Viel Geld für Spanien:
140 Milliarden aus EUAufbauprogramm
Madrid/Brüssel – tl. Zum Schluss fühlten sich alle als Sieger. Nach 91 Verhandlungsstunden darf es auch keine Verlierer geben. Und so äußerte Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez nach dem Marathon-Sondergipfel der EU in Brüssel: „Heute ist einer der markantesten Tage in der Geschichte der Europäischen Union.“Es sei anstrengend gewesen, „aber es hat sich gelohnt“. Was auch nicht falsch ist: Für Spanien hat es sich gelohnt.
Aus dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbauprogramm erhält Spanien als eines der von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder 140 Milliarden. Davon werden 72 Milliarden Euro als direkte Hilfe gezahlt, also als Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Der Rest sind günstige Kredite. Dass sich Sánchez mit dem Gipfel-Ergebnis zu „95 Prozent zufrieden“und fünf Prozent Abstriche auf der Zufriedenheitsskala machte, hängt wohl mit dem Schrumpfungsprozess zusammen, den der Anteil der Zuschüsse durchlief.
Ursprünglich hatten Frankreichs Emmanuel Macron und Deutschlands Angela Merkel 500 Milliarden dafür vorgeschlagen. Die sogenannten „sparsamen Vier“– Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark – drückten die Zuschüssen auf 390 Milliarden. Schon in den Tagen vor dem Gipfel bei einer Goodwill-Tour in die Niederlande und nach Schweden war Sánchez klar geworden, dass „man wohl nachgeben müsse“, was die 500 Milliarden anbetrifft.
Gleichwohl hat sich Sánchez mit dem Gipfel-Ergebnis auch ein Problem eingehandelt. Zwar konnten sich die „sparsamen Vier“ nicht mit ihrer Forderung nach einem Veto-Recht durchsetzen, um Zuschüsse zu stoppen, wenn sich ein Empfängerland der Verpflichtung zu Reformen entzieht.
Die Rücknahme der Arbeitsmarktreform dürfe kompliziert werden
Damit ist die Verpflichtung keineswegs vom Tisch. Tut sich ein Land mit Reformen schwer, kann dies auf die Tagesordnung einer EU-Ratssitzung gesetzt werden. Die Rücknahme der Arbeitsmarktreform der Volkspartei-Regierung Rajoy, die im Koalitionsvertrag von PSOE und Unidas Poldemos steht, könnte so ein Fall sein.
Die Reform war seinerzeit eine der Forderungen der EU-Kommission, um Gelder aus dem EuroRettungsfonds zu erhalten. Bei einer Rücknahme wäre Brüssel wenig amüsiert. „Wir werden auf eine Abänderung der Arbeitsmarktreform nicht verzichten“, heißt es zwar seitens von Poldemos. Auch die Sozialisten ließen verlauten: „Wir werden von einer Änderung der schädlichsten Aspekte der Arbeitsmarktreform nicht Abstand nehmen.“Die Gewerkschaften drängen ebenfalls. Doch bislang hatte es die Regierung nicht eilig mit ihrem Versprechen. Mit dem Gipfel-Beschluss ist das Vorhaben für Sánchez erst recht nur noch schwer zu realisieren. Eingebunden ist das Wiederaufbauprogramm in den größten Etat der EU-Geschichte, der auf dem Gipfel ebenfalls verabschiedet wurde. Insgesamt 1,8 Billionen Euro umfasst der siebenjährige Haushaltsrahmen, mit dem sich die 27 Mitgliedsländer gegen den Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Pandemie stemmen wollen.
EU-Kommission verschuldet sich
Dazu nimmt die EU-Kommission erstmals in großem Stil Schulden auf, für welche die Staaten gemäß ihrem Anteil am Haushalt geradestehen. Auch hier kann sich Spanien als Gewinner fühlen. Gemeinsame Schulden – und sei es wie jetzt über einen Umweg – ist schon seit langem eine Forderung der Südländer in der EU.