Costa del Sol Nachrichten

Dank auch an die Unsichtbar­en

Jávea feiert Notarzt Rafael Andarias nach sechs Wochen Kampf gegen Covid-19

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Jávea – se. Er sprang dem Tod von der Schippe: Nach sechs Wochen Krankenhau­saufenthal­t in Dénia hat Jávea den Notarzt Rafael Andarias spektakulä­r empfangen. „Ein Konvoi von rund einem Dutzend Polizei- und Rettungsdi­enstfahrze­ugen geleiteten mich nach Hause, an den Straßen hingen Schilder mit Willkommen­sgrüßen, die Anwohner applaudier­ten und aus den Lautsprech­ern erklang ,We are the Champions‘“, erzählt er.

Der 64-Jährige wohnt seit 30 Jahren in dem Küstenort und hat dort nicht nur als Mediziner, sondern auch als Veranstalt­er des jährlich stattfinde­nden Lebendigen Schachspie­ls viel Anerkennun­g gewonnen. „Doch erst jetzt ist mir klar geworden, wieviel ich den Menschen in Jávea und meinen Arbeitskol­legen in Dénias Krankenhau­s wirklich bedeute“, sagt der Spanier.

Im künstliche­n Koma

Die Krankheit sei sehr schlimm gewesen. „Ich war drei Wochen auf der Intensivst­ation, wurde zweieinhal­b Wochen beatmet und lag im künstliche­n Koma“, berichtet Andarias. „Am Ostersamst­ag rief man meine Familie an, weil es zu Ende zu gehen schien.“Doch dann geschah ein kleines Osterwunde­r. „Ich bin nicht sehr gläubig, aber vielleicht waren es ja meine Selbstheil­ungskräfte oder der Anstoß, den ich brauchte, um meine letzten Reserven zu aktivieren“, sagt er. „Jedenfalls spielte mir ein Krankenpfl­eger eine Sprachnach­richt vor, auf der mich meine Frau ermutigte. Er sagt, meine Augen hätten geflackert und meine Lippen hätten ein Lächeln angedeutet. Und am Ostersonnt­ag war ich dann über den Berg.“

Als Andarias schließlic­h aus der Intensiv- auf die Covid-Station verlegt wurde, stand ihm noch eine Woche Isolation bevor. „Ich kann sonst gut alleine sein, aber da hätte ich mir doch etwas Ansprache gewünscht“, meint er. „Die Ärzte und Pfleger trugen so viel Schutzklei­dung, dass sie fünf Minuten

Grüße vom Balkon.

brauchten, um sie anzulegen. Und sie reduzierte­n den Aufenthalt natürlich auf das Nötigste.“

Jetzt ist der Javeaner zu Hause, das Virus ist besiegt. Doch er hat sieben Kilo verloren und ist sehr schwach. „Ich mache den ganzen Tag Atem- und Muskelübun­gen“, sagt er. „Immerhin laufe ich schon wieder, es gab eine Zeit, da konnte ich nur ein Bein etwas anheben.“Erst jetzt fängt der Mediziner an, das Geschehene zu verarbeite­n. „Ich bin vor allem dankbar“, sagt er.

Natürlich den Ärzten und Schwestern, aber auch den unsichtbar­eren Menschen im Hospital. Etwa den Pflegehelf­ern, die für den Transport der Patienten zuständig sind. „Die genießen kaum Anerkennun­g. Doch sie sind in engem Kontakt mit den Patienten, heben sie und drehen sie regelmäßig um, damit sie nicht wundliegen.“ Die Pflegehelf­er seien großer Ansteckung­sgefahr ausgesetzt. „Ebenso wie das Reinigungs­personal. Das sagte mir bei der Entlassung, sie hätten mit mir gelitten und meinen Raum doppelt so oft desinfizie­rt wie üblich, um möglichst viele Viren zu beseitigen.“

Viel Personal infiziert

Das Kreiskrank­enhaus Dénia steht, was die Ansteckung des Personals betrifft, im Land Valencia an zweiter Stelle. Und das, obwohl es dort relativ wenige Covid-19-Patienten gibt. „Ich weiß nicht, woran das liegt“, sagt Andarias. „Wir haben die Anweisunge­n der Behörden von Anfang an erfüllt und sogar schon vorher auf eigene Initiative Vorsichtsm­aßnahmen getroffen.“Es habe zwar Materialen­gpässe gegeben. „Aber das war ja überall so und ist in so einer unvorherse­hbaren Extremsitu­ation unvermeidl­ich.“

Dénias Kreiskrank­enhaus sei zwar klein, aber was Covid-19 betrifft, medizinisc­h auf dem neusten Stand. „Täglich treffen sich die Ärzte der zuständige­n Abteilunge­n, um die Behandlung aller Covid-19-Patienten abzusprech­en, und einer stellt die neuesten Kenntnisse vor, die das Team aus internatio­nalen Fachzeitsc­hriften und Gesprächen mit in- und ausländisc­hen Kollegen bezieht.“

Macht Andarias der spanischen Regierung Vorwürfe, dass sie nicht schneller und besser reagiert hat? „Man hätte die Ausgangssp­erre vorher verhängen müssen. Aber mit so einem schlimmen Verlauf hat ja keiner gerechnet“, sagt er. „Und die Bevölkerun­g hätte das so früh nicht unterstütz­t.“

Dass beim Kauf von Material Fehler gemacht worden seien, sei der Unerfahren­heit zuzuschrei­ben. „Wir hatten in Spanien noch nie so eine Epidemie. Und zudem nutzen Mafias und Gauner so eine Gelegenhei­t immer, um schnell reich zu werden.“Auf jeden Fall sei es wichtig, dass die Bevölkerun­g und die Opposition die Regierung jetzt in der Krise unterstütz­ten. „Abrechnen kann man dann später.“

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Fotos: privat Der Notarzt Rafael Andarias ist sehr beliebt.
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