Adiós, Corona
Spanien rüstet sich für die „neue Normalität“
Der Endspurt in Sachen CoronaDeeskalation läuft. Murcia und Andalusien haben die Phase 3 erreicht, während Valencia die Vorbereitungen für den Eintritt in diese letzte Phase des Deeskalationsplans abgeschlossen hat, mit dem die Regierung das Land in die „neue Normalität“führen will.
Das historische Real Decreto 21/2020 brachte das Parlament am Mittwoch mit den Stimmen der Regierungskoalition aus PSOE und Podemos und der Unterstützung
der Liberalen (C’s), der gemäßigten baskischen Nationalisten PNV sowie mit der Enthaltung der katalanischen Republikaner ERC auf den Weg. Es bringt dem Land ab 21. Juni die Bewegungsfreiheit zurück.
Málaga/Valencia – sk. Der Endspurt in Sachen Corona-Deeskalation läuft. Murcia und Andalusien haben am Montag die Phase 3 erreicht, während Valencia die Vorbereitungen für den Eintritt in diese letzte Phase des Deeskalationsplans abgeschlossen hat, mit dem die Regierung das Land in die „neue Normalität“führen will. Wie diese aussehen soll, legt ein Dekret fest. Das historische Real Decreto 21/2020 brachte das Parlament am Mittwoch mit den Stimmen der Regierungskoalition aus PSOE und Podemos und der Unterstützung der Liberalen (C’s) sowie den gemäßigten baskischen Nationalisten PNV und mit der Enthaltung der der katalanischen Republikaner ERC (siehe Seite 8) auf den Weg.
Die Phase 3 bringt allen Bürgern neuen Freiheiten. Beim Sport und Spazierengehen fallen die letzten Zeitfenster für Senioren und Risikogruppen weg, die bisher von 10 bis 12 und 19 bis 20 Uhr für diese Tätigkeiten das Haus verlassen durften. Eine solche Unterteilung
gibt es in Andalusien und Murcia bereits nicht mehr und wird es in der Region Valencia ab Montag, 15. Juni, auch nicht mehr geben.
Ferner dürfen die Bars ihre Kunden wieder an der Theke bedienen. Diskos und Pubs können öffnen, allerdings darf niemand das Tanzbein schwingen. Auch der Kulturbetrieb wird hoffentlich wieder anspringen, da Kinos und Theater mehr Gäste empfangen und Freiluftveranstaltungen mit bis zu 800 sitzenden Personen veranstaltet werden können (siehe Seite 6). Und der Fußball nimmt am Donnerstag, 11. Juni, mit dem Derby Sevilla und Betis den Spielbetrieb wieder auf.
Derweil schreitet die Regierung in Sachen Grenzöffnung weiter voran. Madrid will zwar Touristen aus dem Ausland erst ab 1. Juli einreisen lassen, startet aber bereits am Montag, 15. Juni, ein touristisches Pilotprojekt auf den Balearen. Fast 11.000 Deutsche dürfen zu ihren Ferieninseln reisen.
Die Besucher kurbeln hoffentlich nicht nur den Tourismus an, sondern geben der balearischen und spanischen Regierung auch die Möglichkeit, die Sicherheits- und Hygienebestimmungen in der „neuen Normalität“zu testen. Mit so einem Projekt liebäugeln auch die Kanaren und Valencia.
In ihrem Antrag für die Aufnahme in die Phase 3 ersucht die Landesregierung, dass Valencianer sich frei zwischen den drei Provinzen Castellón, Valencia und Alicante bewegen dürfen. Diese Sondergenehmigung gilt beinahe als Formsache, da Andalusien seine Provinzen geöffnet hat und Bürger ohne Probleme etwa von Almería nach Málaga oder Granada fahren können. Weshalb sollten die Valencianer nicht von Dénia nach Oliva oder Gandía fahren dürfen?
Pfiffig bis gewagt mutet der Vorstoß von Landesministerpräsident
Valencia will wie Andalusien alle Provinzen öffnen
Ximo Puig an, auch den freien Fährbetrieb zu den Balearen aufzunehmen zu wollen. Ferner ersuchen er und seine Gesundheitsministerin Ana Barceló das spanische Gesundheitsministerium, die freie Fahrt zwischen den Regionen Valencia und Murcia „so schnell wie möglich“bereits in der Phase 3 zu ermöglichen.
„Hoppla“, dürfte sich Ministerpräsident Pedro Sánchez gesagt haben, da der Parteigenosse aus Valencia beim Deeskalationsplan schon zweimal auf die Bremse trat, und nun aber auf die Überholspur fährt und Vollgas gibt. „Die Urlaubssaison ist noch nicht verlo
ren“, machte Puig am Dienstag bei einem Besuch des Flughafens Alicante-Elche dem Sektor Mut.
Die Region Valencia hat zwar einen großen Anteil an deutschen Langzeiturlaubern, die natürlich die Brücke von den Balearen zu ihren Häusern an der Costa Blanca nutzen könnten. Und viele Valencianer arbeiten traditionell den Sommer über auf den Inseln. Die plötzliche Eile erscheint aber übertrieben, denn Valencia bleibt nur eine Woche in der Phase 3. Schließlich läuft am 21. Juli das Notstandsdekret aus und damit der Deeskalationsplan. In der „neuen Normalität„ kann man sich auf spanischem Territorium frei bewegen. Kein rechtliches Hindernis kann mehr den Besucherstrom an die Mittelmeerküste aufhalten.
Letztendlich hängt es vom Gesundheitsministerium ab, ob es die Petition aus Valencia genehmigt. In der Tat kann die Region ihr Anliegen mit guten Fallzahlen untermauern. Bei der Antragsstellung am Montag stellten die Behörden in 470 Gemeinden der Region seit fast zwei Wochen keine SarsCoV-2-Infektion mehr fest. Der Reproduktionsindex läge bei rund 0,7, betonte Puig.
Derzeit müssten nur 140 Covid-19Patienten in den Krankenhäusern behandelt werden, lediglich 17 davon auf der Intensivstation. Kein Vergleich zu Hochzeiten, sagte Puig, als 2.200 Covid-19-Patienten stationäre Hilfe benötigten. „Wir sind uns einer Sache ganz sicher: Die Vorsicht jetzt ist später die Garantie für einen schnellen und robusten wirtschaftlichen Wiederaufbau“, meinte Puig.
Andalusien zieht gleich
In Andalusien schlossen die Provinzen Málaga und Granada zum Rest der Region auf und befinden sich mit der gesamten Region und dem Nachbarn Murcia in der Phase 3. Einen Aufschwung bescherte die neue Phase dem unter den Notstandsauflagen leidenden Tourismussektor scheinbar nicht überall. Diese Woche blieben in Málaga viele Geschäfte, Bars und Restaurants geschlossen, obwohl Verbände verkünden, bis Monatsende sollen 85 Prozent der Lokale geöffnet sein. Ende Juni, Anfang Juli und die Ankunft der nationalen und ausländischen Touristen scheinen sich vielerorts als Stichtage herauszubilden. Bis dahin wird die Wirtschaft nur mit halber Kraft laufen.
Von da an wird Sonne, Strand und Wirtschaftskrise die Nachrichtenlage in Spanien bestimmen. Das Coronavirus verschwindet sicherlich nicht aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit. Schließlich hat die Regierung der „neuen Normalität“die Maskenpflicht verordnet und es müssen praktisch in jedem öffentlichen Raum Reinigungs- und Desinfektionsmöglichkeiten bereitstehen. Die Epidemie verliert aber bereits jetzt ihre Omnipräsenz und lässt Raum für eine Reihe wichtiger Angelegenheiten, die immer aufgeschoben wurden – Maßnahmen zum wirtschaftlichen Wiederaufbau etwa oder die Regelung des Schulunterrichts.
Keineswegs überall läuft die Deeskalation so reibungslos wie in Valencia und Andalusien. Die Phase 3 garantiert keinesfalls einen Schutz vor dem Coronavirus. Bestes Beispiel ist das Baskenland, das diese Woche einen Rückfall einstecken und 25 Neuinfektionen im Krankenhaus Basurto registrieren musste.
Derweil geht in einigen Regionen die Furcht vor dem sommerlichen – Nachtleben und der damit verbundenen Infektionsgefahr um. So beugte sich der galicische Ministerpräsident Alberto Núñez Feijóo nur widerwillig dem Druck der Gastronomen und ließ die Nachtclubs und Diskotheken ab Montag wieder öffnen unter der Auflage des Tanzverbots und einer strikten Einlassbeschränkung von einem Drittel der Kapazität, so wie die Madrider Staatsregierung dies vorsieht. Der Empfehlung folgt Andalusien nicht und schlägt eine härtere Gangart ein. Innenräume von Diskotheken und Nachtclubs dürfen in der Phase 3 grundsätzlich nicht öffnen. Ein harter Schlag für den Sektor, der bereits seit dem Ausruf des Notstands am 14. März komplett dicht hat.
Ungeklärte Grenzfragen
Holprig schaut es noch bei der Regelung der Grenzfragen aus, weniger mit Frankreich und Portugal, wo die Schranken sich am 1. Juli öffnen sollen. Gibraltar und Marokko bereiten dem Innenministerium Kopfzerbrechen. Der Versuch, mit dem Eintritt von Cádiz in Phase 3 die Grenzen zu öffnen, währte auf Gibraltar nur Stunden und schon machte das Innenministerium sie wieder für Besucher dicht. Daran dürfte sich bis 1. Juli wenig ändern.
Ungewiss bleibt auch die Regelung mit der Grenzfrage mit Marokko. Der nordafrikanische Nachbar hat sich komplett abgeschottet und denkt gar nicht an eine Grenzöffnung. Die bis zu 3,5 Millionen nordafrikanischer Gastarbeiter in der EU sehnen diese allerdings herbei, schließlich gehen sie immer um diese Jahreszeit bei der „Operación Paso del Estrecho (OPE)“in Heimaturlaub.
Das Innenministerium hat die Polizisten für die OPE unter dem Corona-Stern gerüstet, die andalusische Landesregierung will jedoch am liebsten die Operation abblasen. Damit würde Sevilla dem Fährbetrieb einen schweren Schlag zufügen. „Die Durchführung der OPE hängt vor allem vom epidemiologischen Stand in den jeweiligen Ursprungsländern ab“, ließ das Innenministerium dazu verlauten.
Viele Bars und Restaurants immer noch geschlossen