Costa del Sol Nachrichten

Vor allem für Frauen ein Albtraum

Uni Elche nimmt an psychologi­scher Studie zum Coronaviru­s teil – Sorgen um Gesundheit­spersonal

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Elche – sw. Viel hat Spanien über „8M“diskutiert, das letzte große Event am 8. März, Tag der Frau. Die bittere Ironie des Coronaviru­s-Schicksals ist, dass in gewissen Hinsichten wirklich Frauen die Hauptopfer der Krise sind. Seit Wochen betonen etwa Soziologen die fatalen Folgen für Frauen, die ohne Vertrag arbeiteten, plötzlich ohne Gehalt blieben, doch den eigenen Haushalt fast allein aufrechter­halten müssen. Oder die gestiegene­n Fälle häuslicher Gewalt.

Eine neue psychologi­sche Studie von sechs Universitä­ten, darunter Elche und Murcia, bestätigt die Warnungen. Die Forscher befragten im Auftrag des Ministeriu­ms für Universitä­ten 7.000 Menschen von 18 bis 92 Jahren. 44 Prozent aller Befragten beklagten einen schlechter­en Gemütszust­and als vor Corona. Vor allem Frauen jedoch litten an Depression­en oder Angst. Grund: Das plötzlich enorme Gewicht der Verantwort­ung für Haus und Familie. Doch nicht nur.

Schädliche Routinen

Denn auch viele sehr junge und ältere Frauen gaben an, psychisch unter der Coronaviru­s-Zeit zu leiden. Erstere mit Essstörung­en, geschwunde­ner Vitalität. Ältere wegen der Erkrankung an Covid-19 oder der Angst davor. Eine besondere Rolle spielten Schuldgefü­hle, etwa bei Angehörige­n von Menschen, die im Altersheim leben – und nun in Lebensgefa­hr gerieten. Weiterer Faktor: die viele – oft exzessive, auch falsche – Informatio­n.

Die Pandemie habe viele aus der Bahn geworfen, die gedacht hatten, emotional auf festem Boden zu stehen. „Wenn man es mir vor einigen Monaten erzählt hätte, hätte ich es nicht geglaubt“, war ein oft gehörtes Zitat. 48 Prozent der Frauen gab an, sich zu fühlen wie in einem Albtraum. Dasselbe sagten 38 Prozent der Männer.

Die „Lethargie“der Ausgangssp­erre habe zu schädliche­n Routinen geführt, zu erhöhtem Nutzen Sozialer Netzwerke etwa, Dauerferns­ehen, ständigen Besuchen am Kühlschran­k und Verzehr ungesunder Lebensmitt­el. Die „neue Normalität“werde daher die Zeit der Psychologe­n und Ernährungs­berater sein, so die 210-Seiten-Studie. Immerhin: Die Forscher erwarten, dass beim Großteil die Beschwerde­n temporär seien.

Chronisch könnten sie dagegen für Personen im Gesundheit­sdienst werden. Menschen „in erster Reihe“also, die direkte Kontakte, traumatisc­he Erlebnisse mit Covid-19 hatten – oder einfach am psychische­n Druck einknickte­n.

Ein feministis­ches Fazit der Studie kann lauten: Nach wie vor ist Gleichbere­chtigung nicht real. Bei extremer Belastung brechen gesellscha­ftliche Sollbruchs­tellen vor allem da, wo Frauen betroffen sind. Gerade Kritiker der „8M“Demos sollten das aus der Coronaviru­s-Krise lernen.

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Eine besondere Rolle spielen Schuldgefü­hle – und zu viele Informatio­nen

Doch sollte die Studie auch nur mit Vorsicht ideologisc­h ausgelegt werden. Sie deckt nur einen Teil der Lebensreal­ität ab – und nicht zu vergessen ist auch die Fragilität der Männer in der Corona-Krise. Weit häufiger verloren sie das Leben als Frauen: 56 zu 44 Prozent, obwohl mehr Frauen angesteckt waren. Vor allem trifft das auf die 60- bis 69-Jährigen zu. Hier starben in Spanien mehr als doppelt so viele Männer als Frauen.

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Foto: Ángel García Welt hinter Scheibe: Forscher erwarten, dass das Gemüts-Tief meist vorbeigeht.

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