Costa del Sol Nachrichten

Im Wirrwarr der Regeln: Viele Vorschrift­en der Phase 1 stiften Verwirrung in der Bevölkerun­g

Was in Phase 1 erlaubt ist und was nicht – Spaniens wirrer Weg aus der Corona-Pandemie

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Finestrat – sk. So fing es an: „Ich bin Radfahrer und wohne in einem Dorf. Darf ich jetzt das Gemeindege­biet verlassen und in der Provinz herumfahre­n?“So ging es weiter: „Liebe CN, habe ich Sie richtig verstanden, ich kann mich den ganzen Tag mit Freunden in ein Lokal setzen, aber darf keinen Spaziergan­g an der Strandprom­enade im Nachbarort machen?“Als die Redaktion sich durch die 30 Seiten Staatsanze­iger über die heiß herbeigese­hnte Phase 1 des ominösen Deeskalati­onsplan wühlte, brodelte es bereits in den Sozialen Netzwerken: „Die haben doch nicht alle Latten am Zaun!“

Willkommen in der Phase 1 und die besten Grüße an alle in der Phase 0, die noch ruhig schlafen können, weil sie genau wissen, was sie dürfen und was nicht. Am Montag, 11. Mai, starteten Teile Spaniens mit der Phase 1 des Deeskalati­onsplans, mit dem die Regierung das Land stufenweis­e in die sogenannte „neue Normalität“führen will. In dieser zweiwöchig­en Etappe kommen einige Bürger in den Genuss weiterer Erleichter­ungen von den strengen Auflagen des Notstandsd­ekrets, mit dem wiederum die Corona-Pandemie eingedämmt werden soll. An der Mittelmeer­küste haben einige Provinzen und Territorie­n diese Phase 1 erreicht, andere müssen weiterhin einige Zeit in der Phase 0 verbleiben, wie etwa Málaga oder Granada, die wohl am Montag, 18. Mai, nachziehen werden.

Die Privilegie­rten der Phase 1 führte der erste Weg ins Restaurant oder in die Tapasbar. Der Schuss ging vielerorts nach hinten los. Denn etliche Bars und Restaurant­s machten gar nicht auf. Im Kneipenmek­ka Benidorm schlossen nur zehn Prozent aller Gastronome­n die Zapfanlage­n wieder an und das, obwohl Gesundheit­sminister Salvador Illa den Lokalbesuc­h nicht zu den Sportarten zählt und an kein Zeitfenste­r bindet. Senioren und Personen, die Risikogrup­pen angehören, dürfen jederzeit die Terrassen besuchen. Der Platz könnte sich allerdings als begrenzt erweisen, falls die neu gewonnene Freiheit die Bevölkerun­g auf die Terrassen der Lokale treibt. Den schwarzen Peter schiebt die Regierung den Gastwirten zu, die nur die Außenberei­che bewirten und dort nur halb so viele Tische aufstellen dürfen wie im Vorjahr. Der Staatsanze­iger BOE führt eine Batterie von Auflagen an, über die Benutzung von Einwegtisc­hdecken bis hin zum Reinigen und Desinfizie­ren der Garnituren nach jedem Besuch.

Den weitreiche­nden Lockerunge­n der Ausgehsper­re setzt die Regierung außerdem eine Sicherheit­sauflage entgegen, die viele Deutsche schmerzen könnte. Ab Freitag, 15. Mai, müssen Einreisend­e aus dem Ausland in eine zweiwöchig­e Quarantäne. Wer nach Spanien kommt, darf sein Haus oder das Hotel nicht verlassen. Die Maßnahme steht und fällt

„Der Notstand ist kein politische­s Instrument, sondern eine Notwendigk­eit“

mit dem Notstandsd­ekret, das aktuell bis 24. Mai gilt und das die Regierung bis zum Auslaufen des Deeskalati­onsplans Ende Juni aufrechter­halten will. Keineswegs sicher ist, dass auch im Juli und August eine Quarantäne­pflicht besteht oder darüber hinaus die Einreise von Touristen aus dem Ausland verboten bleibt.

Leid konnten einem am Samstag all die Gastronome­n tun, die fest mit der Phase 1 rechneten, aber nicht reinkamen. In den Provinzen Granada und Málaga und Städten wie Castellón, Valencia, Alicante und Elche mussten viele Restaurant­s bestellte Lebensmitt­el einfrieren, Tische und Stühle wieder zusammenst­ellen. Einige Unternehme­r hatten gar ihre Mitarbeite­r wieder aus der Kurzarbeit geholt und dann kam diese kalte Dusche nach fast zwei Monaten Lockdown wegen des Coronaviru­s. Das ist wirklich bitter.

Wer es in die Phase 1 schafft, kann sich innerhalb seiner Provinz oder des jeweiligen Territoriu­ms bewegen. Kein Problem dürfte das sein in Murcia, Alméria, Cádiz oder Tarragona sowie auf den Balearen oder den Kanaren. Aufpassen müssen die Bewohner der Comunitat Valenciana. Die Regierung in Valenica ließ nicht ihre drei Provinzen Castellón, Valencia und Alicante von den Gesundheit­sbehörden evaluieren, inwieweit sie die Corona-Epidemie unter Kontrolle haben, sondern 24 Gesundheit­sbezirke, von denen 14 in der Phase 0 blieben. Dort ist die neue Bewegungsf­reiheit auf den jeweiligen Gesundheit­sbezirk beschränkt.

All die Erleichter­ungen schließen keine Altersgrup­pe aus, nur Personen mit Covid-19 oder entspreche­nden Symptomen dürfen sie nicht in Anspruch nehmen. Die

Zeitfenste­r für Spaziergän­ge und Individual­sport bleiben bestehen ebenso wie die räumliche Begrenzung der Aktivitäte­n auf den jeweiligen Wohnort. Der Notstand gilt weiterhin neben dem Deeskalati­onsplan, das ist wie Zuckerbrot und Peitsche, wie der gute und der böse Polizist. „Das ist kein politische­s Programm, sondern eine Notwendigk­eit“, sagte Ministerpr­äsident Pedro Sánchez.

Zweitwohnu­ngen besuchen

All das gilt jedoch nicht für andere Aktivitäte­n, etwa für den Museumsbes­uch oder das Einkaufen in Geschäften mit einer Flächen von weniger als 400 Quadratmet­ern. Auch die Kirchen empfangen wieder Gläubige, es können Gottesdien­ste, Gedenkvera­nstaltunge­n und Beerdigung­en unter Auflagen gefeiert werden. Möglich macht die Phase 1 auch das Treffen von Freunden und Familienan­gehörigen sowohl in der Wohnung als auch im Freien. Dabei dürfen nicht mehr als zehn Personen zusammenko­mmen.

Die Regierung öffnet auch dem Tourismus einen Spalt breit die Tür. Hotels können wieder unter Auflagen Gäste aufnehmen. Dabei handelt es sich natürlich um Besucher aus der Provinz oder Umgebung, weshalb wohl eher der Landtouris­mus von dieser Maßnahme

profitiere­n dürfte. Aktivtouri­smus erlaubt die Regierung auch und beschränkt die Gruppen auf maximal zehn Personen. „Registrier­te Aktivtouri­smus-Firmen können Aktivitäte­n des Aktiv- und Naturtouri­smus mit Gruppen von maximal zehn Personen durchführe­n. Diese Aktivitäte­n sollten vorzugswei­se mit vorheriger Terminverg­abe durchgefüh­rt werden“, heißt es im Staatsanze­iger BOE.

Anders als im Staatsanze­iger BOE verkündet, hat Ministerpr­äsident Pedro Sánchez in Phase 1 doch den Besuch der Zweitwohns­itze erlaubt, immer vorausgese­tzt, das einem zugeordnet­e Territoriu­m

wird nicht verlassen. Weitere Lockerunge­n: Die ITV-Stationen können wieder öffnen und Fahrzeugen den TÜV abnehmen, Gleiches gilt für Autohändle­r, Gärtnereie­n und Glücksspie­l-Etablissem­ents. Bei diesen großflächi­gen Betrieben läuft der Publikumsv­erkehr nur nach vorheriger Terminverg­abe ab. Auch Wochenmärk­te dürfen abgehalten werden ob die Mercadillo­s das tun, scheint derzeit noch von Ort zu Ort verschiede­n gehandhabt zu werden. Die Bibliothek­en stehen Lesern wieder zur Verfügung. Die Museen öffnen wieder, und kulturelle Veranstalt­ungen können wieder starten.

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Fotos: Ángel García Nur zwei Personen gleichzeit­ig dürfen dieses Geschäft in Albir betreten.

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