Schwarze Woche
Britische Quarantänepflicht trifft Tourismus hart – Infektionszahlen steigen
kann den Sommer 2020 abschreiben: Nach der Verhängung einer Quarantänepflicht für Spanien-Rückkehrer in Großbritannien rät auch Deutschland von Reisen in die Regionen Aragón, Katalonien und Navarra ab. Österreich, Norwegen, Belgien und Frankreich haben eine Reisewarnung für ganz Spanien verhängt.
Unterdessen steigen die Infektionszahlen weiter rasant an, die Landesregierungen versuchen verzweifelt, die neuen Ausbrüche einzudämmen und appellieren an die Vernunft der Bürger. Die meisten Infektionsherde sind auf Familienfeiern und Treffen mit Freunden zurückzuführen – und somit schwer zu kontrollieren.
Madrid – fin. Der Sommer in Spanien ist offiziell gelaufen. Könnte man meinen. Die plötzliche Ankündigung Großbritanniens am Sonntag, eine 14-tägige Quarantäne-Pflicht für alle Rückreisenden aus Spanien anzuordnen, sorgte für einen Aufschrei im Land. Die Hoteliers in Briten-Hochburgen wie Benidorm wollten nach steigenden Reservierungen von ihren Lieblings-Gästen im August endlich wieder ihre Häuser öffnen – da platzte der Traum einer doch noch nicht ganz verlorenen Hochsaison schon wieder.
Die Branche fordert, nicht ganz Spanien über einen Kamm zu scheren – schließlich beschränkten sich die großen Infektionsherde weitestgehend auf Katalonien, Aragón und Navarra – und etwa die Balearen, Kanaren, Costa Blanca und Costa del Sol von der Quarantäne-Pflicht auszunehmen. Ministerpräsident Pedro Sánchez bemüht sich um Verhandlungen mit London, um sichere Flugkorridore zumindest zu den Inseln einzurichten.
Lediglich Fernando Simón, der Chef des sanitären Krisenstabes, freute sich über die QuarantänePflicht in Großbritannien und sorgte für Schnappatmung bei den Hoteliers: Je weniger Leute, desto geringer die Ansteckungsgefahr, lautet die nüchterne Logik des Virologen. Neben Großbritannien setzten auch Norwegen, Belgien und Frankreich Spanien auf die schwarze Liste und rieten ihren Bürgern von Reisen in das Land ab. Österreich stuft Spanien bereits seit dem 10. Juli als „Land mit hohem Sicherheitsrisiko“ein.
Starker Anstieg in Madrid
Seit Dienstag rät das deutsche Auswärtige Amt von Reisen nach Katalonien, Aragón und Navarra ab – ein weiterer herber Schlag für die Tourismusbranche, die zumindest in Katalonien stark von Ausländern abhängt. Dort scheint die Isolierung der am stärksten betroffenen Regionen allmählich zu fruchten, die Kurve flacht langsam ab. Die Zahl der aktiven Fälle lag zwar noch am Dienstagabend bei 1.055, aber die Basisreproduktionszahl R0 – also die Zahl der Zweitinfektionen, die auf einen Fall zurückgehen – sank erstmals wieder auf den empfohlenen Wert von weniger als 1. Neben Katalonien bleibt Aragón Spitzenreiter der zweiten Welle, 35 Prozent der Covid-19-Patienten, die in spanischen Krankenhäusern eingewiesen werden müssen, liegen in Kliniken in Aragón – einer Region, die nur drei Prozent der spanischen Bevölkerung beheimatet. Nachdem sich im einstigen Hotspot Madrid die Zahl der Neuinfektionen binnen einer Woche um 400 Prozent erhöht hat, rang sich dort Landeschefin Isabel Díaz Ayuso zu einer allgemeinen Maskenpflicht durch. Somit sind die Kanaren jetzt die einzige Region in Spanien, in der der Mundschutz noch nicht omnipräsent ist.
Die Feriengebiete südlich von Katalonien kommen bei der zweiten Welle besser weg als der Norden. In der Region Valencia flammen hier und da kleinere Infektionsherde auf, in L’Alfàs del Pi etwa infizierten sich fünf Personen in einer Bar, in Orihuela drei Arbeitskollegen und in Elche vier Mitarbeiter eines Unternehmens sowie fünf weitere Betroffene durch soziale Kontakte. Die Landesregierung reagiert darauf mit einem neuen Bußgeldkatalog, der vor allem auf illegale Veranstaltungen oder nicht eingehaltene Regeln in Nachtleben und Gastronomie abzielt.
Zum anderen verkündete Landesgesundheitsministerin Ana Barceló am Dienstag, 85 neue Coronavirus-Fahnder einstellen zu wollen. Damit beschäftigt das Land Valencia insgesamt fast 2.000 Mitarbeiter, die vor allem herausfinden sollen, mit wem ein Neuinfizierter in Kontakt war, um die Betroffenen schnell zu isolieren. Keine andere Region hat so viele rastreadores eingestellt.
Die valencianische Gesundheitsministerin Ana Barceló begründete die Maßnahme mit dem raschen Anstieg der neuen Fälle: „Die Zahl hat sich in zwei Wochen verdoppelt“, sagte sie am Dienstagabend. 48 Infektionsherde – davon 27 neue binnen einer Woche – meldet die Region, darunter einer mit 14 Betroffenen in einer Seniorenresidenz in L’Eliana (Valencia). Die meisten Neuinfektionen sind auf soziale Kontakte, nicht selten Familienfeiern, zurückzuführen.
Ana Barceló appellierte an die Verantwortung jedes Einzelnen: „Wir können ja schlecht die Polizei zu jedem nach Hause schicken“, so die Landesministerin. Sorgenkind bleiben die jungen Leute, die die Krankheit oftmals ohne Symptome durchlaufen, aber trotzdem Mitmenschen anstecken: 49 Prozent der Betroffenen sind zwischen 15 und 34 Jahre alt, 31 Prozent zwischen 35 und 64 Jahren.
Nachtleben und junge Leute
Mit dem blauen Auge davongekommen sind unterdessen Lorca und Mazarrón in Murcia. Schwebte noch zu Wochenbeginn die Androhung einer Rückstufung in Phase 1 – wie in der Vorwoche in Totana – über den beiden Gemeinden, entspannte sich die Lage kurz darauf. Am Mittwoch vermeldete das Landesgesundheitsministerium keine neuen Fälle in den beiden Städten, die Zahl der Betroffenen blieb in Lorca bei 16 und in Mazarrón bei 21 stabil. Auch in der gesamten Region ist die Tendenz fallend, 483 Fälle sind aktiv. Ein Großteil der Infizierten geht auf den Hotspot Totana mit 112 und auf die Ausgehmeile Atalayas in Murcia mit 87 Betroffenen zurück.
In Andalusien sind 38 Coronavirus-Herde aktiv, die meisten Neuansteckungen verzeichnen die Ferienregionen Almería und Málaga. Der größte andalusische Infektionsherd mit 109 Betroffenen ist in Córdoba auf eine Abschlussfeier unter Schülern zurückzuführen. Angesichts der vielen infizierten jungen Leute bereitet der bevorstehende Schulstart im September den Landesbildungsministerien in ganz Spanien Kopfzerbrechen. Die andalusische Landesregierung hat jetzt angekündigt, noch im August die Anstellung von 6.000 zusätzlichen Lehrern abzuwickeln.
„Wir können schlecht die Polizei zu jedem nach Hause schicken“