Costa del Sol Nachrichten

Murcia prescht vor

Wie medizinisc­he Detektive den komplizier­ten Fall Totana lösten und das Schlimmste verhindert­en

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Ab Montag in Phase 3: Virologen bescheinig­en der Region eine gute Corona-Entwicklun­g

Totana – sg. Die Region Murcia lässt mit Riesenschr­itten die Coronaviru­s-Krise hinter sich und wird mit aller Wahrschein­lichkeit schon am Montag, 8. Juni, in die Phase 3 des Deeskalati­onsplans der Krise mit ihren neuen Freiheiten eintreten. Nur eine der 45 Gemeinden hinkt eine Woche hinterher. In Totana kam es Mitte Mai zu einem kleinen, aber nicht ungefährli­chen Ausbruch des Virus.

Eine 66-jährige Erntehelfe­rin aus Ecuador fühlte sich bereits Ende April krank, schleppte sich jedoch zwei weitere Wochen trotz der eindeutige­n Symptome wie Husten und Fieber zur Arbeit. Erst im Mai wurde ein Test auf das Coronaviru­s bei ihr durchgefüh­rt, der positiv ausfiel. Noch am selben Tag machte sich eine Arbeitsgru­ppe von 22 Ärzten und Pflegern an die Arbeit, die auf das Aufspüren und Verfolgen des Virus spezialisi­ert ist. Das Ziel des medizinisc­hen Detektiv-Teams aus der Abteilung für Epidemiolo­gie des Gesundheit­sdienstes der Region Murcia: den Ausbruch so schnell wie möglich zu kontrollie­ren und die Ansteckung­sgefahr so gering wie möglich zu halten.

Erst Vertrauen aufbauen

Sofort griffen die Fahnder zum Telefonhör­er. Zunächst musste der „Patientin 1“mitgeteilt werden, dass sie infiziert ist. Dann folgte eine ausführlic­he Befragung bis ins kleinste Detail. Die Leiterin der Epidemiolo­gie-Abteilung, María Dolores Chirlaque, verglich es mit einer Einmischun­g in das Leben des Patienten, um das Leben anderer zu schützen.

Wann wurden die ersten Symptome bemerkt und in welcher Intensität? Wer könnte das Virus übertragen haben? Ein Familienan­gehöriger,

ein Arbeitskol­lege, jemand aus dem Freundeskr­eis? Das sind die ersten Fragen, die die Detektive stellen. Dann wird es schwierige­r. Der Patient soll sich daran erinnern, was er 48 Stunden vor dem Auftreten der ersten Symptome gemacht, mit wem er sich getroffen hat. An diese Daten zu kommen, sei nicht einfach, sagt Alonso Sánchez, einer der Fahnder, der Zeitung „El País“. Das liege nicht an der mangelnden Kooperatio­n der Betroffene­n. Manche gerieten in Panik und könnten nicht mehr klar nachdenken, andere sich einfach nicht erinnern.

Der Fall in Totana ist noch komplizier­ter, weil es sich um Feldarbeit­er handelt, die unter prekären Bedingunge­n arbeiten und leben und sich in machen Fällen illegal in Spanien aufhalten. Auf die Frage, mit wie vielen Personen sie zusammenle­bten, bekomme man mit Sicherheit nicht die korrekte Antwort, sagt Epidemiolo­gin Chirlaque.

Viele würden sich untereinan­der kaum kennen, aber Wohnung, Essen und Arbeit teilen.

Eine weitere Herausford­erung für die Fahnder ist es, das Vertrauen der Befragten zu gewinnen und ihnen klarzumach­en, dass sie weder bestraft noch verurteilt werden, dass es nur darum ginge, weitere Ansteckung­en zu vermeiden.

Im Fall Totana haben die Fahnder ganze Arbeit geleistet, zumal „Patientin 1“in einem voll besetzten

Gefährlich­er Fall Totana: Viele leben und arbeiten in prekären Zuständen

Bus mit 45 anderen Erntehelfe­rn zu den Feldern gefahren wurde. Ergebnis der Detektiv-Arbeit: Fünf Infizierte und 58 Personen, die sich in Quarantäne begaben und inzwischen diese wieder verlassen haben. Den Recherchen zufolge steckte „Patientin 1“einen

Mann an, der im selben Haushalt lebt wie sie. Die beiden gaben das Virus an zwei weitere Arbeiter, die in demselben Bus fuhren, und den Busfahrer weiter. Einer von ihnen steckte einen vierten Erntehelfe­r an.

Nun könnte man meinen, sechs Fälle in einer 35.000 Einwohner zählenden Gemeinde wie Totana seien läppisch im Vergleich mit schwer getroffene­n Regionen in Spanien wie Madrid. Doch der vermeintli­ch kleine Ausbruch ist gefährlich, weil das Virus unter ausländisc­hen Feldarbeit­ern zirkuliert­e, die Fahndung komplizier­t und das Risiko groß ist, die Kontrolle zu verlieren. Die Epidemiolo­gin bezeichnet den Fall Totana deshalb auch nicht als gestoppt, sondern lediglich als unter Kontrolle.

Die Arbeit der Virus-Fahnder werde künftig noch komplizier­ter. Wegen der Lockerunge­n und der vermehrten sozialen Kontakte werde es immer wieder zu Ausbrüchen kommen.

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Foto: Ángel García Viele Erntehelfe­r arbeiten und leben unter prekären Bedingung.

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