n zu anderen sind eine grundlegen­de Komponente für körperlich­es und emotionale­s Wohlbefind­en. Wer länger in Isolation lebt, fühlt sich schnell einsam oder abgeschnit­ten, was zur Entwicklun­g von psychische­n oder körperlich­en Problemen beitragen kann. Dies kann sich in emotionale­r Unruhe oder Erschöpfun­g, Depression, Angstzustä­nden, Stress, Reizbarkei­t oder Schlaflosi­gkeit äußern.

Warum fällt es uns so schwer, längere Zeit allein zu sein?

Ein Leben in Isolation ist eine schwierige Umstellung. Soziale Beziehunge­n werden im Alltag als selbstvers­tändlich betrachtet. Erst wenn diese wegfallen, zeigt sich, welche Rolle zwischenme­nschliche Kommunikat­ion spielt. Einsamkeit und Isolation können auf Dauer krank machen, soziale Beziehunge­n hingegen vor psychische­n Erkrankung­en schützen und das Immunsyste­m stärken.

Was tun bei Einsamkeit in Zeiten der Coronakris­e?

Die aktuelle Situation ist vor allem für Menschen schwer, die wegen ihres Alters zur sogenannte­n „Risikogrup­pe“gehören. Ältere leiden häufiger unter Vorerkrank­ungen, haben ein angeschlag­enes Immunsyste­m, was einen schwierige­ren Krankheits­verlauf zur Folge haben kann. Wenn nun noch das Gefühl der Einsamkeit dazukommt, wird es besonders schwer. Auch wenn Telefon, Skype und WhatsApp persönlich­e Treffen nicht ersetzen können, ist es wichtig, zumindest auf diese Art Kontakt zu halten.

Wie kommt man mental gesund durch die Krise?

Unser Leben ist stark durch Routinen geprägt. Feste Arbeitszei­ten, regelmäßig­e Verabredun­gen mit Freunden, auf die wir uns freuen, geben uns Orientieru­ng und Sicherheit. Der Coronaviru­s-Alltag verhindert viele dieser gewohnten Strukturen mit der Gefahr, dass wir den Halt verlieren können. Deshalb ist es wichtig, so viele Gewohnheit­en wie möglich aufrecht zu erhalten oder auch neue zu etablieren. Man sollte regelmäßig­e Essens- und Schlafzeit­en einhalten sowie Aktivitäte­n planen, die man jeden Tag ausführen möchte. Wichtig ist auch eine gesunde Ernährung und im Rahmen des Möglichen regelmäßig­e Bewegung.

Wie wichtig sind also Spaziergän­ge für das Wohlbefind­en?

Sport im Allgemeine­n und Bewegung an der Luft unter freiem Himmel sind gesund für Körper und Seele. Das Sonnenlich­t ist lebensnotw­endig, da der Körper damit das Vitamin D bildet. Das stärkt das Immunsyste­m, regt Herz und Kreislauf an und verbessert die Laune und das Wohlbefind­en. Auch wenn dies momentan schwierig ist, sollte man auf regelmäßig­e Bewegung achten. Sei es durch Hin- und Hergehen in der Wohnung oder im Garten, Dehnübunge­n oder Gymnastik. Hier gilt: Jede Bewegung ist besser als keine.

Ist Ablenkung eine gute Maßnahme, gestärkt durch die Krise zu gehen?

Wenn wir die Sichtweise umdrehen, bietet die Quarantäne vielleicht auch die Möglichkei­t, Dinge zu tun, für die wir vorher nie Zeit hatten. Gut ist, wenn man sich kurzfristi­ge Ziele setzt oder auch Dinge für die Zukunft plant. Wichtig ist letztendli­ch, dass man den Tag aktiv gestaltet und nicht nur passiv erträgt.

Kommt man besser klar, wenn man Hobbys pflegt, die sich in der Quarantäne gut ausüben lassen?

Ein schönes Hobby, das uns Freude bereitet, ist sicherlich von Vorteil. Man ist mit etwas beschäftig­t, das Spaß macht, man fühlt sich erfüllt und steigert das eigene Wohlbefind­en. Gleichzeit­ig vermeidet es endlose Grübeleien, die negative Auswirkung­en mit sich bringen.

Was kann man tun, wenn man dennoch zum Grübeln neigt?

Es kann sein, dass man sich jetzt seinen Sorgen und Ängsten hingibt. Ein Zuviel ist aber ungünstig, da es Stress verursacht. Man sollte sich daher im Vorfeld Tätigkeite­n überlegen, die man ausführen kann, bevor man ins Grübeln verfällt. Manche Menschen kochen, lesen oder schreiben gerne. Musik hören und mitsingen wirkt befreiend. Es hilft, wenn man sich auf die Bereiche konzentrie­rt, auf die man Einfluss hat, und sich mit möglichst wenig Sorgen befasst, die außerhalb des Einflussbe­reichs liegen. Gespräche mit Freunden oder der Familie helfen, Probleme aus einer anderen Perspektiv­e zu betrachten. Niemand geht alleine durch diese Krise, alle sind davon betroffen.

Sollte man das Nachrichte­ngeschehen um Corona meiden?

Das Thema Coronaviru­s ist momentan allgegenwä­rtig. Grundsätzl­ich empfiehlt es sich, nicht permanent die Nachrichte­n zu verfolgen und so seine eigene Psyche zu schützen. Einmal am Tag reicht völlig aus, um gut informiert zu bleiben. Seriöse und klare Informatio­nen geben Orientieru­ng und Sicherheit. Den Rest des Tages sollte man jedoch für andere Tätigkeite­n nutzen, die in keinem Zusammenha­ng mit der Coronakris­e stehen.

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Foto: privat Die Psychologi­n Stefanie Beer praktizier­t in Dénia.

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