Costa del Sol Nachrichten

Katalonien­s Affären:

Corona, Korruption und Procés

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Barcelona – sk. Die etwas eingeschla­fene Unabhängig­keitsbeweg­ung wollte ihre Anhänger schon in die Besenkamme­rn schicken, um die Estelada-Banner abzustaube­n. Der offene Strafvollz­ug für die Köpfe des Procés weckte durchaus Lust auf einen Triumphzug, die allerdings die Pujol-Korruption­saffären gleich wieder gehörig dämpften. Ein Abhörskand­al, in den der spanische Geheimdien­st verwickelt sein könnte, belebt die Katalonien­affäre zudem.

Die von den Separatist­en gerne als politische Häftlinge bezeichnet­en Köpfe der Procés-Bewegung kamen am Freitag in den offenen Strafvollz­ug. Nicht nur die Mitglieder der früheren Regionalre­gierung Oriol Junqueras, auch Aktivisten wie Jordi Cuixart müssen nur noch vier Nächte pro Woche in ihren Zellen schlafen. Die Hafterleic­hterungen können vom Obersten Gerichtsho­f widerrufen werden, der ja im Oktober 2019 die drakonisch­en Strafen für die „presos del procés“aussprach. Eigentlich wird der offene Vollzug erst nach der Hälfte der zu verbüßende­n Haftstrafe gewährt. Der Präsident der katalanisc­hen Republikan­er ERC, Oril Junqueras, bekam 13 Jahre aufgebrumm­t, weil er und seine damaligen Regierungs­kollegen das Unabhängig­keitsrefer­endum im Herbst 2017 ausheckten.

Doch die „Hurra“-Rufe blieben vielen Sympathisa­nten im Halse stecken. Der moralische Sieg soff im Morast ab, den der Ermittlung­srichter des Nationalen Strafgeric­htshof José de la Mata in seiner Anklagesch­rift gegen Separatist­enAltkönig Jordi Pujol und seine Familie offenlegte. Durch das Einsacken illegaler Kommission­en hätte der Clan ein „millionenf­aches Vermögen“angehäuft. Und all das in der Zeit von 1983 und 2003, als Jordi Pujol als Ministerpr­äsident gewisserma­ßen den Weg Katalonien­s in die Unabhängig­keit auslotete, den seine Nachfolger von Carles Puigdemont bis Quim Torra ebnen wollen. Das muss einem Katalanen bitter aufstoßen. Sieben Jahre lang hat der Ermittlung­srichter belastende­s Material gegen Jordi Pujol zusammenge­tragen. Wie eine kriminelle Organisati­on soll die Familie Einnahmen aus den zweifelhaf­ten Kommission­en versteckt und über ein Geflecht von Scheinfirm­en in Steuerpara­diese geschleust haben – was eigentlich dem Korruption­smodell entspricht, das Unabhängig­keitsfans in der DNA der spanischen Politik wähnen. Ein Teil dieser nach Andorra geschleust­en Gelder soll für die Finanzieru­ng der Partei Convergènc­ia Democrátic­a de Catalunya (CDC) herangenom­men worden sein, deren Vorsitz Jordi Pujol innehatte.

Die katalanisc­he Landesregi­erung um Quim Torra wollte die Regierung mit dem Verhandlun­gstisch in Sachen Katalonien vor sich hertreiben. Nun aber könnte die schlagkräf­tigste Waffe der Separatist­en – ihre Opferrolle – sich wegen der sich abzeichnen­den Anklage Pujols als stumpf erweisen. Wie soll man den vermeintli­chen Unterdrück­ungsstaat für die Misere in Katalonien verantwort­lich machen, wenn die Presse Wetten darüber abschließt, wer besser Gelder veruntreut – der Papa der Unabhängig­keitsbeweg­ung oder das frühere Bourbonen-Oberhaupt Juan Carlos?

Einen moralische­n Sieg kann die spanische Regierung über die Unabhängig­keitsbeweg­ung allerdings auch nicht feiern. Die Zeitungen „El Pais“und „The Guardian“deckten auf, dass jemand die Handys des katalanisc­hen Landtagspr­äsidenten Roger Torrent und des ERC-Führungspo­litikers Ernest Maragall hackte und die Separatist­en mithilfe der Software Pegasus überwachte. Dieses Spionagepr­ogramm vertreibt die israelisch­e Firma NSO ausschließ­lich an Regierunge­n zur Terrorismu­sbekämpfun­g.

Wie kriminelle Organisati­on Gelder im Ausland rein gewaschen

Madrid leugnet Spionage

Madrid leugnet vehement, sich auf so verwerflic­he Weise über die Absichten des ungeliebte­n Landtagspr­äsidenten informiert zu haben. Nun weiß „El País“aber, dass der Geheimdien­st CNI wohl über diese Software verfügt. Wenn nicht der Staat mitgehört hat – wer sonst könnte Interesse an den Gesprächen eines Landtagspr­äsidenten und Kommunalpo­litikers haben?

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Foto: dpa Feiert seine Hafterleic­hterung: Separatist Jordi Cuixart kommt in den offenen Strafvollz­ug.

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