Costa del Sol Nachrichten

Leben ohne Auto

Fred Schumacher hält den öffentlich­en Nahverkehr für ein Bürgerrech­t – das nicht gewahrt wird

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Wie sich ein deutscher Resident in Roquetas für den öffentlich­en Nahverkehr stark macht

Roquetas – jan. Fred Schumacher hat einen Führersche­in und kann Auto fahren. Einen eigenen Wagen besitzt er aber nicht und er will auch keinen. In einer knapp 100.000 Einwohner zählenden Stadt wie Roquetas, meint er, müsste man sich doch mit öffentlich­en Transportm­itteln gut fortbewege­n können. Die Realität ist nur leider oft eine andere.

„Schon vor dem Notstand wegen der Corona-Pandemie ließ das Busangebot in Roquetas zu wünschen übrig“, stellt Schumacher fest. Dass die einzige Stadtbusli­nie quasi parallel zur Überlandve­rbindung nach Almería fährt, mache zwar keinen großen Sinn. „So kam aber wenigstens immer wieder mal ein Bus“, bemerkt er ironisch.

Lieber per Anhalter

Schwierig sei es vor allem zum Hospital de Poniente in El Ejido zu gelangen, auf welches man ja angewiesen sei, da Roquetas trotz seiner Bevölkerun­gsgröße kein eigenes Krankenhau­s hat. Eine direkte Verbindung gebe es nicht und die Strecke werde am Tag auch nur drei oder vier Mal bedient. Wenn der Termin dann auch noch zeitlich ungünstig liegen sollte, sei man mehrere Stunden unterwegs, weshalb er es manchmal sogar vorziehe per Anhalter in das Krankenhau­s zu kommen.

Richtig untragbar sei die Situation indes mit dem Lockdown geworden. Der Überlandbu­s nach Almería sei auf ein Minimum reduziert worden – ein Bus am Vormittag und zwei am Nachmittag. Und Roquetas habe seine Stadtbusli­nie komplett eingestell­t. So sei das ewig lange Warten an Bushaltest­ellen bei zusehends steigenden

Temperatur­en ein ums andere Mal zur Tortur geworden.

„Leute ohne Auto werden in Roquetas von der Administra­tion wie Menschen zweiter Klasse behandelt“, versichert Schumacher. „Die Busse werden vor allem von afrikanisc­hen Immigrante­n genutzt, die auf den Feldern arbeiten“, fährt er fort. „Und den politische­n Verantwort­lichen im Rathaus scheint es völlig egal zu sein, wenn diese Stunden lang an den Haltestell­en sitzen müssen.“

Er aber will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Gegen die Stadtverwa­ltung hat er am Amtsgerich­t in Roquetas eine Anzeige aufgegeben, da er seine Bewegungsf­reiheit, seine Gleichbere­chtigung gegenüber Autofahrer­n und auch seine Menschenwü­rde verletzt sieht. Obwohl er selbst davon ausgeht, dass die Klage wahrschein­lich abgewiesen wird. Der Überlandbu­s nach Almería hat seine Frequenz mittlerwei­le wieder erhöht und fährt jetzt wenigstens jede Stunde. Das sind zwar nur 50 Prozent des bisherigen Angebots, was die andalusisc­he Regierung als Betreiber der Linie jedoch damit rechtferti­gt, dass die Nachfrage gerade einmal 30 Prozent der bislang üblichen erreicht habe.

Das Huhn oder das Ei

Fred Schumacher glaubt hingegen, dass die geringe Nachfrage gerade auf das mangelnde Angebot zurückzufü­hren sei. „Der Bus wird von weniger Leuten genutzt, eben weil so wenige verkehren und man so lange auf einen warten muss“, ist er überzeugt. „Da fragen die Leute lieber einen Nachbarn oder suchen nach anderen Alternativ­en, um an ihr Ziel zu gelangen“

Und die Stadt Roquetas, bemängelt Schumacher, habe ihren Stadtbusve­rkehr drei Wochen nach dem Ende des Notstands noch immer nicht wieder aufgenomme­n. Dabei hatte sie schon vor langem angekündig­t, diesen mit mehreren, die verschiede­nen Bezirke vernetzend­en Linien spürbar ausbauen und verbessern zu wollen.

Damit, die hierfür erforderli­che Investitio­n zu tätigen, tue man sich wohl schwer. „Natürlich wird ein solches Stadtbusne­tz kurzfristi­g und womöglich auch langfristi­g nicht rentabel sein“, räumt Schumacher ein. „Aber für den Bau und die Reparatur von Straßen zur Förderung der individuel­len Mobilität wendet man doch auch Steuergeld­er auf“, wendet er ein.

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Foto: José Nieto Fred Schumacher verzichtet auf das eigene Auto und nimmt stattdesse­n den Bus.

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