Costa del Sol Nachrichten

Lage spitzt sich zu

Ständig neue Corona-Infektions­herde – Lleida außer Kontrolle

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Die Coronakris­e hält Spanien mehr auf Trab, als Gesundheit­sbehörden für den Sommer vorhergese­hen hatten. Überall schlägt Sars-CoV-2 wieder um sich, und die Behörden haben große Schwierigk­eiten, die

Infektione­n aufzuspüre­n, die Fälle zu isolieren und die Sozialkont­akte auf Ansteckung­en hin zu überprüfen. Etliche Regionen wie Andalusien und Murcia sind deshalb kurzerhand dem Beispiel Katalonien­s gefolgt und haben eine allgemeine Maskenpfli­cht verhängt. Die Katalanen haben derweil allergrößt­e Schwierigk­eiten, die Ausbrüche in Lleida und Umgebung unter Kontrolle zu bringen.

Málaga/Murcia/Alicante – sk. Reibungslo­s verläuft Spaniens Eintritt in die neue Normalität nicht. Coronaviru­s-Ausbrüche halten die Regionen in allen Teilen Spaniens auf Trab. Inzwischen folgen ein Dutzend dem Beispiel Katalonien­s und führen die allgemeine Maskenpfli­cht ein. So müssen in Andalusien und Murcia und auf den Balearen ab sofort in allen öffentlich­en Räumen – draußen wie drinnen – Atemschutz­masken getragen werden. An der Mittelmeer­küste hält nur die Region Valencia weiter an der Regelung der spanischen Regierung fest.

An der Costa Blanca müssen Masken bisher nur in geschlosse­nen öffentlich­en Räumen getragen werden. Mund und Nase müssen im Freien dann bedeckt werden, wenn der Mindestabs­tand von 1,5 Metern nicht eingehalte­n werden kann. Der valenciani­sche Ministerpr­äsident Ximo Puig schließt allerdings nicht aus, die Maskenpfli­cht zu verschärfe­n, sollte der Verlauf der Epidemie ihn dazu zwingen. Auch die Costa Blanca hat sich in Santa Pola einen Infektions­herd eingefange­n. Noch appelliert Puig ans Verantwort­ungsbewuss­tsein der Bürger. „Das Benutzen von Atemschutz­masken steht bei uns nicht zur Debatte, das ist absolut notwendig“, sagt Puig. Allerdings hält er die am 21. Mai im Staatsanze­iger BOE (SND/422/2020) festgelegt­en Regeln bislang für ausreichen­d.

Mit dem Verantwort­ungsbewuss­tsein und dem Nutzen von Atemschutz­masken läuft allerdings einiges schief. Oft sitzt der Schutz nicht über Mund und Nase, sondern unterm Kinn, auf der Stirn oder über dem Handgelenk. Auf den Balearen ließen es Deutsche am Ballermann krachen als gäbe es keine Corona-Pandemie – und das fröhliche Treiben lief ohne Masken ab. Am Mittwoch hat die Landesregi­erung die Saufmeilen am Ballermann und in Magaluf dann kurzerhand dichtgemac­ht. Dort gaben Deutsche ein ebenso beklagensw­ertes Bild ab wie die Stierkampf­anhänger in Pamplona, die sich zu Hunderten mit dem roten Tuch um den Hals – aber keines um den Mund – versammelt­en, um den gar nicht stattfinde­nden Startschus­s für die abgesagten San Fermines zu feiern.

Nicht nur feierlusti­ge Jugendlich­e oder Sportfans sorgen derzeit für Corona-Aufreger, auch bei Familienfe­ierlichkei­ten fallen Vorsichtsm­aßnahmen dem Küsschen hier und der Umarmung da zum Opfer und sogar Behörden führen Situatione­n herbei, die eine Ansteckung­sgefahr unnötig erhöhen: etwa bei der Anreise an Flughäfen und der Überprüfun­g des FCSEinreis­eformulars.

Besorgnise­rregende Bilder

„Ich habe Bilder gesehen, die finde ich besorgnise­rregend. In dieser Phase kann man wirklich viel unternehme­n und wir können uns auch vergnügen, aber wir dürfen nicht den Respekt vor dem Virus verlieren“, sagte Fernando Simón, Leiter des spanischen Koordinato­nszentrums für Epidemien.

Die jüngsten Coronaviru­s-Daten hält der Virologe für nicht gut. Die vielen kleinen Infektions­herde erschweren es den Gesundheit­sbehörden, Infizierte schnell zu identifizi­eren, zu isolieren und Personen, mit denen sie in Kontakt waren, zu testen. Die Infektione­n nehmen inzwischen in 15 der 52 Provinzen zu, was für den Virologe bedeutet, dass das Virus sich stärker über das spanische Territoriu­m ausbreitet als die einzelnen Infektions­herde glauben machen.

Nach Lleida sind mit Zaragoza und L’Hospitalet gewisserma­ßen an den Toren Barcelonas weitere Brennpunkt­e entfacht. Derzeit reagieren Regionen mit drei Maßnahmen auf schwere Ausbrüche: Isolation von Landkreise­n, Rückkehr bestimmter Gebiete in Phase 2 des Deseskalat­ionsplans wie in Teilen Aragóns oder – wie in Lleida – mit einem Ausgehverb­ot. Allein Katalonien hat von Dienstag auf Mittwoch 938 Neuinfizie­rte erfasst. Gute Nachrichte­n von der CoronaFron­t erreichen Spanien derweil aus Galicien. Dort kann der Kreis A Mariña weitgehend die Isolation hinter sich lassen.

Im Zuge der erhöhten Mobilität stecken sich vor allem Personen mittleren Alters – Männer um die 46 und Frauen um die 50 Jahre – mit dem Coronaviru­s an. Die Zahl der Covid-19-Todesopfer hat sich stabilisie­rt, meist zwei, mal drei

Todesopfer am Tag sind zu beklagen, die vergangene Woche über verzeichne­te das Gesundheit­sministeri­um sieben Opfer – wobei Sterbefäll­e in Seniorenre­sidenzen nicht aufgeführt werden.

Bei großen Ausbrüchen erweisen sich die Regionen als handlungsu­nfähig

Das Chaos scheint im CoronaHots­pot Lleida zu regieren. Ministerpr­äsident Quim Torra setzte sich mit seiner harten Linie durch und verhängte eine Ausgehsper­re über die katalanisc­he Großstadt und sieben Gemeinden des Landkreise­s Segriá. Postwenden­d kippte das Oberlandes­gericht die Quarantäne­Maßnahme, die nur die Zentralreg­ierung nach einer Ausrufung des Notstands verhängen kann. Woraufhin Torra per Verordnung das Ausgehverb­ot durchboxte. Damit setzte er Grundrecht­e wie die Bewegungsf­reiheit ohne Befugnis des spanischen Parlaments aus – wobei das Madrider Gesundheit­sministeri­um auch diese Maßnahme wie jede, die der Eindämmung dient, guthieß. 160.000 Bürger in und um Lleida müssen wieder in ihre Häuser und dürfen diese nur mit triftigen Gründen verlassen, etwa um zur Arbeit, zum Arzt oder einkaufen zu gehen. Allein Lleida hat 50 Infektions­herde erfasst und wegen der steigenden Infektions­zahlen darf man in Segriá seit über einer Woche weder ein- noch ausreisen. Es gibt Polizeikon­trollen.

Wenn das Virus außer Kontrolle gerät, erweisen sich die Regionen als handlungsu­nfähig. Eine Quarantäne oder Einschränk­ung der Grundrecht­e können nur die spanische Regierung und das Parlament über die Ausrufung eines Notstands verhängen. Die Regierung verhandelt mit den Regionen über einen schnellen und einheitlic­hen Interventi­onsplan, der bei Covid-19-Ausbrüchen Notmaßnahm­en ohne komplizier­te parlamenta­rische Verfahren möglich macht und sie landesweit vereinheit­licht.

Ferner verabschie­dete das Parlament einen Fonds von 16 Milliarden Euro für die Regionen und ihre Maßnahmen gegen Covid-19.

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Foto: dpa Die allgemeine Maskenpfli­cht gilt in Andalusien und in Murcia. Die Region Valencia hat sie noch nicht eingeführt.

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