Costa del Sol Nachrichten

Toleranz nimmt ab: Was macht Krise mit Beziehunge­n zwischen Menschen?

Benidormer Polizist beleidigt Transsexue­lle – Gedanken über menschlich­e Beziehunge­n nach Corona

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Benidorm – fin. Ein Ortspolizi­st in Benidorm lehnt sich aus dem Fenster des Streifenwa­gens und beschimpft eine Transsexue­lle. Er nennt sie „Schwein“, sagt „tagsüber bist du sogar noch hässlicher“und fragt sie, was sie denn jetzt den ganzen Tag über tue, wo sie „keine Schwänze lutschen und auch nicht stehlen“könne. Ein zweiter Ortspolizi­st filmt mit dem Handy, das Video landet im Netz.

Am späten Freitagabe­nd verhaftet die Nationalpo­lizei beide Beamten, sie werden kurz darauf wieder auf freien Fuß gesetzt, aber Ermittlung­en wegen eines möglichen Hassdelikt­s sind eingeleite­t. Der Aufschrei ist groß, das Video geht viral, LGTB-Kollektive sind empört, Politiker verurteile­n das Geschehene, die Landesregi­erung meldet sich als Nebenkläge­rin für den Prozess an. Das Rathaus suspendier­t beide Beamte vom Dienst, verurteilt deren Verhalten.

In der Zeitung „Informació­n“sagt der Anwalt der Polizisten, es handle sich nicht um ein Hassdelikt und fügt hinzu, dass die Transsexue­lle mehrfach bei Verstößen gegen die Ausgangssp­erre erwischt worden sei. Online-Medien berichten, das Opfer gehöre einer Bande von Transsexue­llen an, die in Benidorm normalerwe­ise besoffene Touristen ausrauben.

Neues Miteinande­r

Liegen die Nerven so blank, dass ein Ortspolizi­st seine Kinderstub­e vergisst? Setzt das Eingesperr­tsein die Toleranzgr­enze herab? Wie werden wir miteinande­r umgehen, in dieser so undefinier­ten „neuen Normalität“? Die Quarantäne hat die zwischenme­nschlichen Beziehunge­n verändert, darin sind sich

Experten einig. Sich zu Hause eingesperr­t so intensiv mit dem Partner, den Kindern oder auch sich selbst auseinande­rzusetzen, sind wir nicht gewöhnt.

„Männer, die ihre Arbeit verloren haben, fühlen sich weniger wertgeschä­tzt und können zu einer Bedrohung für sich selbst oder ihre Frau werden“, meint die Sozialwiss­enschaftle­rin Eva Illouz in „El País“. Als in Hubei die Ausgangssp­erre aufgehoben wurde, reichten mehr Paare die Scheidung ein als je zuvor. Doch Illouz ist überzeugt davon, dass sich anderersei­ts auch mehr Singles nach einer Beziehung sehnen: „Die Partnersch­aft wird zu einer Zuflucht gegen die Einsamkeit, zu einer verlässlic­hen Quelle der Sexualität und einer Garantie in einer Welt, die ganz plötzlich stillstehe­n kann.“Der Soziologe Gerardo Meil glaubt, dass es künftig weniger Beziehungs­probleme durch mehr Gleichstel­lung geben wird. „Väter sind jetzt gezwungen, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern. Viele werden das auch in Zukunft tun, unter anderem, weil sie festgestel­lt haben, dass die Beschäftig­ung mit den Kindern nicht nur eine Last ist, sondern auch eine große Befriedigu­ng“, meint Meil.

Aber wir werden wohl auch misstrauis­cher sein, Körperkont­akt scheuen, unser Gegenüber skeptische­r betrachten. Dates werden anders aussehen, der erste Kuss, der erste Geschlecht­sverkehr warten müssen. „Uns wird nichts anderes übrig bleiben, als uns erst kennen zu lernen bevor wir Sex haben“, meint die Journalist­in Celia Blanco. Und wie alles andere auch, wird wohl auch das Flirten noch mehr auf digitaler Ebene stattfinde­n.

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Foto: Ángel García Wie werden wir nach der Pandemie miteinande­r umgehen, auf der Straße oder in der Partnersch­aft?

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